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27 RechtspflegeNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt wegen verbotener Werbung, insbesondere nicht der Meinungsäußerungsfreiheit und der Verfahrensgarantien der Europäischen Menschenrechtskonvention; denkmögliche Annahme der Verletzung des Reklameverbotes durch aktives Mitwirken am Erscheinen eines Zeitungsarktikels betreffend ein gespieltes ScheidungsverfahrenRechtssatz
Der Beschwerdeführer spielte im Beisein des Journalisten G M zusammen mit Rechtsanwalt Dr. A K in seinen Kanzleiräumlichkeiten ein "Scheidungsverfahren im Hause Windsor" durch, wobei er als Rechtsberater eines Mitglieds des englischen Königshauses fungierte. Es ist offenkundig, daß der Beschwerdeführer durch dieses Verhalten aktiv am Erscheinen des Artikels am 27. Juni 1993 in der Neuen Kronen-Zeitung mitwirkte. Der belangten Behörde kann angesichts dieses Sachverhaltes nicht der Vorwurf gemacht werden, sie habe §45 RL-BA 1977 einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt bzw. diese Vorschrift denkunmöglich angewendet, wenn sie dieses Verhalten als verpönte Selbstanpreisung durch reklamehaftes Herausstellen der Person iS des §45 Abs3 lita RL-BA 1977 qualifiziert (vgl. in diesem Zusammenhang auch VfSlg. 14561/1996). Daher auch keine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit.
Kein Einspruch des Beschwerdeführers gegen ein in seiner Abwesenheit gefälltes Disziplinarurteil.
Er kann der belangten Behörde daher nicht vorwerfen, daß er von ihr bei der Berufungsverhandlung nicht gehört worden wäre oder daß ihm von der belangten Behörde in rechtswidriger Weise die Möglichkeit abgeschnitten worden wäre, bei der Berufungsverhandlung Vorbringen, die zu seiner Entlastung geführt hätten, zu erstatten (so bereits VfSlg. 13298/1992).
Keine in die Verfassungssphäre reichenden Mängel iZm der Zustellung der Ladung.
Keine Befangenheit des Anwaltsrichters.
Weder der Umstand, daß Dr. B in einem früheren Verfahren gegen den Beschwerdeführer an einer Disziplinarentscheidung mitgewirkt habe, noch die Tatsache, daß ihm der Beschwerdeführer in einer Berufungsschrift strafrechtlich relevante Verhaltensweisen vorgeworfen habe, kann die nach Art6 EMRK geforderte Unparteilichkeit des Anwaltsrichters zweifelhaft erscheinen lassen. Von einem Richter muß erwartet werden können, daß er selbst dann unbefangen entscheidet, wenn etwa eine Partei ihm in einem Schriftsatz strafrechtlich relevantes Verhalten vorwirft oder gegen ihn unbegründete Strafanzeigen erstattet. Die Partei hätte es andernfalls in der Hand, ihr mißliebig erscheinende Richter durch die Erhebung von derartigen Vorwürfen in ihren Rechtssachen vom Verfahren auszuschließen (so auch die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes: vgl. etwa OGH 1.9.1987, 5 Ob 347/87, OGH 18.9.1991, 1 Ob 575/91, OGH 23.2.1993, 1 Ob 623/92).
Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.
Es gibt keine verfassungsrechtliche Anordnung, die eine feste Geschäftsverteilung für die nach dem DSt 1990 zu bildenden einzelnen Senate der OBDK gebieten würde.
Keine Verletzung im Gleichheitsrecht.
Selbst wenn der näher bezeichnete Artikel über prominente Rechtsanwälte im genannten Nachrichtenmagazin als verbotene Werbemaßnahme der darin vorkommenden Rechtsanwälte zu beurteilen wäre, ist dem Beschwerdeführer die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach die Rechtmäßigkeit des Verhaltens einer Behörde nicht dadurch in Frage gestellt werden kann, daß die Behörde in anderen Fällen gleiche Fehlverhalten disziplinär nicht geahndet hat.
Schlagworte
Meinungsäußerungsfreiheit, Rechtsanwälte Disziplinarrecht, Befangenheit, Kollegialbehörde, fair trial, WerbungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:B670.2000Dokumentnummer
JFR_09989380_00B00670_2_01