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97 VergabewesenNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Verletzung der Vorlagepflicht hinsichtlich einer entscheidungsrelevanten Frage der Auslegung des Gemeinschaftsrechts an den EuGH bei Zurückweisung eines Nachprüfungsantrags betreffend die Vergabe eines öffentlichen Auftrags für bestimmte Flugleistungen; Verneinung der Antragslegitimation aufgrund der Annahme mangelnder Darlegung eines rechtlichen Interesses am Vertragsabschluß möglicherweise in Widerspruch zur Rechtsmittelrichtlinie; gemeinschaftsrechtliches Erfordernis der Überprüfbarkeit diskriminierender AusschreibungsbedingungenRechtssatz
Die tatsächliche Teilnahme am Vergabeverfahren durch Stellung eines Anbotes ist nicht ausschlaggebend, wenn nach Meinung eines Unternehmers diesen schon die Ausschreibung diskriminiert und daher rechtswidrig ist (siehe §117 Abs2 BundesvergabeG und E v 08.03.01, B707/00).
Auch darf der beschwerdeführenden Gesellschaft die Unterlassung der Beteiligung an der (zweiten) Ausschreibung nicht von vornherein als Mangel rechtlichen Interesses zur Last gelegt werden.
Die - Art1 Abs3 der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG entnommene - Voraussetzung des vom Antragsteller darzulegenden "Interesses" am Vertragsabschluß dürfte nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs im Einklang mit den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen dahin zu interpretieren sein, daß sie zwar nationale Regelungen ermöglicht, um Popularanträge auszuschließen: Im Wege einer Plausibilitätsprüfung sollen jene Anträge, die offenkundig ohne subjektiv-vergaberechtlichen Bezug des Antragstellers zu einem Vergabeverfahren gestellt werden, das heißt, bei denen aus der Vergabeentscheidung dem Antragsteller keinesfalls ein Schaden erwachsen kann, unzulässig sein. Dahinter steht der Gedanke, daß ein Nachprüfungsverfahren der Durchsetzung subjektiver Interessen und daraus resultierender Teilnahmerechte eines Bieters - und eben auch eines Bewerbers - dienen soll, nicht aber der Sicherung der objektiven Rechtmäßigkeit von Vergabeverfahren (vgl. auch Thienel, Wbl. 1993, 376). Ein sich nicht nur auf Fälle evident fehlenden (subjektiven) Interesses am Vertragsabschluß (mangels abstrakter Möglichkeit eines Schadenseintritts) beschränkender Ausschluß vom Nachprüfungsverfahren - wie ihn das Bundesvergabeamt im vorliegenden Fall durch extensive Deutung des §115 Abs1 BundesvergabeG als angebracht erachtet - dürfte deshalb im Widerspruch zu den Zielsetzungen der Rechtsmittelrichtlinie stehen: Art1 Abs3 Rechtsmittelrichtlinie und insb. das darin bezogene Antragserfordernis des darzulegenden Interesses am Vertragsabschluß ist nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs in Verbindung mit Art2 Abs1 litb Rechtsmittelrichtlinie (über die notwendige Überprüfbarkeit diskriminierender Ausschreibungsbestimmungen) zu verstehen. Einem Flugunternehmen, das glaubwürdig behauptet, am Zustandekommen eines Vertrags über Flugleistungen interessiert zu sein und das sich durch die Form der Ausschreibung jener Flugleistungen als diskriminiert erachtet, dürfte ein rechtliches Interesse im Sinne des §115 Abs1 BundesvergabeG und damit das Recht auf Überprüfung der behauptetermaßen rechtswidrigen Ausschreibungsbedingungen zustehen, weil es anders die seiner Meinung nach rechtswidrige Ausschreibung und den ihm daraus möglicherweise entstandenen Schaden nicht geltend machen kann.
Das Bundesvergabeamt hat mit Beschluß vom 11.07.01 zur Zahl F-7/00-12 die Rechtsfrage zum Gegenstand eines Verfahrens vor dem EuGH gemäß Art234 EG gemacht, ob die Zurückweisung des Nachprüfungsantrags eines Bieters, der sich schon während des Vergabeverfahrens gegen behauptete Rechtswidrigkeiten hätte wehren können, nach Zuschlagserteilung wegen mangelnden rechtlichen Interesses zulässig ist.
Schlagworte
EU-Recht Richtlinie, Rechtsschutz, VergabewesenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:B405.1999Dokumentnummer
JFR_09988790_99B00405_01