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36 WirtschaftstreuhänderNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Gesetzwidrigkeit der Satzung und der Beitragsordnung der bzw für dieVorsorgeeinrichtung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder; keinegesetzliche Grundlage für die Normierung von Beitragspflicht undBeiträgen; weitreichende gesetzliche Vorkehrungen für den Wechsel vomSystem der gesetzlichen Sozialversicherung in ein kammereigenes,privatrechtlich organisiertes Pensionssystem erforderlichRechtssatz
Die Absätze 6 und 7 des §11 der Satzung der Vorsorgeeinrichtung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder sind nicht präjudiziell: Die belangte Behörde hat in den in den Bescheidprüfungsverfahren zu B1587/00 und B1615/00 angefochtenen Bescheiden die Beschwerdeführer zwar in unterschiedlichen Formulierungen jeweils auf die Möglichkeit einer Stundung der Beiträge gem. §11 Abs6 und Abs7 der Satzung hingewiesen, damit der Sache nach aber nicht den Bescheid begründet, sondern den Beschwerdeführern lediglich eine Rechtsbelehrung erteilt. Die belangte Behörde hat daher bei Erlassung der in den Bescheidprüfungsverfahren angefochtenen Bescheide diese Bestimmungen nicht angewendet.
Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen der Satzung der Vorsorgeeinrichtung sowie der Beitragsordnung können sich auf keine gesetzliche Grundlage stützen.
Auch Organe der Selbstverwaltungskörper sind zur Erlassung von Verordnungen nur "auf Grund der Gesetze" iS des Art18 Abs2 B-VG befugt (vgl. VfSlg. 3993/1961, 4886/1964, 13464/1993; vgl. explizit ablehnend zum Gedanken eines "gelockerten Legalitätsprinzipes" für autonome Satzungen bereits VfSlg. 7903/1976).
Der Gesetzgeber hat offenkundig in §146 Abs2 Z5 WirtschaftstreuhandberufsG (noch) keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Einrichtung einer kammereigenen Versorgungseinrichtung für den Fall der Krankheit (und damit wohl auch nicht für den Fall des Alters) gesehen.
Auf ein Minimum von ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigungen kann im hier zu untersuchenden Zusammenhang auch dann nicht verzichtet werden, wenn man davon ausginge, daß im Zweifel nur eine Pensionsvorsorge nach dem Kapitaldeckungssystem und unter Beachtung versicherungsmathematischer Grundsätze zulässig wäre. Selbst wenn nämlich wegen der damit sichergestellten Wechselseitigkeit von Beitrag und Leistung insoweit eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung entbehrlich wäre, so fehlte noch immer das erforderliche Minimum an Determinanten hinsichtlich des zulässigen Ausmaßes der einen Eingriff in das Eigentumsrecht darstellenden Beitragsverpflichtung der Mitglieder und damit des Ausmaßes der in Aussicht genommenen Altersvorsorge, aber auch der Zulässigkeit sowie der Grundsätze einer allfälligen Hinterbliebenenversorgung.
Selbständige Wirtschaftstreuhänder unterliegen - anders als zB die Rechtsanwälte - bereits seit 1958 der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem GSVG (und seinen Vorläufergesetzen) und es hätte daher in ihrem Fall ein Wechsel vom System der gesetzlichen Sozialversicherung in ein kammereigenes, privatrechtlich organisiertes Pensionssystem - anders als im Falle von Berufsgruppen, die erstmals in das GSVG einbezogen werden - weitreichenderer Vorkehrungen in bezug auf die nach dem GSVG erworbenen Anwartschaften bedurft.
Da nicht nur jene Bestimmungen der Satzung der Vorsorgeeinrichtung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, hinsichtlich derer das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig ist, sowie die in Prüfung gezogenen Teile der Beitragsordnung jeder gesetzlichen Grundlage entbehren, sondern vielmehr die gesamte Satzung und die gesamte Beitragsordnung, war gem. Art139 Abs3 lita iVm Abs4 B-VG vorzugehen.
(ebenso für die Satzung vom 01.12.00: E v 26.11.01, V85/01, mit bloßem Verweis auf das vorliegende Erkenntnis).
(Anlaßfälle: E v 19.06.01, B1587/00, B1588/00, B1615/00, B1666/00 - Aufhebung der angefochtenen Bescheide; Quasi-Anlaßfälle: B1616/00, B1617/00, B1618/00 - alle E v 28.06.01, uvm).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Sozialversicherung, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Verwerfungsumfang,Wirtschaftstreuhänder Versorgung, Selbstverwaltung, beruflicheVertretungen, Legalitätsprinzip, Determinierungsgebot, Pensionsrecht,Bescheid RechtsmittelbelehrungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:V32.2001Zuletzt aktualisiert am
25.02.2013