TE Vfgh Erkenntnis 2005/6/22 B1154/04

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Veröffentlicht am 22.06.2005
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

StGG Art5
Oö GVG 1994 §4

Leitsatz

Verletzung im Eigentumsrecht durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Übergabsvertrages zwischen den Eltern und deren Kindern wegen Verschlechterung der Agrarstruktur und Gefährdung grundverkehrsrechtlicher Interessen; Außerachtlassung der konkreten Vertragsgestaltung infolge allgemeiner Behauptung eines generellen Widerspruchs der Schaffung ideeller Miteigentumsanteile zu öffentlichen Interessen

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Oberösterreich ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.880,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Übergabsvertrag vom 25. März 2003 haben die Ehegatten

F und J M (Erst- und Zweitbeschwerdeführer) zwei näher bezeichnete Liegenschaften zu je einem Drittelanteil an ihre drei Kinder (die Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer) übergeben.

Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid der Landesgrundverkehrskommission beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung (im Folgenden: LGVK) vom 5. Juli 2004 wurde diesem Rechtserwerb die grundverkehrsbehördliche Genehmigung versagt. Begründend wird im Kern ausgeführt, dass die Aufteilung eines knapp 30 ha großen einheitlichen Landwirtschaftsbetriebes eine erhebliche Verschlechterung der agrarischen Besitz- und Eigentumsstruktur bewirke und somit weder dem öffentlichen Interesse an der Schaffung, Erhaltung und Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch jenem an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden mittleren oder kleinen land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes iS des §4 Abs2 Oö. Grundverkehrsgesetz 1994 (im Folgenden: Oö. GVG 1994) entspreche.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 B-VG, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet, die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens angeregt und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt wird.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt. Die Beschwerdeführer haben darauf repliziert.

II. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Oö. GVG 1994, LGBl. 88/1994 idF LGBl. 85/2002, lauten:

"§1

Zielsetzung, Geltungsbereich

(1) Dieses Landesgesetz hat zum Ziel, beim Verkehr mit Grundstücken oder Teilen davon unter Bedachtnahme auf die Grundsätze eines umfassenden Umwelt-, Natur- und Landschaftsschutzes das öffentliche Interesse

1. an einer geordneten Siedlungsentwicklung,

2. an einer wirtschaftlich gesunden und leistungsfähigen bäuerlichen Land- und Forstwirtschaft in einem funktionsfähigen ländlichen Raum,

...

zu wahren.

(2) Dem Geltungsbereich dieses Landesgesetzes unterliegen folgende zivilrechtliche Rechtserwerbe unter Lebenden an Grundstücken oder Grundstücksteilen (z.B. Wohnung):

1. die Übertragung des Eigentums;

2. die Einräumung des Fruchtnießungsrechts oder des Rechts des Gebrauchs einschließlich der Dienstbarkeit der Wohnung;

..."

"§2

Begriffsbestimmungen

(1) Land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke sind bebaute und unbebaute Grundstücke, die nach ihrer Beschaffenheit zur land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung geeignet sind und nicht zweifelsfrei zur Gänze für andere Zwecke als der Land- oder Forstwirtschaft verwendet werden, ausgenommen Grundstücke nach Abs2 Z. 1.

..."

§4

Genehmigungsbedürftigkeit

(1) Rechtserwerbe gemäß §1 Abs2 Z. 1 an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken oder Teilen davon bedürfen der Genehmigung der Behörde. Eine Genehmigung ist nicht erforderlich bei der Übertragung des Eigentums

a) an einem Grundstück in einem Freigebiet oder

b) an einen Miteigentümer, sofern die Übertragung nicht zu einer Teilung des gemeinschaftlichen land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes führt, oder

c) zur Begründung einer ehelichen Gütergemeinschaft sowie von Miteigentum zwischen Ehegatten oder Lebensgefährten oder

d) an allen land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs, wenn durch die Übertragung Alleineigentum eines nahen Angehörigen (§2 Abs7) oder Miteigentum von nahen Angehörigen, die Ehepartner oder Lebensgefährten sind, begründet wird.

