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62 ArbeitsmarktverwaltungNorm
B-VG Art7 Abs1 / AllgLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch Versagung der Sondernotstandshilfe für die zu 100 Prozent erwerbsunfähige, behinderte Beschwerdeführerin; gleichheitswidrige Auslegung der Voraussetzungen für die Zuerkennung der Sondernotstandshilfe; Arbeits- bzw Berufsfähigkeit nicht erforderlichRechtssatz
Es ist nicht zu erkennen, aus welchem sachlichen Grund für die Gebührlichkeit von Sondernotstandshilfe zwar von den Erfordernissen der Arbeitswilligkeit und der Arbeitsbereitschaft abgesehen wird, also von Erfordernissen, die durch Willensentscheidung der betroffenen Person beeinflußbar sind, nicht aber auch von jenem der Arbeits- bzw. Berufsfähigkeit (die ja der willentlichen Einflußnahme entzogen ist). Die Annahme der belangten Behörde, daß das Gesetz dennoch so zu verstehen sei, setzt §39 Abs1 Z3 AlVG in Konflikt mit dem Gleichheitssatz: Wenn für die Zuerkennung einer derartigen familienpolitisch geprägten Sozialleistung zwar vom Erfordernis der persönlichen Arbeitsbereitschaft und -willigkeit abgesehen, jedoch am Erfordernis der Arbeitsfähigkeit als Tatbestandsvoraussetzung festgehalten wird, dann ist die Wirkung dieser Tatbestandsvoraussetzung, daß arbeitsunfähige Behinderte nur wegen dieser Behinderung von dieser Leistung ausgeschlossen werden. Bei diesem Verständnis geriete die in Rede stehende Regelung jedenfalls zu dem speziellen Gebot des Art7 Abs1 dritter Satz B-VG ("Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.") in offenen Widerspruch.
§39 Abs1 Z3 AlVG ist in verfassungskonformer Interpretation teleologisch zu reduzieren und daher so zu verstehen, daß es einem Anspruch auf Sondernotstandshilfe nicht hinderlich ist, wenn der Anspruchswerber nicht arbeits- bzw. berufsfähig ist.
Schlagworte
Arbeitslosenversicherung, Auslegung teleologische, Auslegung verfassungskonforme, BehinderteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:B2128.2000Dokumentnummer
JFR_09988873_00B02128_01