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83 Natur- und UmweltschutzNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerordnungLeitsatz
Zulässigkeit der Anträge der Standortgemeinde sowie einiger Bürgerinitiativen auf Aufhebung einer Hochleistungsstreckenverordnung; keine Zulässigkeit des Antrags eines Vereins sowie einer Bürgerinitiative nach verfrühter Abgabe einer Stellungnahme; keine Gesetzwidrigkeit der Trassenverordnung Wien - St Pölten im Rahmen des Ausbaus der Hochleistungsstrecke Wien - Salzburg; weder Verfahrensmängel bei Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung noch inhaltliche Gesetzwidrigkeit; ausreichende Kundmachung des Vorhabens und ausreichende Auseinandersetzung mit den Sachverständigengutachten; eingehende Berücksichtigung von Störfallszenarien; keine willkürliche "Stückelung" der Trassenbereiche zur Umgehung der Umweltverträglichkeitsprüfung; gesetzeskonforme Interessenabwägung bei Entscheidung für eine bestimmte Trassenvariante; Umweltverträglichkeit nicht alleiniges Kriterium, sondern ebenso Abwägung bautechnischer und betrieblicher VorteileRechtssatz
Zulässigkeit der Anträge der sogenannten "Standortgemeinde" iSd §19 Abs3 UVP-G sowie einiger Bürgerinitiativen iSd §19 Abs4 UVP-G auf Aufhebung der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr betreffend die Bestimmung des Trassenverlaufs der Neubaustrecke Wien - St. Pölten im Zuge der Hochleistungsstrecke Wien - Salzburg, BGBl. II 236/1999, gemäß §24 Abs11 UVP-G iVm Art139 B-VG; keine Zulässigkeit der Anträge eines Vereins und einer Bürgerinitiative.
Die einschreitenden Bürgerinitiativen legten in ihrem Antrag an den Verfassungsgerichtshof weder die in §19 Abs4 UVP-G vorgesehenen Unterschriftenlisten noch Nachweise über die Wahlberechtigung der Unterschriftleistenden zum Gemeinderat vor.
Parteistellung im Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren und damit auch die Antragslegitimation vor dem Verfassungsgerichtshof gemäß §24 Abs11 UVP-G besitzt nie ein Verein, sondern stets nur eine mindestens 200 Personen umfassende Gruppe physischer Personen, die eine Stellungnahme gemäß §9 Abs4 UVP-G durch Eintragung in eine Unterschriftenliste unterstützen. (Ausreichende Mitgliederzahl des Vereins genügt nicht zur Begründung der Antragslegitimation.)
Da die Unterschriftenliste der Bürgerinitiative Pottenbrunn zu einem Zeitpunkt zustande kam, zu dem eine die Parteistellung konstituierende Stellungnahme, die dem Verfahrensabschnitt über die öffentliche Auflage nach §9 Abs4 UVP-G vorbehalten ist, noch nicht möglich war, ermangelte der Bürgerinitiative nicht nur die Parteistellung im UVP-Verfahren gemäß §19 Abs4 UVP-G, sondern dementsprechend auch die Antragslegitimation vor dem Verfassungsgerichtshof gemäß §24 Abs11 UVP-G.
Bei den anderen Bürgerinitiativen ergeben sich für den Verfassungsgerichtshof aus dem von der Behörde vorgelegten Verordnungsakt keine Zweifel an der die Parteistellung konstituierenden Qualität der der Behörde jeweils vorgelegten Unterschriftenlisten, zumal die Mehrzahl der Stellungnahmen mit Unterschriftenlisten im Wege der jeweiligen Gemeinde eingebracht wurde, die im Begleitschreiben die Anzahl der Unterschriften erwähnt bzw. auf der Unterschriftenliste ihren Stempel anbrachte. Der Verfassungsgerichtshof geht - auch mangels gegenteiliger Behauptungen im Verfahren - daher davon aus, daß die Behörde vor Entgegennahme der jeweiligen Stellungnahme und Zuerkennung der Parteistellung die Unterschriftenlisten entsprechend den Kriterien des §19 Abs4 UVP-G gehörig überprüft und aufgrund dieser Überprüfung die Parteistellung gemäß dieser Bestimmung zu Recht bejaht hat.
Keine Gesetzwidrigkeit der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr betreffend die Bestimmung des Trassenverlaufs der Neubaustrecke Wien - St. Pölten im Zuge der Hochleistungsstrecke Wien - Salzburg, BGBl. II 236/1999.
Da das UVP-G in Ansehung der Erlassung einer Trassenverordnung gemäß '3 Abs1 HochleistungsstreckenG verfahrensrechtlichen Charakter besitzt, ist die angefochtene Verordnung anhand des zum Zeitpunkt ihrer Erlassung geltenden UVP-G, d. i. die Fassung BGBl. 697/1993 idF BGBl. 773/1996 (mithin ohne Berücksichtigung der UVP-G-Novelle, BGBl. I 89/2000), zu überprüfen.
Die Antragsteller sind nach Meinung des Verfassungsgerichtshofes berechtigt, in einem Antrag nach Art139 B-VG in Verbindung mit §24 Abs11 UVP-G jede Gesetz- bzw. Verfassungswidrigkeit geltend zu machen (vgl. VfGH 01.12.00, V61/99).
Ausreichende Kundmachung des Vorhabens in der Gemeinde Wien als unmittelbar an die Standortgemeinden angrenzender Gemeinde iSd §24 Abs6 iVm §9 Abs2 UVP-G.