(2) Rechtserwerbe nach Abs1 sind zu genehmigen, wenn den öffentlichen Interessen an der Erhaltung land- oder forstwirtschaftlicher Nutzflächen und

1. an der Schaffung, Erhaltung und Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes oder

2. an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden mittleren oder kleinen land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes

entsprochen wird und der Rechtserwerber glaubhaft macht, daß er das zu erwerbende Grundstück selbst ordnungsgemäß bewirtschaften wird.

..."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. In der Beschwerde wird vor allem die Verfassungswidrigkeit der Wortfolge ", die Ehepartner oder Lebensgefährten sind," in §4 Abs1 litd Oö. GVG 1994 behauptet. Nach dieser Bestimmung ist die Übertragung des Eigentums an allen land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes nicht genehmigungspflichtig, wenn durch die Übertragung Alleineigentum eines nahen Angehörigen oder Miteigentum von nahen Angehörigen, die Ehepartner oder Lebensgefährten sind, begründet wird.

Die Beschwerdeführer "sind der festen Überzeugung, dass jede Art von Grundverkehrsbeschränkung im rechtsgeschäftlichen Verkehr zwischen Eltern und Kindern dem Eigentumsrecht ebenso wie dem Menschenrecht auf Privat- und Familienleben ... fundamental widerspricht", begründen dies jedoch nicht näher.

Grundsätzliche Bedenken dagegen, dass Rechtsgeschäfte zwischen nahen Angehörigen nur dann genehmigungsfrei sind, wenn durch die Übertragung entweder Alleineigentum oder Miteigentum von Ehepartnern oder Lebensgefährten begründet wird, sind beim Verfassungsgerichtshof - nicht zuletzt mit Blick auf die Ziele des Grundverkehrsrechts - jedoch nicht entstanden.

1.2. Festzuhalten ist, dass die vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 8. Juni 2005, G163,164/04, als verfassungswidrig aufgehobene Wortfolge "und der Rechtserwerber glaubhaft macht, daß er das zu erwerbende Grundstück selbst ordnungsgemäß bewirtschaften wird" in §4 Abs2 Oö. GVG 1994 im vorliegenden Fall nicht angewendet wurde. Vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles bestehen gegen die Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides keine Bedenken (vgl. bereits VfSlg. 12.695/1991 zur insoweit vergleichbaren Bestimmung des §4 Abs1 Oö. GVG 1975).

2.1. Weiters behauptet die Beschwerde eine "willkürliche Verweigerung" der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung und führt dazu aus, es bestehe "keinerlei Notwendigkeit, hier beschränkend einzugreifen, weil angesichts der örtlichen Verhältnisse, der Bewirtschaftungssituation insgesamt und der Organisation der Landwirtschaft im Besonderen keinerlei Zwangsbedarf von oben besteht".

2.2. Ein Bescheid, mit dem - wie im vorliegenden Fall - einer beabsichtigten Eigentumsübertragung die grundverkehrsbehördliche Genehmigung versagt wird, greift in das Eigentumsrecht sowohl des Übergebers als auch des Übernehmers ein (zB VfSlg. 10.565/1985 mwH, 12.695/1991).

Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides würde dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. zB VfSlg. 15.001/1997, 16.113/2001, 16.701/2002).

