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41 Innere AngelegenheitenNorm
B-VG Art18 Abs1Leitsatz
Keine ausreichende Bestimmtheit der fremdenrechtlichen Regelungen über die Verpflichtung von (Flug-)Beförderungsunternehmen zur Auskunftserteilung über die Identitätsdaten eines nach Österreich gebrachten Fremden bzw zum Kostenersatz bei Verletzung der Auskunftspflicht; Einstellung des Gesetzesprüfungsverfahrens hinsichtlich der Auskunftsverpflichtung anderer Beförderungsunternehmen mangels PräjudizialitätRechtssatz
In den Anlaßfällen geht es ausnahmslos um die Verpflichtung zur Auskunftserteilung und zum Kostenersatz von Luftbeförderungsunternehmen. Während in §103 Abs3 FremdenG 1997 unterschiedslos von "Beförderungsunternehmer" die Rede ist, diese Bestimmung somit vom Verfassungsgerichtshof zur Gänze anzuwenden wäre, nennt der in Prüfung stehende §53 Abs3 FremdenG 1997 drei Gruppen von Beförderungsunternehmern und betrifft - neben Luftbeförderungsunternehmen - auch Beförderungsunternehmen, die Fremde mit einem Wasserfahrzeug oder im Rahmen des internationalen Linienverkehrs mit einem Autobus nach Österreich gebracht haben. Insoweit ist er daher nicht präjudiziell und das Verfahren daher in Ansehung des §53 Abs3 mit Ausnahme der Wortfolge "Luft- oder" einzustellen.
Aufhebung der Wortfolge "Luft- oder" in §53 Abs3 sowie des §103 Abs3 FremdenG 1997, BGBl I 75, wegen Widerspruchs zu Art18 Abs1 B-VG.
Es bleibt unklar, welche konkreten Verpflichtungen den Beförderungsunternehmungen auferlegt sind, also zum einen wie weit die Verpflichtung zur Überprüfung der ihnen bekanntgegebenen Daten und vorgelegten Dokumente reicht und zum anderen ob die Unternehmen auch Vorkehrungen dagegen zu treffen hätten, daß die ihnen vor dem Abflug vorgewiesenen Dokumente während des Fluges vernichtet oder ausgetauscht werden.
Es ist daher auch nicht hilfreich, wenn unter Hinweis auf §347 Abs1 HGB ausgesagt wird, daß die Verpflichtungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu erfüllen seien.
Den Vorschriften ist etwa nicht mit hinreichender Klarheit zu entnehmen, ob die Beförderungsunternehmen verpflichtet sind, die vorgewiesenen Dokumente danach zu beurteilen, ob sie nach §2 und §3 sowie §6 FremdenG iVm den Bestimmungen über die Erteilung bzw. Versagung von Einreisetiteln und den dazu ergangenen Verordnungen bzw. zwischenstaatlichen Vereinbarungen ein taugliches Einreisedokument darstellen, und ob sie das Risiko einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung tragen. Weiters bleibt unklar, ob und allenfalls mit welcher Genauigkeit und unter Einsatz welcher technischer Geräte die Unternehmen verpflichtet sind, die Dokumente auf Fälschungen zu untersuchen. Auch besteht keine Klarheit darüber, ob die Beförderungsunternehmen verpflichtet sind, Maßnahmen zu ergreifen, die es ihnen ermöglichen, die Frage nach der Identität bestimmter von ihnen (angeblich) beförderter Passagiere auch dann zu beantworten, wenn die von den Fremden den Grenzkontrollorganen gegenüber angegebenen Namen mit den dem Beförderungsunternehmen gegenüber angegebenen und dokumentierten Namen nicht übereinstimmen. Ebensowenig läßt sich den Bestimmungen entnehmen, ob die Beförderungsunternehmungen auch im Fall einzustehen haben, daß die Einreise nach Österreich nicht mit denselben Dokumenten erfolgt, die den Unternehmen vor dem Abflug vorgewiesen wurden.
Mißverstanden hat die Bundesregierung das Bedenken, daß §53 Abs3 FremdenG 1997 vor dem Hintergrund des gemeinschaftsrechtlich relevanten Art26 des Schengener Durchführungsübereinkommens, BGBl III 90/1997, zu verstehen ist, der die Mitgliedstaaten nur vorbehaltlich der Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention verpflichtet, entsprechende Regelungen über die die Beförderungsunternehmen treffenden Verpflichtungen zu erlassen.
In welcher Weise die Flugunternehmen bei Wahrnehmung ihrer aus §53 Abs3 erfließenden Verpflichtungen auf die Genfer Flüchtlingskonvention Bedacht nehmen dürfen bzw. Bedacht zu nehmen haben, bleibt völlig offen, weshalb die Regelung auch insofern das Bestimmtheitsgebot der Verfassung verletzt.
Zum Ausspruch, daß die aufgehobenen Gesetzesbestimmungen nicht mehr anzuwenden sind, sah sich der Verfassungsgerichtshof angesichts seiner Kenntnis von der großen Anzahl anhängiger und künftig zu erwartender Verfahren veranlaßt.
Von der Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Bestimmungen sah der Gerichtshof im Hinblick auf die Unbestimmtheit der aufgehobenen Vorschriften, die einen ordnungsgemäßen Vollzug nicht ermöglicht, ab. Auch vermögen die von der Bundesregierung vorgetragenen Argumente eine Fristsetzung nicht zu rechtfertigen, da auch die bisherige Regelung den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben des Art26 des Schengener Durchführungsübereinkommens nicht entspricht.
(Anlaßfall: B544/01 ua, E v 01.10.01, Quasianlaßfälle: B779/01, B780/01 ua, B959/91, und andere, alle E v 10.10.01, Aufhebung der angefochtenen Bescheide).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Auskunftspflicht, Determinierungsgebot, Fremdenrecht, VfGH / Fristsetzung, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / AnlaßverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:G224.2001Dokumentnummer
JFR_09988999_01G00224_01