TE Vfgh Beschluss 2005/6/17 B470/05 ua

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Veröffentlicht am 17.06.2005
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Index

L9 Sozial- und Gesundheitsrecht
L9440 Krankenanstalt, Spital

Norm

B-VG Art131 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
AVG §8
Nö KAG 1974 §5 Abs5

Leitsatz

Zurückweisung von Beschwerden der Ärztekammer und der Wirtschaftskammer Niederösterreich gegen die Erteilung der Bewilligung zur Errichtung eines selbständigen Ambulatoriums für physikalische Medizin mangels Legitimation; keine Verleihung subjektiver Rechte durch das Nö Krankenanstaltengesetz trotz Einräumung der Parteistellung zur Wahrung bestimmter Interessen im Bewilligungsverfahren

Spruch

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit Bescheid vom 6. April 2005 erteilte die Niederösterreichische Landesregierung der am vorliegenden Beschwerdeverfahren beteiligten Partei, einem Facharzt für physikalische Medizin, die Bewilligung zur Errichtung eines selbständigen Ambulatoriums für physikalische Medizin in Tulln.

2. Gegen diesen - keinem weiteren Rechtszug unterliegenden - Bescheid richten sich die vorliegenden, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden der Ärztekammer für Niederösterreich (B470/05) sowie der Wirtschaftskammer Niederösterreich, Fachvertretung der privaten Krankenanstalten und Kurbetriebe (B485/05). Darin wird jeweils die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt. Die beteiligte Partei erstattete eine schriftliche Äußerung, in der sie beantragt, die Beschwerden als unzulässig zurück-, in eventu als unbegründet abzuweisen und Kosten wie verzeichnet zuzusprechen.

II. Die Beschwerden sind nicht zulässig:

1. Gemäß §3 des Niederösterreichischen Krankenanstaltengesetzes (NÖ KAG), LGBl. 9440, bedürfen Krankenanstalten sowohl zu ihrer Errichtung als auch zu ihrem Betrieb einer Bewilligung.

Die Voraussetzungen für die Erteilung der Errichtungsbewilligung sind in §8 NÖ KAG geregelt; diese Bestimmung lautet auszugsweise wie folgt:

"§8. (1) Die Bewilligung zur Errichtung ist zu erteilen, wenn

a) nach dem angegebenen Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot im Hinblick auf das bereits bestehende Versorgungsangebot öffentlicher, privater gemeinnütziger und sonstiger Krankenanstalten mit Kassenverträgen sowie bei Errichtung einer Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums auch im Hinblick auf das Versorgungsangebot durch niedergelassene Kassenvertragsärzte, kasseneigene Einrichtungen und Vertragseinrichtungen der Kassen, bei Zahnambulatorien auch im Hinblick auf niedergelassene Dentisten mit Kassenvertrag, ein Bedarf gegeben ist;

b) keine Bedenken gegen den Bewerber vorliegen (§5 Abs6),

c) das geplante oder bereits vorhandene Gebäude (Räume) als Anstaltsgebäude (Anstaltsräume) geeignet und die nach dem Anstaltszweck, dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot und allfälligen Schwerpunkte erforderliche apparative und personelle Ausstattung dauerhaft sichergestellt sind sowie

d) die zivilrechtlichen und finanziellen Grundlagen die einwandfreie Führung der Anstalt ermöglichen,

e) der angegebene Anstaltszweck und das in Aussicht genommene Leistungsangebot dem Österreichischen Krankenanstaltenplan, einschließlich des Großgeräteplanes, und dem Landes-Krankenanstaltenplan (§21a) entspricht."

