RS Vfgh 2002/2/28 B781/00

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Veröffentlicht am 28.02.2002
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Index

L5 Kulturrecht
L5500 Baumschutz, Landschaftsschutz, Naturschutz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
Sbg NaturschutzG 1993 §25 idF LGBl 74/1998
Sbg NaturschutzG 1993 §63 idF LGBl 74/1998
Sbg OrtsbildschutzG §9a idF LGBl 74/1998

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch denkunmögliche Anwendung derrückwirkend in Kraft gesetzten Bestimmung über dienaturschutzrechtliche Anzeigepflicht hinsichtlich freistehenderAntennentragmastanlagen ("Handy-Masten") bei Untersagung einesbereits begonnenen Projekts; keine Präjudizialität einerdenkunmöglich angewendeten Norm sowie der verwiesenen Norm über dieAnzeigepflicht nach dem Ortsbildschutzgesetz

Rechtssatz

Denkunmögliche Anwendung der rückwirkend in Kraft gesetzten Bestimmung des §25 Sbg NaturschutzG idF LGBl 74/1998 über die naturschutzrechtliche Anzeigepflicht hinsichtlich freistehender Antennentragmastanlagen ("Handy-Masten") im Fall der Nichtanwendbarkeit des §9a Sbg OrtsbildschutzG LGBl 74/1998.

Wiederverlautbarung (WV) des Sbg NaturschutzG durch LGBl 73/1999.

Aufgrund des Verbotes, Rechtsvorschriften "fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt (zu) unterstell(en)", sind die verfassungsrechtlichen Anforderungen des Vertrauensschutzes nicht nur für den Gesetzgeber, sondern auch für die Vollziehung maßgeblich. Im Zweifel hat die Behörde eine Bestimmung so auszulegen, dass sie der Verfassung (hier: den Anforderungen des "Vertrauensschutzes") nicht widerspricht.

§63 (WV: 66) Abs5 Sbg NaturschutzG setzt §25 (WV: 26) leg. cit. mit 14.05.98 - und damit mit dem Tag der Vollendung des im Februar 1998 begonnenen Vorhabens der beschwerdeführenden Gesellschaft - (rückwirkend) in Kraft.

Der - durch die von der belangten Behörde vorgenommene Auslegung bewirkte - Eingriff macht nicht nur bloße "Umplanungen" erforderlich, sondern lässt sämtliche bisher getätigten Investitionen in die - beinahe abgeschlossene - tatsächliche Errichtung eines konkreten Objektes, etwa das betonierte Fundament, hinfällig werden (siehe auch VfSlg. 12485/1990). Investitionen bereits vor Versendung des Begutachtungsentwurfes getätigt.

Nun mag tatsächlich "durch die Vielzahl der Mastenanlagen und ihre Aufstellungsorte ein allgemein gesehenes Regelungserfordernis" entstanden sein, und es mag sich dabei auch um eine neu gewonnene Einsicht handeln; eine "Gefahr für die Allgemeinheit" geht aber allenfalls von der (zu befürchtenden) Vielzahl zusätzlicher Mastenerrichtungen, denkmöglicher Weise vielleicht sogar von der Vielzahl bereits bestehender Masten, jedenfalls aber nicht von diesem einzelnen, am "Stichtag" zufälliger Weise noch nicht abgeschlossenen Projekt aus. Die allenfalls von diesem einzelnen Projekt ausgehende Gefahr vermag das Gewicht der für den Schutz des Vertrauens der beschwerdeführenden Gesellschaft sprechenden Argumente - insbesondere angesichts der völligen Frustrierung getätigter faktischer Investitionen - nicht aufzuwiegen.

Die belangte Behörde hätte daher - im Lichte des Gleichheitssatzes - die Bestimmung des §25 Abs1 lite iVm Abs2 Sbg NaturschutzG dahingehend auslegen müssen, dass im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmung des §25 Abs1 lite Sbg NaturschutzG bereits begonnene und - was den Wert der faktisch getätigten Investitionen betrifft - im Wesentlichen fertig gestellte Projekte nicht der Anzeigepflicht unterliegen.

Keine Präjudizialität einer denkunmöglich angewendeten Bestimmung (hier: §25 Sbg NaturschutzG idF LGBl 74/1998).

Nicht nur die Verpflichtung zur Anwendung, sondern auch die faktische Anwendung begründet die Präjudizialität. Im letzten Fall muss allerdings der Sachverhalt der angewendeten Gesetzesnorm zum Mindesten denkmöglich subsumierbar sein (vgl. VfSlg. 4625/1963, 5373/1966, VfGH vom 18.06.01, G6/01).

Die belangte Behörde hat die Bestimmung des §25 Abs1 lite Sbg NaturschutzG nicht bloß zu Unrecht, sondern in Unterstellung eines gleichheitswidrigen Inhaltes zur Anwendung gebracht. Das ist einer denkunmöglichen Anwendung der Norm gleichzuhalten, sodass sie sich als nicht präjudiziell erweist.

Die mangelnde Präjudizialität der Bestimmung des §9a iVm §31 Abs8 Sbg OrtsbildschutzG (, auf den in §25 Abs1 lite Sbg NaturschutzG verwiesen wird - subsidiäre Anwendung der naturschutzrechtlichen Anzeigepflicht gegenüber der Anzeigepflicht iSd Ortsbildschutzes) ist evident.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Baurecht, Ortsbildschutz, Naturschutz, Vertrauensschutz, Verweisung,VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsmaßstab, Wiederverlautbarung,Rückwirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B781.2000

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2013
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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