RS Vfgh 2001/6/27 B1285/00

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Veröffentlicht am 27.06.2001
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
EStG 1988 §20 Abs1 Z1
EStG 1988 §33 Abs4
EStG 1988 §34 Abs7
FamilienlastenausgleichsG 1967 §12a

Leitsatz

Keine Bedenken gegen die einkommensteuerlichen Regelungen über die Nichtabzugsfähigkeit von Unterhaltsleistungen an Kinder bei getrennter Haushaltsführung; verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung der Unterhaltsleistungen an nicht haushaltszugehörige Kinder durch Anrechnung eines Teiles der Transferleistungen auf den Unterhalt; verfassungskonforme Auslegung der Regelung des FamilienlastenausgleichsG über die Nichtanrechnung der Transferleistungen auf den Unterhalt im Sinne eines in Einzelfällen notwendigen Ausgleichs überhöhter Steuerbelastung; keine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Berücksichtigung der Mehrkosten getrennter Haushaltsführung

Rechtssatz

Der Gesetzgeber kann von Verfassungs wegen nicht gehalten sein, für den Fall getrennt lebender Eltern im Ergebnis höhere (Transfer-)Leistungen vorzusehen. Die zulässige Pauschalierung der Berücksichtigung von Kinderlasten nimmt auf Unterschiede in der Belastung der Eltern, die sich aus deren jeweils gegebenen Lebensverhältnissen oder den individuellen Bedürfnissen der Kinder ergeben, keine Rücksicht. Sind solcherart für jedes unterhaltsberechtigte Kind dieselben Leistungen vorgesehen, so fällt auch der Umstand, daß die Eltern getrennt leben, diesen als Sache privater Lebensgestaltung oder persönlichen Risikos zur Last.

Wirken Transferleistungen in unteren Einkommensstufen als Förderung des Kindes, müssen sie in höheren zunehmend der notwendigen steuerlichen Entlastung des Unterhaltspflichtigen dienen.

Wenn der Gesetzgeber die Transferleistungen auch bei getrennten Haushalten grundsätzlich dem das Kind betreuenden Elternteil zukommen läßt und (in §12a FamilienlastenausgleichsG 1967) eine Anrechnung auf den Unterhalt verbietet, so muß das im Lichte der verfassungsrechtlich gebotenen steuerlichen Entlastung so verstanden werden, daß die für das Kind zu verwendenden Transferleistungen zwar in der Regel (soweit als möglich) den Unterhalt des Kindes fördern und nicht den Unterhaltspflichtigen entlasten sollen, daß aber der im Einzelfall doch nötige Ausgleich für die überhöhte Steuerbelastung ebensowenig behindert wird wie im gemeinsamen Haushalt.

Der normative Gehalt des §12a FamilienlastenausgleichsG 1967 (der sich im übrigen - was die Praxis nicht zu beachten scheint - dem Wortlaut nach nur auf die Familienbeihilfe, nicht aber auf den gemeinsam mit ihr ausbezahlten Kinderabsetzbetrag bezieht) muß teleologisch auf jenen Bereich reduziert werden, in dem die Transferleistungen nicht zum Ausgleich der überhöhten Steuerbelastung benötigt werden.

Ob und in welchem Ausmaß bei gegebenen Einkommensverhältnissen und angesichts der durch die getrennte Haushaltsführung verwirklichten Risken und in Kauf genommenen Nachteile die Transferleistungen über den Unterhaltsabsetzbetrag hinaus zur Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen berücksichtigt werden müssen, haben die Gerichte bei der Unterhaltsbemessung im Einzelfall zu entscheiden. Sie haben dabei jenes Maß an Entlastung herbeizuführen, das - unter Außerachtlassung der die Belastung des Unterhaltspflichtigen erhöhenden Folgen der getrennten Haushaltsführung - den Kriterien entspricht, die von der Rechtsprechung des Gerichtshofes zur Unterhaltsleistung für haushaltszugehörige Kinder entwickelt wurden.

Steuerlich muß (zumindest) die Hälfte des gesetzlich geschuldeten (nach der Prozentsatzmethode ermittelten bzw. aus den Regelbedarfssätzen abgeleiteten) Unterhaltes berücksichtigt werden (vgl. zuletzt E v 30.11.00, B1340/00).

Das verfassungskonforme Ergebnis wird dadurch erreicht, daß der Geldunterhaltspflichtige einerseits durch eine Kürzung seiner Unterhaltspflicht (teilweise Anrechnung der Transferleistungen) und andererseits durch die Gewährung des Unterhaltsabsetzbetrages insgesamt jene Entlastung erfährt, die erforderlich ist, um die Steuermehrbelastung abzugelten, die im jeweiligen Fall durch die Nichtabzugsfähigkeit der Hälfte des Unterhaltes entsteht.

Sollte in dem vom Gericht zugesprochenen Unterhaltsbetrag eine Komponente enthalten sein, die auch den Entfall der Betreuungsleistung des nunmehrigen Geldunterhaltsschuldners berücksichtigt, so müßte dies - da insoweit ein durch die privaten Lebensumstände veranlaßter Aufwand vorliegt - zur Ausscheidung dieser Komponente führen. Der anzurechnende Betrag an Transferleistungen (= Kürzung des Unterhaltes) müßte sich dann entsprechend vermindern. Gleiches hätte zu gelten, wenn nach den Verhältnissen des Falles der zu berücksichtigende Steuersatz weniger als 40 % beträgt.

Dem Gesetzgeber steht es freilich frei, eine solche Anrechnung im Rahmen des §12a FamilienlastenausgleichsG 1967 auch pauschalierend vorzusehen und damit zu erleichtern oder den skizzierten Vorgaben durch andere - sachliche - Regelungen Rechnung zu tragen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Auslegung teleologische, Auslegung verfassungskonforme, Einkommensteuer, Belastung außergewöhnliche, Kinder (Steuerrecht), Familienlastenausgleich, Unterhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:B1285.2000

Dokumentnummer

JFR_09989373_00B01285_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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