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41 Innere AngelegenheitenNorm
EMRK Art8Leitsatz
Kein Vestoß gegen das Recht auf Datenschutz und das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch die Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes betreffend Speicherung, Übermittlung und Löschung personenbezogener Daten für Zwecke der Strafverfolgung; verfassungskonforme Auslegung hinsichtlich einer Interessenabwägung im Falle eines Antrags auf vorzeitige Löschung bestimmter Daten gebotenRechtssatz
§57 Abs1 Z6 und §58 Abs1 Z6 litb SicherheitspolizeiG, BGBl Nr 566/1991, idF BGBl I Nr 104/1997, werden nicht als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Sicherheitsbehörden sind gemäß §63 Abs1 iVm §61 SicherheitspolizeiG von Amts wegen verpflichtet, die Speicherung der vom §57 Abs1 Z6 SicherheitspolizeiG betroffenen Daten (Einleitung von Ermittlungen im Dienste der Strafrechtspflege gegen den Betroffenen) um die mit den Ermittlungen in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Folgedaten, insbesondere also Informationen über das weitere Schicksal polizeilicher Ermittlungen, wie zB die Zurücklegung einer Anzeige durch die Staatsanwaltschaft gemäß §90 Abs2 StPO oder den Freispruch von der Anklage durch Urteil des Gerichtes gemäß §259 StPO, zu ergänzen. Denn sowohl mit der Zurücklegung einer Anzeige gemäß §90 Abs2 StPO als auch mit dem Freispruch von der Anklage gemäß §259 StPO wird der Aussagewert, dass gegen den Betroffenen sicherheitsbehördliche Ermittlungen eingeleitet wurden, in dem Sinne verändert, dass die Ermittlungen nicht zu dem von den Sicherheitsbehörden intendierten Ergebnis einer Anklageerhebung oder einer Verurteilung führten. Das Unterbleiben der Aktualisierung über das weitere Schicksal der sicherheitsbehördlichen Erhebungen hat die Unrichtigkeit der gespeicherten Daten zur Folge.
Über die Verpflichtung zur Aktualisierung der gemäß §57 Abs1 Z6 SicherheitspolizeiG gespeicherten Daten hinaus besteht aber gemäß §63 Abs1 SicherheitspolizeiG auch eine Verpflichtung der Sicherheitsbehörden zur Löschung der entgegen den Bestimmungen des SicherheitspolizeiG ermittelten und gespeicherten Daten. §63 Abs1 SicherheitspolizeiG ist im Sinne des einen Teil des Grundrechtes auf Datenschutz bildenden - und im vorliegenden Fall auf Grund der Übergangsbestimmungen des §61 Abs3 Datenschutzgesetz 2000, BGBl I Nr 165/1999, anzuwendenden - Rechtes auf Löschung gemäß §1 Abs4 DSG, BGBl Nr 565/1978, verfassungskonform auszulegen und auch im Zusammenhang mit dem in §51 Abs1 iVm §29 SicherheitspolizeiG normierten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu betrachten. §58 Abs1 Z6 litb SicherheitspolizeiG findet bei verfassungskonformer Auslegung nur auf jene Fälle der Speicherung personenbezogener Daten Anwendung, die von den Sicherheitsbehörden in kriminalpolizeilicher Hinsicht notwendigerweise gemäß §57 Abs1 Z6 SicherheitspolizeiG im Dienste der Strafrechtspflege ermittelt und gespeichert wurden und deren Speicherung und Übermittlung im Dienste der Strafrechtspflege weiterhin erforderlich ist. Daher besteht bereits vor Ablauf der im §58 Abs1 Z6 litb SicherheitspolizeiG iVm dem zweiten Satz dieses Absatzes bezeichneten Frist dann die Verpflichtung zur Löschung der gemäß §57 Abs1 Z6 SicherheitspolizeiG gespeicherten Daten, wenn die Speicherung als im Dienste der Strafrechtspflege nicht mehr erforderlich anzusehen ist.
Im Falle eines Antrages auf Löschung vor dem im §58 Abs1 Z6 litb SicherheitspolizeiG iVm dem zweiten Satz dieses Absatzes bezeichneten Zeitpunkt hat die Sicherheitsbehörde die Notwendigkeit der Datenspeicherung festzustellen und eine Interessenabwägung vorzunehmen. Die Sicherheitsbehörde hat das Interesse des von der Speicherung und Übermittlung der Daten gemäß §57 Abs1 Z6 SicherheitspolizeiG Betroffenen an einer Löschung der Daten mit dem öffentlichen Interesse an der Notwendigkeit der Speicherung und Übermittlung dieser Daten auch während des Zeitraumes gemäß §58 Abs1 Z6 litb SicherheitspolizeiG iVm dem zweiten Satz dieses Absatzes aufgrund der Umstände des Einzelfalles abzuwägen. Dies auch deshalb, da die Sicherheitsbehörden gemäß §51 Abs1 SicherheitspolizeiG beim Verwenden (Ermitteln, Verarbeiten, Benützen, Übermitteln und Überlassen oder einer dieser Vorgänge) personenbezogener Daten zur Verhältnismäßigkeit (§29 SicherheitspolizeiG) verpflichtet sind. Im Verfahren gemäß dem hier noch anzuwendenden §14 DSG, BGBl Nr 565/1978 (nunmehr §31 Datenschutzgesetz 2000, BGBl I Nr 165/1999), ist es Aufgabe der Datenschutzkommission, die Feststellungen der Sicherheitsbehörden betreffend die Erforderlichkeit der Datenspeicherung im Dienste der Strafrechtspflege nachzuprüfen.
(siehe hiezu auch die Bescheidaufhebung im Anlassverfahren wegen verfassungswidriger Gesetzesauslegung und Unterlassung der gebotenen Interessenabwägung bei Verweigerung der Löschung von Daten vor Fristablauf in E v 16.03.01, B1117/99).
Der Verfassungsgerichtshof hält daher das Bedenken, dass die Speicherung der gemäß §57 Abs1 Z6 SicherheitspolizeiG ermittelten Daten während des im §58 Abs1 Z6 litb SicherheitspolizeiG iVm dem zweiten Satz dieses Absatzes genannten Zeitraums durch den materiellen Gesetzesvorbehalt des §1 Abs2 DSG iVm Art8 EMRK nicht gedeckt ist, nicht mehr aufrecht.
Schlagworte
Auslegung verfassungskonforme, Datenschutz, Polizei, Sicherheitspolizei, StrafprozeßrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:G94.2000Dokumentnummer
JFR_09989684_00G00094_01