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L34003 Abgabenordnung NiederösterreichNorm
ABGB §914;Rechtssatz
Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Aussetzung habe sie gehindert, Anlassfall iSd Art 140 Abs 7 B-VG zu werden. Die belBeh hat sich in diesem Zusammenhang auf das ihr vorliegende Schreiben des Präsidenten des VfGH vom 19. Oktober 2000 berufen, in dem für den Fall einer Aufhebung der in Rede stehenden landesrechtlichen Vorschrift eine Anwendung des aufhebenden Erkenntnisses auch auf vor der Aufhebung verwirklichte Tatbestände in Aussicht gestellt wurde. Die Auffassung, aus der in diesem Schreiben getroffenen Wortwahl "in Aussicht nehmen" ergebe sich, dass es sich dabei nur um eine unverbindliche Wortwahl gehandelt hat, ist unzutreffend. Der Beschwerdeführerin ist zwar zuzugestehen, dass dem Schriftstück vom 19. Oktober 2000 ein normativer Charakter nicht zugebilligt werden kann. Mit dem Vorbringen, trotz dieser Note des VfGH könne nicht zwingend ausgeschlossen werden, dass die Wirkung weiterer "(erwarteter)" Erkenntnisse auf die Anlassfälle eingeschränkt werde, übersieht die Beschwerdeführerin aber den Grundsatz von Treu und Glauben. Ungeachtet des Umstandes, dass Treu und Glauben im geltenden österreichischen Recht nicht und zwar auch nicht im bürgerlichen Recht positivrechtlich verankert ist, beherrscht dieser Grundsatz entsprechend der im § 914 ABGB bestimmten Übung des redlichen Verkehrs ganz allgemein das bürgerliche Recht (Hinweis OGH 7. Oktober 1974, 1 Ob 158/74, HS 9513). Aber auch im öffentlichen Recht ist die Frage der Geltung von Treu und Glauben zu bejahen (Hinweis Stoll, BAO-Kommentar, 1293). Unter diesem Grundsatz von Treu und Glauben wird dabei zu verstehen sein, dass jeder, der am Rechtsleben teilnimmt, zu seinem Verhalten zu stehen hat und sich nicht ohne triftigen Grund in Widerspruch zu dem setzen darf, was er früher vertreten hat und worauf andere vertraut haben (Hinweis E 14. Oktober 1992, 90/13/0009). Daraus folgt aber, dass die belBeh im Hinblick auf das mehrfach genannte Schreiben des Präsidenten des VfGH zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Aussetzung nicht überwiegende Interessen der Beschwerdeführerin entgegenstanden. Daher ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar mit jenen Fällen, in denen der VwGH die Aussetzung wegen einer beabsichtigten VfGH-Beschwerde nicht gebilligt hat (Hinweis E 31. März 1999, 99/16/0052).
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Treu und Glauben erworbene Rechte VwRallg6/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001160063.X02Im RIS seit
30.01.2002