RS Vfgh 2001/12/3 G309/01 ua, V89/01 ua

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Veröffentlicht am 03.12.2001
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Index

L3 Finanzrecht
L3712 Standortabgabe

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
Oö StandortabgabeG 1993 §2, §3, §4, §5
AltlastensanierungsG §2, §3
AltlastensanierungsG §11
F-VG 1948 §6 Abs2
F-VG 1948 §8 Abs3
F-VG 1948 §8 Abs5
Verordnung der Oö Landesregierung vom 21.06.93 betr Umrechnung des Gewichtes des angelieferten Abfalls auf das deponierte Volumen, LGBl 73/1993
Beschluß der Oö Landesregierung vom 21.11.94 betr Erhöhung der Standortabgabe durch Indexbindung
Beschluß des Gemeinderates der Gemeinde Attnang-Puchheim vom 23.09.93 betr Festsetzung eines Aufteilungsschlüssels
Beschluß des Gemeinderates der Gemeinde Attnang-Puchheim vom 09.03.95 betr Festsetzung der Standortabgabe
Beschluß des Gemeinderates der Gemeinde Ort im Innkreis vom 08.04.93 betr Festsetzung der Standortabgabe
Beschluß des Gemeinderates der Gemeinde Redlham vom 21.10.93 betr Festsetzung eines Aufteilungsschlüssels
Beschluß des Gemeinderates der Gemeinde Redlham vom 22.04.93 betr Festsetzung der Standortabgabe

Leitsatz

Aufhebung von Bestimmungen des Oö Standortabgabegesetzes 1993 wegen Widerspruchs zur Finanzverfassung mangels Vorliegen einer bundesgesetzlichen Ermächtigung zur Erhebung gleichartiger Abgaben von demselben Besteuerungsgegenstand (hier: Standortabgabe und Altlastenbeitrag); in der Folge Aufhebung von Verordnungen der Oö Landesregierung betreffend Umrechnung des Abfallgewichtes auf das deponierte Volumen und Erhöhung der Standortabgabe durch Indexbindung sowie Standortabgabeverordnungen von Gemeinden mangels gesetzlicher Grundlage; Einstellung des Verfahrens hinsichtlich zweier Gemeinderatsbeschlüsse betreffend Festsetzung eines Aufteilungsschlüssels mangels Qualität genereller Normen

Rechtssatz

Der Beschluß des Gemeinderates der Gemeinde Redlham vom 22.04.93 über die Festsetzung der Standortabgabe ist im Hinblick auf seinen Urheber - ein Verwaltungsorgan -, seinen Inhalt und auf seine gesetzliche Grundlage als eine generelle (nicht in Gesetzesform ergangene) Rechtsnorm zu qualifizieren: Durch ihn macht die Gemeinde von ihrer gesetzlichen Ermächtigung Gebrauch, von Betreibern von Deponien als Abgabenschuldner eine Standortabgabe zu erheben; der Beschluß intendiert eine normative Wirkung, wendet sich sohin an die Allgemeinheit und hat zur Folge, daß Betreiber einer im Gemeindegebiet der Gemeinde Redlham gelegenen Deponie für das Deponieren von Abfällen eine Abgabe zu entrichten haben. Er entfaltet sohin den Geltungsanspruch einer Verordnung iSd Art139 Abs1 B-VG, mag der kundgemachte Text durch die bloße Wiedergabe der niederschriftlich im Sitzungsprotokoll festgehaltenen Verhandlung des Gemeinderates diesen normativen Sinn auch nur äußerst unzulänglich zum Ausdruck bringen.

Einstellung des amtswegigen Prüfungsverfahrens hinsichtlich der Beschlüsse des Gemeinderates der Gemeinden Redlham vom 21.10.93 und Attnang-Puchheim vom 23.09.93 betreffend die Festsetzung eines Aufteilungsschlüssels.

Die Aufteilung der ausgeschriebenen Standortabgabe zwischen den Gemeinden Redlham und Attnang-Puchheim war gemäß §4 Abs2 Oö StandortabgabeG 1993 dem Deponiebetreiber gegenüber individuell festzulegen. Den beiden in Rede stehenden Beschlüssen ermangelt sohin die Qualität genereller Normen und damit den gemäß Art139 B-VG eingeleiteten Verfahren ein tauglicher Prüfungsgegenstand.

Aufhebung von Wortfolgen in §2, §3, §4 und §5 Oö StandortabgabeG, LGBl 8/1993 idF LGBl 49/1995.

