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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine Verfassungswidrigkeit der finanzausgleichsrechtlichen Ermächtigung zur Ausschreibung von Gebühren durch die Gemeinde bis zum doppelten Jahreserfordernis; Äquivalenzprinzip verfassungsrechtlich nicht geboten; keine Gesetzwidrigkeit der Festlegung von auf den Einheitssatz gestützten Kanalbenützungsgebühren in der Kanalabgabenordnung einer Gemeinde; keine willkürliche Vorschreibung dieser GebührenRechtssatz
Keine Gesetzwidrigkeit der KanalabgabenO der Gemeinde Perchtoldsdorf betr. die Festlegung von Kanalbenützungsgebühren; ausreichendes Ermittlungsverfahren.
Daß die Berechnungsgrundlagen für die Höhe des Einheitssatzes in der KanalabgabenO angeführt werden, verlangt das Gesetz (§6 Abs2 litb Nö KanalG) nicht, im Gegensatz zum Einheitssatz für die Berechnung der Kanaleinmündungsabgabe (§3 Abs3, §6 Abs2 lita Nö KanalG).
Keine Gesetzwidrigkeit der Festlegung höherer Gebühren als zur Deckung des einfachen Jahreserfordernisses notwendig im Hinblick auf §15 Abs3 Z5 FAG 1997 (Beschränkung auf das doppelte Jahreserfordernis).
Nach dem Vorbringen der Marktgemeinde Perchtoldsdorf wird das Jahreserfordernis bei diesen Gebühren (lediglich) um 17,5 % überschritten, wobei der überwiegende Teil des Zuschlages für den Straßenbau zweckgewidmet ist, um Folgekosten des Kanalbaus abzudecken. Die Überschreitung des Jahreserfordernisses ist damit durch Kosten begründet, die mit der Einrichtung in einem inneren Zusammenhang stehen.
Nach §5 Abs2 Nö KanalG errechnet sich die Kanalbenützungsgebühr aus dem Produkt der Berechnungsfläche und des Einheitssatzes. Der Einheitssatz darf nach §5a Abs2 Nö KanalG den auf einen Quadratmeter der Berechnungsfläche aller angeschlossenen Geschoßflächen entfallenden doppelten Jahresaufwand nicht übersteigen. Damit entspricht §5a Abs2 Nö KanalG dem §15 Abs3 Z5 FAG 1997.
Keine Verfassungswidrigkeit des §15 Abs3 Z5 FAG 1997.
Daß von einem verfassungsrechtlich gebotenen Äquivalenzprinzip nicht auszugehen ist, belegt vor allem die historische Entwicklung des Finanzausgleichsrechtes.
Von einer Geltung des Äquivalenzprinzips im Bereich der Benützungsgebühren aufgrund Verfassungsrechts war in der Ersten Republik offensichtlich nicht auszugehen.
Die Änderung der finanzausgleichsrechtlichen Ermächtigung in §15 Abs3 Z5 FAG 1997 bedeutet, daß das freie Beschlußrecht der Gemeinden im Bereich der Benützungsgebühren, das im Finanzausgleichsrecht der Ersten Republik sukzessive eingeschränkt worden war, wieder ausgedehnt wurde: Benützungsgebühren dürfen nunmehr nicht nur bis zum einfachen Jahreserfordernis, sondern - ohne landesgesetzliche Ermächtigung - bis zum doppelten Jahreserfordernis durch selbständige Verordnungen der Gemeinden ausgeschrieben werden.
Der Verfassungsgerichtshof versteht dies so, daß den Gemeinden keineswegs die Ermächtigung erteilt wird, den Benützern von Gemeindeeinrichtungen nunmehr neben der Anlastung der vollen Kosten der Gemeindeeinrichtung im Sinne des Äquivalenzprinzips zusätzlich noch eine Steuer (im finanzwissenschaftlichen Verständnis) in (maximal) gleicher Höhe aufzuerlegen. Die Ermächtigung muß so verstanden werden, daß ihre Ausschöpfung nur aus Gründen in Betracht kommt, die mit der betreffenden Einrichtung in einem inneren Zusammenhang stehen.
Der Verfassungsgerichtshof ist auch nicht der Meinung, daß sich durch die (mit dem FAG 1993 vorgenommene) Ausdehnung des freien Beschlußrechtes der Gemeinden im Bereich der Benützungsgebühren und die damit eröffnete Möglichkeit, durch selbständige Verordnung der Gemeinde über das Jahreserfordernis hinauszugehen, etwas an den Grundsätzen geändert hätte, nach denen der Gebührengesamtbetrag auf die einzelnen Benützer aufzuteilen ist. Als solche sind weiterhin in der Regel die von den einzelnen Benützern verursachten Kosten (im weitesten Sinn) oder der ihnen zugute kommende Nutzen in Betracht zu ziehen, ohne daß andere - sachliche - Gesichtspunkte, wie etwa die Einbeziehung ökologischer Überlegungen, ausgeschlossen wären.
Keine willkürliche Vorschreibung von Kanalbenützungsgebühren durch die Gemeinde Perchtoldsdorf.
Nach §5 Abs2 Nö KanalG errechnet sich die Kanalbenützungsgebühr aus dem Produkt von Berechnungsfläche und Einheitssatz. Im Verfahren zur Erlassung des Abgabenbescheides waren daher die tatsächlichen Kosten der Kanalbenützung nicht mehr zu errechnen, sondern nur der Einheitssatz heranzuziehen, wie er in der KanalabgabenO festgesetzt ist.
Die Gemeinde Perchtoldsdorf bringt in ihrer Äußerung vor, die Abgabenbehörden könnten gemäß §13 Nö KanalG so lange von dieser Berechnungsfläche ausgehen, als der Abgabepflichtige keine Veränderungsanzeige erstatte. Diese Auslegung des §13 Nö KanalG, von der auch die belangte Behörde ausgegangen ist, ist jedenfalls nicht willkürlich.
Schlagworte
Auslegung historische, Finanzausgleich, Abgabenbegriff, Gebühr, Finanzverfassung, Abgabenwesen, Abgaben Gemeinde-, Beschlußrecht, Kanalisation, ÄquivalenzprinzipEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:B260.2001Dokumentnummer
JFR_09988990_01B00260_01