RS Vfgh 2001/10/10 G47/99 ua

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Veröffentlicht am 10.10.2001
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Index

40 Verwaltungsverfahren
40/01 Verwaltungsverfahren außer Finanz- und Dienstrechtsverfahren

Norm

B-VG Art118 Abs4
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
B-VG Art119a Abs5
B-VG Art129a Abs1 Z3
AVG §36 Abs2

Leitsatz

Aufhebung einer Bestimmung im AVG über die Zulässigkeit einer Berufung gegen die Verhängung einer Ordnungsstrafe an den UVS auch im Fall der Verhängung durch eine Gemeinde im Zuge eines in ihren eigenen Wirkungsbereich fallenden Verfahrens infolge Ausschaltung der verfassungsgesetzlich vorgesehenen Vorstellung zugunsten eines Rechtsmittels an eine andere Behörde außerhalb der Gemeinde

Rechtssatz

Zulässigkeit der Eventualanträge des UVS Niederösterreich auf Aufhebung der Wortfolge "Ordnungs- oder" in §36 Abs2 AVG.

In den vorliegenden Fällen bezieht sich jeweils nur die Wortfolge "Ordnungs- oder" auf die den Anträgen zugrunde liegenden Sachverhalte. Die Hauptanträge auf Aufhebung des gesamten Abs2 des §36 AVG erweisen sich daher als zu weit gefaßt und sind zurückzuweisen.

In §36 Abs2 AVG idF BGBl I 158/1998 wird die Wortfolge "Ordnungsoder" als verfassungswidrig aufgehoben.

Dem Verfassungsgesetzgeber des Jahres 1988 kann bei der Beschlußfassung über die Einführung der UVS nicht unterstellt werden, daß in der Formulierung des Art129a Abs1 Z3 B-VG ("in sonstigen Angelegenheiten, ...") eine pauschale Ermächtigung an den einfachen Gesetzgeber enthalten sein soll, entgegen Art118 Abs4 B-VG Entscheidungen über Rechtsmittel in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinde an eine Behörde außerhalb der Gemeinde - den UVS - zu übertragen.

Der Verfassungsgesetzgeber hat vielmehr gerade mit dem Aufsichtsmittel der Vorstellung die Möglichkeit der Aufhebung gemeindlicher Verwaltungsakte, die den bestehenden Gesetzen oder Verordnungen widerstreiten, und somit eine - dem den Gemeinden von der Verfassung zugewiesenen Raum freier Betätigung entsprechende - spezifische Gesetzmäßigkeitskontrolle, vorgesehen.

Da §36 Abs2 AVG die Berufung an den UVS auch dann ermöglicht, wenn die Ordnungs- oder Mutwillensstrafe von einer Gemeinde im Zuge eines in ihren eigenen Wirkungsbereich fallenden Verfahrens verhängt wurde, ist die hier präjudizielle Wortfolge "Ordnungs- oder" wegen Verstoßes gegen Art118 Abs4 B-VG als verfassungswidrig aufzuheben.

Daß die Ordnungsstrafe in dem dem Antrag zu G158/99 zugrunde liegenden Fall im Zuge eines fremdenpolizeilichen Verfahrens - und somit nicht im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde - verhängt wurde, ist für das Gesetzesprüfungsverfahren nicht von Bedeutung, da eine zulässigerweise angefochtene Bestimmung vom Verfassungsgerichtshof unabhängig von ihrer Wirkung auf das Ausgangsverfahren auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen ist.

Entscheidungstexte

  • G 47/99 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 10.10.2001 G 47/99 ua

Schlagworte

Gemeinderecht, Aufsichtsrecht (Gemeinde), Vorstellung, Wirkungsbereich eigener, Unabhängiger Verwaltungssenat, Mutwillens- und Ordnungsstrafe, Zuständigkeit Verwaltungsverfahren, VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsmaßstab, VfGH / Prüfungsumfang, Selbstverwaltungsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:G47.1999

Dokumentnummer

JFR_09988990_99G00047_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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