RS Vfgh 2001/10/9 G10/01 - G216/03

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Veröffentlicht am 09.10.2001
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Index

97 Vergabewesen
97/01 Vergabewesen

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
BundesvergabeG 1997 §5 Abs2
BundesvergabeG 1997 §6 Abs1
BundesvergabeG 1997 §15 Z2

Leitsatz

Gleichheitswidrigkeit auch des im Vergleich zum Bundesvergabegesetz 1993 modifizierten Schwellenwertsystems des Bundesvergabegesetzes 1997 aufgrund des gänzlichen Ausschlusses bestimmter öffentlicher Vergaben vom vergabespezifischen Rechtsschutz; Legitimation der beschwerdeführenden Gesellschaft im Anlaßverfahren mangels Zweifel an deren Auftraggebereigenschaft; Präjudizialität aufgrund denkmöglicher Anwendung der in Prüfung gezogenen Bestimmung durch die belangte Behörde

Rechtssatz

Zulässigkeit des von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens zur Prüfung einer Wortfolge in §6 Abs1 des BundesvergabeG 1997.

Legitimation der im Anlaßverfahren beschwerdeführenden Gesellschaft gegeben, kein Zweifel an deren Auftraggebereigenschaft iSd §15 Z2 BundesvergabeG 1997.

Die beschwerdeführende Gesellschaft hat das zugrundeliegende Vergabeverfahren (, in dem es um Bodenmarkierungsarbeiten, also keinesfalls um Aufgaben einer "begleitenden Kontrolle" (iSd §10 Abs4 BG betr. Maßnahmen im Bereich der Bundesstraßengesellschaften, BGBl. 826/1992, idF des ArtVII Z3 des InfrastrukturfinanzierungsG 1997, BGBl. I 113/1997), welche genaue Bedeutung diesem Begriff im einzelnen auch zukommen mag, gegangen ist,) im eigenen Namen und auf eigene Rechnung durchgeführt und den Zuschlag nicht etwa für die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungsaktiengesellschaft (ASFINAG), sondern im eigenen Namen erteilt.

In den hier zu beurteilenden Vergabeverfahren wurde eine etwaige Vertretungsfunktion der beschwerdeführenden Gesellschaft nach außen weder kundgetan, noch wäre erkennbar gewesen, daß sie für einen anderen Auftraggeber tätig geworden wäre.

Präjudizialität aufgrund denkmöglicher Gesetzesanwendung durch die belangte Behörde im Anlaßverfahren gegeben.

Das Bundesvergabeamt ist in seiner Bescheidbegründung davon ausgegangen, daß die gegenständlichen Vorhaben zwei separat voneinander zu beurteilende Bauvergaben darstellten, deren Auftragswerte für sich allein den in §6 Abs1 BundesvergabeG 1997 festgelegten Schwellenwert nicht überschreiten würden: Die belangte Behörde hat sohin §6 Abs1 BundesvergabeG 1997 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I 56/1997 angewendet, indem sie die ausgeschriebenen Leistungen als Bauaufträge qualifizierte und das Erreichen des darin normierten Schwellenwertes von 5 Mio. ECU ausdrücklich verneinte.

Die Wortfolge "dann, wenn der geschätzte Auftragswert ohne Umsatzsteuer mindestens 5 Millionen ECU beträgt" in §6 Abs1 BundesvergabeG 1997, BGBl. I Nr. 56/1997, war verfassungswidrig.

Der gänzliche Ausschluß bestimmter öffentlicher Vergaben vom vergabespezifischen Rechtsschutz widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz (siehe E v 30.11.00, G110/99 ua.).

Auch hinsichtlich des im Vergleich zum BundesvergabeG 1993, BGBl. 462/1993, modifizierten Schwellenwertsystems des BundesvergabeG 1997 (vgl. die Einräumung subjektiver Rechte durch Vorschreibung der verbindlichen Anwendung der ÖNORM A 2050 im Unterschwellenbereich gemäß §13 Abs1 BundesvergabeG 1997) kann nichts anderes gelten: Für die Effektivität des vergaberechtlichen Rechtsschutzes ist im Bereich der Kontrolle des Vergabeverfahrens vor der Zuschlagserteilung für den Bieter zum einen entscheidend, daß das Verfahren nicht allzu aufwendig gestaltet ist, und zum anderen, daß er rasch und einfach zu den (für den Bereich oberhalb der Schwellenwerte gemeinschaftsrechtlich verpflichtend vorzusehenden) Provisorialentscheidungen gelangen kann; für die betroffenen Auftraggeber und die zum Zuge gekommenen Bieter ist es hingegen von Bedeutung, daß die Entscheidungen rasch erfolgen und Vergabeverfahren und Zuschlagserteilung nicht ungebührlich verzögert werden.

Es fehlt derzeit an geeigneten zivilverfahrensrechtlichen Vorschriften, die den besonderen Bedürfnissen einer raschen, vielfach keinen Aufschub duldenden, vergaberechtlichen Rechtskontrolle Rechnung tragen.

Die Konsequenzen des gerichtlichen Bieterschutzes für die Kontrolle des Vergabeverfahrens vor der Zuschlagsentscheidung stehen in keiner sachlichen Relation zu den unterschiedlichen tatsächlichen Gegebenheiten, an die sie anknüpfen.

(Anlaßfall: B659/98, E v 09.10.01, Abweisung der Beschwerde).

(she auch G216/03, E v 23.02.04: Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Schwellenwertregelung in §5 Abs2 BundesvergabeG 1997 idF BGBl I 80/1999 unter Hinweis auf G10/01; Anlassfall B1698/01, E v 11.03.04, Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Rechtsschutz, Vergabewesen, VfGH / Legitimation, VfGH / Präjudizialität, Selbstbindung, Geltung ÖNORM, VfGH / Anlaßverfahren, Rechte subjektive öffentliche

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:G10.2001

Dokumentnummer

JFR_09988991_01G00010_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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