RS Vfgh 2001/12/13 B227/99 - B252/99, B549/99, B494/99, B488/99

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Veröffentlicht am 13.12.2001
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art90 Abs1
EMRK österr Vorbehalt zu Art6
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
EMRK Art6 Abs1 / civil rights
AVG §39 Abs2, §40 ff
AVG §67d
Tir GVG 1996 §28

Leitsatz

Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf eine mündliche Verhandlung vor einem unparteiischen Tribunal durch Unterlassung der Durchführung einer (volks)öffentlichen Verhandlung im Verfahren vor der Landes-Grundverkehrskommission; Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung wie zB im Fall Ringeisen aufgrund der Rechtsansicht des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte über die Ungültigkeit des österreichischen Vorbehalts zu Art6 EMRK

Rechtssatz

Die Ungültigkeit des österreichischen Vorbehalts zu Art6 Abs1 EMRK (siehe Urteil des EGMR im Fall Eisenstecken vom 03.10.00, ÖJZ 2001/7, - Widerspruch des Vorbehalts zu Art57 Abs2 EMRK) hat zur Folge, daß in Verwaltungsverfahren, in welchen über den "Kernbereich" von civil rights abgesprochen wird, eine (volks)öffentliche Verhandlung vor einem Tribunal durchzuführen ist. Einschränkungen der Öffentlichkeit dürfen hier nur vorgesehen werden, soweit Art6 EMRK dies zuläßt.

Bei Verfahren betreffend die grundverkehrsbehördliche Genehmigung von Rechtsgeschäften oder die Erteilung der Bieterbewilligung steht außer Zweifel, daß es sich um Verfahren handelt, die civil rights in ihrem "Kernbereich" berühren.

Das Tir GVG 1996 idF LGBl 59/1997 enthält keine Bestimmungen bezüglich der Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§28 Abs6 idF der Novelle LGBl. 75/1999 im vorliegenden Fall noch nicht anwendbar).

Der Verfassungsgerichtshof ging bisher davon aus, daß das AVG (abgesehen von 67d AVG) keine (volks)öffentlichen Verhandlungen kenne und für die mündlichen Verhandlungen (nur) Parteiöffentlichkeit vorsehe (VfSlg. 6808/1972). Das AVG enthält jedoch keine Bestimmung, die es ausschlösse, in den von Art6 EMRK geforderten Fällen eine (volks)öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Im Lichte des Urteils des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Fall Eisenstecken war die belangte Behörde verpflichtet, gemäß Art6 Abs1 EMRK eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Für diese hat - abgesehen von den nach Art6 Abs1 EMRK zulässigen Ausnahmen - der Grundsatz der Volksöffentlichkeit zu gelten.

(ebenso: B252/99, B549/99, B494/99, uvm - alle E v 26.02.02, sowie B488/99, E v 10.06.02; siehe auch B1161/99, B1719/99 vom selben Tag.).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Verwaltungsverfahren, Ermittlungsverfahren, Verhandlung mündliche, civil rights, Öffentlichkeitsprinzip

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:B227.1999

Dokumentnummer

JFR_09988787_99B00227_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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