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50 GewerberechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Verfassungswidrigkeit einer Bestimmung des Güterbeförderungsgesetzes 1995 idF vor der Novelle 2001 mangels sachlicher Rechtfertigung einer Mindestgeldstrafe von S 20.000,-- für Lenker eines Lastkraftwagens bei Verletzung unmittelbar anwendbarer Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße (Ökopunktesystem); seit Novellierung nur mehr Höchststrafe für Lenker in Höhe der halben ursprünglichen Mindeststrafe und Strafen für den Unternehmer bei Verletzung von VorsorgepflichtenRechtssatz
Zulässigkeit der Anträge der UVS Salzburg und Oberösterreich auf teilweise Aufhebung des §23 Abs2 GüterbeförderungsG 1995.
Gemäß §1 Abs2 VStG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, daß das zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre. Rechtsänderungen nach abgeschlossener Tat berühren die bereits eingetretene Strafbarkeit nicht. Sie haben bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides erster Instanz nur hinsichtlich der Strafe zur Folge, daß ein etwaiges nunmehr für den Täter günstigeres Recht zur Anwendung zu kommen hat. Eine Änderung der Rechtslage nach Fällung des Bescheides erster Instanz muß daher aufgrund des §1 Abs2 VStG ohne Bedeutung bleiben.
Die Wortfolge "und Z7 bis 9" im zweiten Satz des §23 Abs2 des GüterbeförderungsG 1995, BGBl 593, idF BGBl I 17/1998, war verfassungswidrig.
Der Gerichtshof kann keine sachliche Rechtfertigung für die Verhängung einer Mindeststrafe iHv S 20.000,-- für Verwaltungsübertretungen gemäß §23 Abs1 Z8 GüterbeförderungsG 1995 erkennen. Mit der hier gewählten Rechtsetzungstechnik wird weder auf das Gewicht und die Zielrichtung der im Einzelfall verletzten, im Gemeinschaftsrecht wurzelnden Vorschrift Bedacht genommen noch auf die konkreten Umstände, unter denen die Verwaltungsübertretung begangen wurde, noch schließlich auf die persönlichen Verhältnisse desjenigen, der die Verwaltungsübertretung begangen hat. Dazu kommt, daß in den in Betracht kommenden unmittelbar anwendbaren Vorschriften der Europäischen Union über das Ökopunktesystem (siehe Ökopunkte-Verordnung (EG) Nr 3298/94 der Kommission vom 21.12.94 und Verordnung (EWG) Nr 881/92 des Rates vom 26.03.92 betr Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt) die Verpflichtungen (Gebote und Verbote) in der für Verwaltungsstraftatbestände erforderlichen ausreichend umschriebenen Weise nur für den Lenker eines Lastkraftwagens, nicht jedoch für den Transportunternehmer enthalten sind.
Die Strafdrohung richtet sich gegen einen Personenkreis, der an der Begehung der Straftat in der Regel kein eigenes wirtschaftliches Interesse hat, vielmehr diesbezüglich nicht selten unter dem Druck eines Arbeitgebers stehen dürfte, im Hinblick auf die Komplexität der maßgebenden gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften die Tatbestandsmäßigkeit seines Verhaltens meist nur in eingeschränktem Maße erkennen bzw die für die Einhaltung dieser Vorschriften erforderlichen Vorkehrungen (zB Ausstattung mit Ökopunkten) oft gar nicht im eigenen Verantwortungsbereich treffen kann.
Durch die Novelle BGBl I 106/2001 ist einerseits die Mindeststrafe für Lenker eines LKW entfallen und statt dessen eine Höchststrafe von S 10.000,-- getreten. Andererseits wurde eine Verpflichtung des Unternehmers neu eingeführt, vor Fahrtbeginn Vorsorge zu treffen, daß die Fahrt ohne Verletzung der Ökopunkte-Verordnung durchgeführt wird. Die dafür vorgesehene, neu eingeführte Strafbestimmung sieht nunmehr für dieses Delikt eines Mindeststrafe von S 20.000,-- vor.
(Quasi-Anlaßfälle: B1594/00, B721/01, B1045/01, alle E v 25.02.02; E v 10.06.02, B519/02; E v 26.06.02, B680/02 - Aufhebung der angefochtenen Bescheide).
Entscheidungstexte
Schlagworte
EU-Recht, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Gewerberecht, Güterbeförderung, Verwaltungsstrafrecht, Strafe, VfGH / PräjudizialitätEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:G181.2001Dokumentnummer
JFR_09988786_01G00181_01