Die Standortabgabe, zu deren Erhebung der Oberösterreichische Landesgesetzgeber im Oö StandortabgabeG 1993 die Gemeinden in Ansehung von Betreibern von Deponien ermächtigt, bildet eine dem Altlastenbeitrag nach dem AltlastensanierungsG gleichartige Abgabe von demselben Besteuerungsgegenstand.

Für die Gleichartigkeit der beiden Abgaben entscheidend ist die Identität des Besteuerungsgegenstandes jedenfalls im jeweiligen sachlichen Kernbereich der Abgabegesetze. Auch der Abfallbegriff als entscheidender begrifflicher Bestandteil des jeweiligen Besteuerungsgegenstandes nach beiden Gesetzen ist zumindest seinem Kern nach identisch. Gleichartig ist bei der Standortabgabe ebenso wie beim Altlastenbeitrag auch die persönliche Abgabepflicht. Daß sich Bemessungsgrundlage und Besteuerungsvorgang bei der Standortabgabe einerseits, dem Altlastenbeitrag andererseits geringfügig unterscheiden, nimmt diesen Abgaben nicht die "Gleichartigkeit" iSd F-VG 1948.

Angesichts der erwiesenen Gleichartigkeit der Standortabgabe für das Deponieren von Abfällen und des Altlastenbeitrags nach dem AltlastensanierungsG, die beide "von demselben Besteuerungsgegenstand" erhoben werden, bedarf das Oö StandortabgabeG 1993 zu seiner Verfassungsmäßigkeit gemäß §8 Abs3 F-VG 1948 einer ausdrücklichen bundesgesetzlichen Ermächtigung. An der Notwendigkeit einer derartigen ausdrücklichen bundesgesetzlichen Ermächtigung zur Erhebung einer gleichartigen Abgabe der Gemeinden von demselben Besteuerungsgegenstand gemäß §8 Abs3 F-VG 1948 hat auch §6 Abs2 F-VG 1948 idF BGBl 686/1988 und 30/1993 nichts geändert.

Da es an der durch §8 Abs3 F-VG 1948 geforderten bundesgesetzlichen Ermächtigung fehlt, sind die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des Oö StandortabgabeG 1993 sohin wegen Widerspruchs zu §8 Abs3 F-VG 1948 verfassungswidrig.

Da das Oö StandortabgabeG 1993 im Hinblick auf §7 Abs2 des Oö StandortabgabeG 2001 mit einem auf die Vergangenheit beschränkten zeitlichen Anwendungsbereich in Geltung steht, waren die in Prüfung gezogenen Bestimmungen nach Abs3 des Art140 B-VG aufzuheben (s zB VfSlg 15.036/1997 ua).

Aufhebung der Verordnung der Oö Landesregierung, LGBl 73/1993, betr Umrechnung des Abfallgewichtes auf das deponierte Volumen und des Beschlusses der Oö Landesregierung vom 21.11.94 betr Erhöhung der Standortabgabe durch Indexbindung sowie der Beschlüsse des Gemeinderates der Gemeinden Redlham, Attnang-Puchheim und Ort im Innkreis über die Festsetzung einer Standortabgabe infolge (teilweiser) Aufhebung des Oö StandortabgabeG mangels gesetzlicher Grundlage.

Auch das Bedenken, daß der Beschluß des Gemeinderates der Gemeinde Redlham über die Festsetzung der Standortabgabe in Ansehung seines kundgemachten Textes einer gehörigen normativen Formulierung ermangelt, hat sich als zutreffend erwiesen: Im Erkenntnis VfSlg. 3130/1956 hat der Verfassungsgerichtshof aus dem rechtsstaatlichen Gedanken der Publizität des Gesetzesinhaltes die Schlußfolgerung gezogen, daß der Gesetzgeber der breiten Öffentlichkeit den Inhalt seines Gesetzesbeschlusses in klarer und erschöpfender Weise zur Kenntnis bringen muß, da andernfalls der Normunterworfene nicht die Möglichkeit hat, sich der Norm gemäß zu verhalten. Dies gilt mutatis mutandis auch für Verordnungen. Diesem Erfordernis trägt aber die Kundmachung einer Niederschrift über eine Sitzung des Gemeinderates, mag aus dieser auch hervorgehen, welchen Beschluß der Gemeinderat gefaßt hat, nicht ausreichend Rechnung.

(Anlaßfall B346/01 ua, E v 12.12.01, Aufhebung der angefochtenen Bescheide).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Abfallwirtschaft, Altlastensanierung, Finanzverfassung, Abgaben gleichartige, Mülldeponie, Standortabgabe, Verordnungsbegriff, Verordnung Kundmachung, VfGH / Prüfungsgegenstand, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Anwendbarkeit Gesetz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:G309.2001

Dokumentnummer

JFR_09988797_01G00309_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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