2.3. Im vorliegenden Fall ist der belangten Behörde im Ergebnis ein solcher Vorwurf zu machen:

Voranzustellen ist, dass der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis VfSlg. 10.644/1985 einen Bescheid aufgehoben hat, mit dem die Genehmigung zur Übertragung des Hälfteeigentums an einer Liegenschaft versagt worden war. Die Begründung des Bescheides erschöpfte sich in einer nicht näher ausgeführten Befürchtung, dass eine Zerschlagung des kleinlandwirtschaftlichen Betriebes erfolgen solle. Der Verfassungsgerichtshof sprach dazu aus, dass der Erwerb des Hälfteanteils jedenfalls eine Stärkung des Betriebes der Erwerber darstelle und somit den durch das Grundverkehrsgesetz geschützten Interessen entspreche. Eine allenfalls zu erwartende Realteilung führe noch nicht dazu, dass dieses Rechtsgeschäft diesen Interessen zuwiderlaufe. Die Grundverkehrsbehörde habe nämlich die Möglichkeit, eine allfällige Veräußerung des zweiten Hälfteanteils (an einen Dritten) nicht zu genehmigen und dadurch die Zerreißung des Betriebes zu verhindern.

Auch ist für die rechtliche Beurteilung des vorliegenden Falles maßgeblich, dass der Verfassungsgerichtshof aus Anlass einer Beschwerde gegen die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung nach dem Tiroler Grundverkehrsgesetz 1983 die Auffassung vertreten hat, es sei nicht denkunmöglich, die Begründung von ideellem Miteigentum von Ehegatten an einem geschlossenen Hof als im Widerspruch zu den durch das Grundverkehrsgesetz geschützten Interessen stehend anzusehen (VfSlg. 11.674/1988).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist es nicht generell denkunmöglich, dass die Begründung von ideellem Miteigentum dem öffentlichen Interesse an der Schaffung, Erhaltung und Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes bzw. an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden mittleren oder kleinen land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widersprechen kann.

Die Außerachtlassung der konkreten Vertragsgestaltung allein unter Zugrundelegung der allgemeinen Behauptung, dass eine Schaffung von Miteigentum zu ideellen Anteilen den genannten öffentlichen Interessen widerspreche, ist jedoch verfehlt. Es mag zwar zutreffen, dass in der Zukunft von den Miteigentümern der Wunsch nach einer Realteilung des Miteigentums entstehen könnte, doch ist daraus noch nichts zu gewinnen: Es ist nämlich auch zu beachten, dass die Realteilung zivilrechtlich untunlich ist, wenn die auch dafür notwendige grundverkehrsbehördliche Genehmigung äußerst unwahrscheinlich wäre (vgl. dazu etwa OGH 28.1.1988, 3 Ob 547/86; 16.2.1984, 6 Ob 8/83). Durch die grundverkehrsbehördliche Genehmigung der Schaffung von ideellem Miteigentum ist über die Frage der künftigen Genehmigung einer Realteilung noch nichts ausgesagt.

Die Überlegungen der belangten Behörde, welche anderen Rechtsinstrumente von den Beschwerdeführern genutzt werden könnten (wie etwa die Gründung einer Familienstiftung), gehen schon deshalb ins Leere, weil §4 Abs2 Oö. GVG 1994 die Kriterien für die Genehmigung eines Rechtserwerbs festlegt, der Behörde jedoch nicht die Möglichkeit eröffnet, die Bewilligung schon dann zu versagen, wenn aus ihrer Sicht "geeignetere" Rechtsinstrumente als das zu beurteilende Rechtsgeschäft existieren würden. Ebenso wenig wie durch Maßnahmen des Grundverkehrs darauf Einfluss genommen werden kann, ob ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb als Vollerwerbs- oder als Nebenerwerbsbetrieb geführt wird, lässt sich durch die Vorschriften des Grundverkehrsrechtes die Wahl einer bestimmten Rechtsform für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb erzwingen (vgl. in diesem Sinne auch VfSlg. 12.695/1991).

Die belangte Behörde hat daher, in dem sie der Eigentumsübertragung die Genehmigung versagte, die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

IV. 1. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten sind ein Streitgenossenzuschlag in Höhe von € 450,--, Umsatzsteuer in Höhe von € 450,-- sowie der Ersatz der entrichteten Eingabengebühr in Höhe von € 180,-- enthalten.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Zivilrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:B1154.2004

Dokumentnummer

JFT_09949378_04B01154_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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