Gemäß §5 Abs4 NÖ KAG ist hinsichtlich des Bedarfes eine Stellungnahme der gesetzlichen Interessenvertretung privater Krankenanstalten, des NÖ Gesundheits- und Sozialfonds, ausgenommen bei NÖ Fondskrankenanstalten, der Rechtsträger nächstgelegener öffentlicher Krankenanstalten und betroffener Sozialversicherungsträger, sofern sie für das Einzugsgebiet der beantragten Krankenanstalt (§4 Abs1 lita) nach den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften zuständig sind, insbesondere des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger, bei selbständigen Ambulatorien auch der Ärztekammer für Niederösterreich sowie bei Zahnambulatorien auch der Österreichischen Dentistenkammer einzuholen. Ferner ist eine Stellungnahme des Landessanitätsrates und jener Gemeinde, in der die Krankenanstalt errichtet werden soll, einzuholen.

§5 Abs5 NÖ KAG lautet wie folgt:

"Die gesetzliche Interessensvertretung privater Krankenanstalten, die betroffenen Sozialversicherungsträger, soferne sie für das Einzugsgebiet der beantragten Krankenanstalt (§4 Abs1 lita) nach den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften zuständig sind, bei selbständigen Ambulatorien die Ärztekammer für NÖ und bei Zahnambulatorien die Österreichische Dentistenkammer haben hinsichtlich des nach §8 Abs1 lita zu prüfenden Bedarfes Parteistellung im Sinne des §8 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, und das Recht der Beschwerde gemäß Art131 Abs2 B-VG."

2.1. Gemäß Art144 Abs1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden einschließlich der unabhängigen Verwaltungssenate, sofern der Beschwerdeführer behauptet, durch den Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt zu sein.

2.2. Zur Erhebung einer solchen Beschwerde ist nur berechtigt, wer durch den angefochtenen Bescheid in irgendeinem subjektiven Recht verletzt worden sein kann (zB VfSlg. 11.764/1988 mwN). Die Einräumung eines Beschwerderechts an den Verfassungsgerichtshof ohne Vorliegen dieser Voraussetzung bedürfte (anders als nach Art131 Abs2 B-VG im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren) einer verfassungsgesetzlichen Grundlage (vgl. E vom 16. Juni 2004, G4/04, Slg. 17.220).

2.3. Die Bestimmung des §5 Abs5 NÖ KAG räumt den beschwerdeführenden Parteien "hinsichtlich des zu prüfenden Bedarfes" Parteistellung "im Sinne des §8 AVG" im Verfahren zur Erteilung der krankenanstaltenrechtlichen Errichtungsbewilligung sowie gegen den in diesem Verfahren ergangenen Bescheid das "Recht der Beschwerde gemäß Art131 Abs2 B-VG" an den Verwaltungsgerichtshof ein. Daraus geht zwar hervor, dass der Gesetzgeber den beschwerdeführenden Parteien die Wahrung bestimmter Interessen im Bewilligungsverfahren überantwortet und ihnen zu diesem Zweck Parteistellung eingeräumt hat; gerade der Umstand, dass ihnen der Gesetzgeber nur Beschwerdelegitimation nach Art131 Abs2 B-VG zuerkannt hat, einer Bestimmung also, welche die Geltendmachung subjektiver Rechte gerade nicht voraussetzt, zeigt aber, dass ihnen eigene subjektive Rechte im vorliegenden Zusammenhang nicht verliehen sind. Das Bestehen solcher Rechte wäre aber Voraussetzung der Beschwerdelegitimation nach Art144 B-VG; die Stellung einer Amts- oder Formalpartei genügt hiefür nicht (vgl. dazu neuerlich E vom 16. Juni 2004, G4/04, Slg. 17.220 mwN).

Die Beschwerden waren daher mangels Legitimation zurückzuweisen (§19 Abs3 Z2 lite VfGG).

3. Der beteiligten Partei waren für den nicht abverlangten Schriftsatz Kosten nicht zuzusprechen (zB VfSlg. 13.847/1994).

4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Ärztekammer, Berufliche Vertretungen, Krankenanstalten, Rechte subjektive öffentliche, Verwaltungsverfahren, Parteistellung Krankenanstalten, VfGH / Legitimation, Wirtschaftskammern, Amtspartei

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:B470.2005

Dokumentnummer

JFT_09949383_05B00470_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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