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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Vorschreibung eines Zusatzbeitrages zur Krankenversicherung für die mitversicherte Ehefrau; keine Bedenken gegen die Einführung eines Zusatzbeitrages in der Krankenversicherung; keine Verletzung wohlerworbener Rechte und des Vertrauensschutzes im Hinblick auf die Intensität des Eingriffs angesichts der prozentuell relativ niedrigen zusätzlichen Beitragsbelastung; keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Zweckbindung dieser Sozialversicherungsbeiträge für Zwecke der Krankenanstaltenfinanzierung; keine Gleichheitswidrigkeit der Ausnahmetatbestände; keine Überschreitung des Kompetenztatbestandes Sozialversicherungswesen; ausreichende Verständlichkeit und Auffindbarkeit der NormRechtssatz
Keine Bedenken gegen die Einführung eines Zusatzbeitrages in der Krankenversicherung durch §51d ASVG idF Art66 Z7 BudgetbegleitG 2001, BGBl I 142/2000.
Die teils durch Gesetz, teils durch Ermächtigung an untergesetzliche Rechtsvorschriften vorgesehene beitragsfreie Mitversicherung von Ehegatten ist seit dem Gesetz vom 20.11.1917, betreffend Änderungen des Krankenversicherungsgesetzes 1888, RGBl Nr 457/1917 (vgl dessen §9a), bis zum Inkrafttreten des Budgetbegleitgesetzes 2001 Teil der österreichischen Sozialrechtsordnung gewesen.
Der Umwandlung der beitragsfreien in eine beitragspflichtige Mitversicherung steht jedoch kein prinzipielles verfassungsrechtliches Hindernis entgegen. Dies gilt entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers auch in Ansehung von Personen, die "ein Lebensalter, ab welchem zumutbarerweise die nochmalige Annahme einer Erwerbstätigkeit erwartet werden kann, ... überschritten haben".
Das Ziel der Verminderung des Defizites der Krankenversicherung ist an sich geeignet, Eingriffe in bestehende Rechtspositionen sachlich zu rechtfertigen, wenngleich es nicht die Minderung bestehender Rechte jedweder Art in jedweder Intensität sachlich zu rechtfertigen vermag (s VfSlg 11665/1988).
Eine zusätzliche Beitragsbelastung von 3,4 % der Beitragsgrundlage bzw der Pension ist aber schon deshalb nicht von einem so großen Gewicht, daß ihre Einführung mit dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz in Widerspruch geriete, zumal die vorgeschriebenen Beiträge gem §16 Abs1 Z4 lite EStG 1988 als Werbungskosten steuermindernd wirken und der Gesetzgeber überdies dafür Sorge getragen hat, daß wirtschaftlich schwächere Personen von der Beitragsbelastung ausgenommen werden können.
Selbst wenn man die Regelungen des §447f Abs12 ASVG und jene des §51d ASVG als eine untrennbare Einheit ansähe, so begegnete diese Bestimmung im Rahmen des Systems der Krankenanstaltenfinanzierung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, da die Gewährung von Anstaltspflege zu den Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung zählt (§144 ASVG). Eine Zweckbindung von Sozialversicherungsbeiträgen für Zwecke der Krankenanstaltenfinanzierung kann daher nicht als eine sachfremde Zuführung solcher Mittel zu allgemeinen Budgetzwecken angesehen werden.
Keine Gleichheitswidrigkeit der Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten als Befreiungsgrund von der Beitragspflicht gem §51d Abs3 Z2 ASVG sowie der übrigen Ausnahmetatbestände.
Der Gesetzgeber knüpft damit ersichtlich an den Umstand an, daß die von ihm als wünschenswert angesehene Erziehung von Kindern mitunter einen Elternteil zum Ausscheiden aus dem Berufsleben zwingt und damit auch nachteilige Auswirkungen auf die Einkommenssituation der Familie mit sich bringt, die sich auch noch beim späteren Pensionsbezug abbilden können. Wenn der Gesetzgeber daher für die Dauer dieser Kindererziehung, hat diese aber mindestens vier Jahre gedauert darüber hinaus - und gleichsam zum teilweisen Nachteilsausgleich - auch für die weitere Dauer des Vorliegens der sonstigen Voraussetzungen für die Mitversicherung diese beitragsfrei belassen hat, kann ihm darin aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegengetreten werden.
Keine Überschreitung des Kompetenztatbestandes Sozialversicherungswesen.
Es kann keine Rede davon sein, daß der Gesetzgeber für Angehörige von Pflichtversicherten eine von der Erwerbstätigkeit losgelöste Pflichtversicherung geschaffen hat.
Ausreichende Verständlichkeit und Auffindbarkeit der fraglichen Regelung.
Der Verfassungsgerichtshof kann nicht finden, daß im vorliegenden Fall ein "archivarischer Fleiß" iSd Erkenntnisses VfSlg 3130/1956 zum Auffinden der relevanten gesetzlichen Bestimmung erforderlich wäre, ist doch dem Budgetbegleitgesetz 2001 ein Inhaltsverzeichnis vorangestellt, welches Auskunft über die in diesem "Sammelgesetz" novellierten oder sonst darin enthaltenen Bundesgesetze gibt und aus dem auch entnommen werden kann, daß eine Änderung des ASVG im 8. Teil dieses Sammelgesetzes unter Art66 erfolgt ist.
Mag die Zusammenfassung von zahllosen Gesetzesänderungen in einem einzigen (Sammel-)Bundesgesetz gewisse faktische Erschwernisse für einen Rechtsunterworfenen bedeuten, so kann nicht einmal gesagt werden, daß die hier maßgebliche Bestimmung erst durch Studium des gesamten Gesetzeswerkes aufgefunden werden könnte.
Es muß aber offenbleiben, ob es unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ebenso unbedenklich wäre, wenn in einem solchen außergewöhnlich umfangreichen Sammelgesetz im Zuge der Änderung oder Erlassung von Gesetzen, die in einem vorangestellten Inhaltsverzeichnis gleichsam "angekündigt" wird, auch andere, im "Vorspann" nicht genannte gesetzliche Bestimmungen nach Art einer "lex fugitiva" geändert würden, weil hier ein solcher Fall nicht vorliegt.
Schlagworte
Einkommensteuer, Werbungskosten, Kompetenz Bund - Länder Sozialversicherung, Krankenanstalten, Zweckzuschüsse, Rechte wohlerworbene, Sozialversicherung, Krankenversicherung, Verständlichkeit einer Norm, VertrauensschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:B998.2001Dokumentnummer
JFR_09988796_01B00998_01