Zusätzlich zur öffentlichen Auflage der Projektunterlagen, zu der gemäß §9 Abs1 zweiter Satz UVP-G die Bezirksverwaltungsbehörde und die Standortgemeinde verpflichtet sind, war die Behörde (hier also der zuständige Bundesminister) nicht nur zur Übermittlung der Unterlagen an die Standortgemeinde und die Bezirksverwaltungsbehörde gemäß §9 Abs1 erster Satz UVP-G, sondern auch zur Kundmachung des Vorhabens in der Standortgemeinde "und den an diese unmittelbar angrenzenden Gemeinden" gemäß §9 Abs2 UVP-G verpflichtet.
Der Verfassungsgerichtshof muß es mangels Rückübermittlung einer mit Anschlag- und Abnahmevermerk versehenen Kundmachung durch die Gemeinde Wien an die Behörde dahingestellt sein lassen, wie die Gemeinde Wien ihrer Verpflichtung zur Kundmachung im Rahmen der Amtshilfe faktisch nachgekommen ist. Auszuschließen ist jedenfalls, daß die verordnungserlassende Behörde ihre Verpflichtung zur Kundmachung nach §9 Abs2 UVP-G dergestalt verletzt hat, daß das Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren und die darauf beruhende Trassenverordnung als gesetzwidrig aufzuheben wäre.
Die Behörde hat weiters, wie das Prüfbuch und das Umweltverträglichkeitsgutachten zeigen, eine hinreichende Erörterung der Umweltaspekte des geplanten Vorhabens bewirkt. Sie hat in diesem Bemühen ihre Verpflichtungen gemäß dem §11 und §12 UVP-G derart wahrgenommen, daß diesbezüglich eine Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnung auszuschließen ist. Daß ein derartig komplexes Vorhaben, wie es die Hochleistungsstrecke Wien - St. Pölten darstellt, (möglicherweise) noch weiteren und ergänzenden Sachverständigenüberlegungen unter Umweltaspekten zugänglich ist, begründet keine Gesetzwidrigkeit des Verfahrens zur Erlassung der angefochtenen Verordnung.
Der Verfassungsgerichtshof teilt die Rechtsmeinung der Antragsteller nicht, daß das Umweltverträglichkeitsgutachten jede technisch mögliche Kapazitätssteigerung zu berücksichtigen habe. Kapazitätsausweitungen, mit denen die der Trassenverordnung zugrundeliegenden Emissions- und Immissionsannahmen überschritten werden, lösen eine rechtliche Verpflichtung der Eisenbahnunternehmung aus, entsprechende zusätzliche Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
Im Umweltverträglichkeitsgutachten wurde auch im Rahmen der Darstellung der Betriebsphase das Störfallszenarium so eingehend berücksichtigt, daß den diesbezüglichen Bedenken der Antragsteller keine Berechtigung zukommt.
Die den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildende Trassenverordnung bildet eine nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich sukzessive (Anschluß-)Trassenplanung, die unter voller Berücksichtigung der Vorkehrungen des UVP-G stattfand. Eine sachlich nicht gerechtfertigte, geschweige denn willkürliche "Stückelung" der Trassenbereiche zwecks Umgehung des UVP-G ist sohin der Behörde nicht vorzuwerfen.
Grundlage für die Erlassung einer Trassenverordnung ist ein bestimmtes, vom Eisenbahnunternehmen nach Maßgabe der "Erfordernisse einer leistungsfähigen und wirtschaftlichen Eisenbahn" geplantes Trassenprojekt, bei dessen Erstellung auf das Ergebnis einer Umweltverträglichkeitsprüfung Bedacht zu nehmen ist, ohne daß daraus jedoch ein Vorrang für Projekte ableitbar ist, bei denen unter Hintanstellung der Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit ausschließlich auf die bestmögliche Umweltverträglichkeit abgestellt würde. Auch dem Bundesverfassungsgesetz über den umfassenden Umweltschutz, BGBl. 491/1984, kann lediglich die Verpflichtung des Gesetzgebers entnommen werden, Kriterien des Umweltschutzes in die der Verwaltung obliegenden Entscheidungsdeterminanten einfließen zu lassen.
Es muß nicht die umweltverträglichste Trassenvariante gesetzlich verpflichtend auch verordnet werden.
Es begegnet keinen Bedenken, daß lediglich für die letztlich vorgeschlagene und von der Behörde auch verordnete Trasse im Zuge der Ausarbeitung der Umweltverträglichkeitserklärung eine entsprechende Vertiefung der Planung erfolgte.
Der Verfassungsgerichtshof vermag der verordnungserlassenden Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie entsprechend dem Umweltverträglichkeitsgutachten im Zuge der ihr obliegenden Abwägung gesetzlich relevanter öffentlicher Interessen den bautechnischen und betrieblichen Vorteilen der (verordneten) "Vorschlagstrasse" gegenüber den umweltrelevanten Vorteilen der Variante "Tunneltrasse Egelsee" den Vorzug einräumte.
Kosten waren schon deswegen nicht zuzusprechen, weil solche gemäß §61a VfGG ausschließlich in den Verordnungsprüfungsverfahren zuzusprechen sind, in denen der Antrag von einer Person gestellt wurde, die unmittelbar durch die Gesetzwidrigkeit der Verordnung in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet (Art139 Abs1 letzter Satz B-VG), nicht aber auch im Verfahren über einen Antrag gemäß §24 Abs11 UVP-G.
Schlagworte
Eisenbahnrecht, Umweltschutz, Umweltverträglichkeitsprüfung, Verordnungserlassung, Zeitpunkt maßgeblich für Rechtslage, Verordnung Kundmachung, Verwaltungsverfahren, Parteistellung, VfGH / Kosten, VfGH / PrüfungsmaßstabEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:V51.2000Dokumentnummer
JFR_09989372_00V00051_01