Index
L0 Verfassungs- und OrganisationsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Zulässigkeit der von Mitgliedern der Bezirksvertretung eingebrachten Anfechtung der Wahl des Bezirksvorstehers (und seines Stellvertreters) für den 4. Wiener Gemeindebezirk; keine Stattgabe dieser Wahlanfechtung; keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestellung des Bezirksvorstehers in Form der sogenannten Fraktionswahl; keine Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens hinsichtlich der Abstimmung über eingereichte Wahlvorschläge; Zurückweisung der Anfechtung der Wahl des Vorsitzenden der Bezirksvertretung (und seines Stellvertreters) mangels Zuständigkeit des VfGHRechtssatz
Zu den allgemeinen Vertretungskörpern iSd Art141 Abs1 lita B-VG zählen auch die in Wien eingerichteten Bezirksvertretungen.
Der Bezirksvorsteher und der Vorsitzende der Bezirksvertretungen sind jedoch monokratische Organe und daher von Art141 Abs1 lita B-VG nach dem klaren, unmissverständlichen Verfassungswortlaut ("Vertretungskörper") nicht (mit)erfasst.
Bei der Wahl des Bezirksvorstehers handelt es sich um eine Wahl "in die mit der Vollziehung betrauten Organe einer Gemeinde", die gemäß Art141 Abs1 litb B-VG bekämpfbar ist.
Die Befugnis zur Anfechtung der Wahl eines Bezirksvorstehers kommt (bei analoger Anwendung des §67 Abs2 erster Satz VfGG) einem Zehntel (mindestens aber zwei) der Mitglieder der Bezirksvertretung zu (kein Widerspruch zu VfSlg 11875/1988: Anfechtungslegitimation der kandidierenden Wählergruppen iSd §67 Abs2 zweiter Satz VfGG gegeben, weil der Bezirksvorsteher in Graz - anders als die Bezirksvorsteher in Wien nicht von der Bezirksvertretung sondern - unmittelbar von den Wahlberechtigten im jeweiligen Bezirk gewählt wird).
(siehe auch WI-4/01, B v 07.03.02: Zurückweisung der Anfechtung der Wahl des zweiten Stellvertreters des Bezirksvorstehers für den
23. Wiener Gemeindebezirk mangels Legitimation der anfechtenden Wählergruppe).
Die Wahl des Vorsitzenden der Bezirksvertretung ist auch nach Art141 Abs1 litb B-VG nicht bekämpfbar, weil der Vorsitzende auf Grund seiner Stellung und Zuständigkeit auch nicht als ein mit der Vollziehung betrautes Organ einer Gemeinde iS der genannten Verfassungsbestimmung zu verstehen ist.
Die Bestellung des Bezirksvorstehers erfolgt in erster Linie in Form der sog Fraktionswahl (§61b Abs1 und Abs3 Wr Stadtverfassung; §99 Abs1 bis Abs3 iVm §95 Abs3 und Abs4 Wr GemeindewahlO 1996), ein Prinzip, gegen das der Verfassungsgerichtshof grundsätzlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken, und zwar insbesondere auch nicht unter dem Aspekt des demokratischen Grundprinzips oder des Gleichheitsgrundsatzes, hegt (sh VfSlg 12946/1991 ua). Keine Bedenken auch gegen die vorliegende Regelung, der zu Folge der Bezirksvorsteher in erster Linie allein auf Vorschlag der stärksten wahlwerbenden Partei von der Bezirksvertretung gewählt wird, wofür die Unterstützung von mindestens der Hälfte der dieser Partei angehörigen Mitglieder der Bezirksvertretung bzw der entsprechenden Anzahl von Mitgliedern der Bezirksvertretung überhaupt ausreicht.
Keine Stattgabe der Anfechtung der Wahl des Bezirksvorstehers und seines Stellvertreters für den 4. Wr Gemeindebezirk; keine Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens.
Über die von der "Liste Bezirksvorsteherin Susanne Emmerling - ÖVP Wieden" überreichten Wahlvorschläge war schon deshalb nicht abzustimmen, weil sie nicht von mindestens der Hälfte der der anspruchsberechtigten Partei angehörigen Mitglieder der Bezirksvertretung (das wären hier sechs) unterschrieben waren, sondern nur von zwei.
Dagegen sind die Wahlvorschläge der "gewählten Bezirksräte der Liste 3" sehr wohl als von der bei der Bezirksvertretungswahl stärksten wahlwerbenden Partei überreicht zu werten, weil sie von zehn der "Liste Bezirksvorsteherin Susanne Emmerling - ÖVP Wieden (ÖVP)" angehörigen (dh auf dieser Liste gewählten) Mitgliedern der Bezirksvertretung eingebracht wurden, welche Partei aus der Bezirksvertretungswahl als die stärkste hervorgegangen ist.
Für die Gültigkeit dieser Wahlvorschläge kommt es weder auf die vollständige Anführung der Parteibezeichnung noch darauf an, dass die Erstanfechtungswerberin "niemals ihre Zustimmung zur Verwendung ihres Namens und ihres Amtstitels für diese wahlwerbende Partei (ÖVP) gegeben hätte, wenn sie deren Absicht durchschaut hätte, auch im Fall eines Wahlerfolges, welcher zur Aufstellung eines Bezirksvorsteherkandidaten bei der Wahl in der Bezirksvertretung berechtigt, nicht sie als amtierende Bezirksvorsteherin sondern einen anderen Kandidaten zu nominieren".
Wenn es sich bei den zuletzt genannten Wahlvorschlägen aber um gültige Wahlvorschläge handelte, dann kam die Durchführung einer Mehrheitswahl von vornherein nicht in Betracht (§95 Abs5 Wr GemeindewahlO 1996).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Bundeshauptstadt Wien, Bezirksvertretungen, Grundprinzipien der Verfassung, demokratisches Grundprinzip, VfGH / Legitimation, VfGH / Wahlanfechtung, WahlenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:WI5.2001Dokumentnummer
JFR_09979693_01W00I05_01