RS Vfgh 2002/6/10 B1326/01

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Veröffentlicht am 10.06.2002
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Index

72 Wissenschaft, Hochschulen
72/13 Studienförderung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StudFG 1992 §30, §31

Leitsatz

Keine Verletzung im Gleichheitsrecht durch Festsetzung der Studienbeihilfe unter Anrechnung der zumutbaren Unterhaltsleistung der Eltern und des Ehegatten der Beschwerdeführerin; Festlegung der Kriterien für die soziale Bedürftigkeit im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers; Abstellen auf Pauschalsätze im Sinne der Verwaltungsökonomie; Annahme weiterer Unterhaltsleistungen der Eltern auch für verheiratete Studenten gerade bei geringem Einkommen des Ehegatten sachlich gerechtfertigt; Ausnahme von der Anrechnung dieser Sätze bei Vorliegen eines den Unterhalt betreffenden Gerichtsurteils sowie Nichtanrechnung bei Selbsterhaltern sachlich gerechtfertigt

Rechtssatz

Keine Verletzung im Gleichheitsrecht durch Festsetzung der Studienbeihilfe unter Anrechnung der zumutbaren Unterhaltsleistung der Eltern und des Ehegatten der Beschwerdeführerin iSd §30 Abs2 Z1 und Z2 StudFG 1992.

Es steht mit dem aus dem Gleichheitsgrundsatz erfließenden Sachlichkeitsgebot nicht in Widerspruch, die Gewährung einer Studienbeihilfe aus öffentlichen Mitteln an die Voraussetzung sozialer Bedürftigkeit zu binden. Bei der Festlegung der Umstände, von denen die soziale Bedürftigkeit abhängt, kommt dem Gesetzgeber ein rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zu (vgl. die weiteren Nachweise in VfSlg. 12.641/1991).

Hinweis auf VfSlg 12641/1991.

In §30 Abs2 Z1 StudFG 1992 wird grundsätzlich nicht auf den zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch abgestellt, sondern es wird ein autonomer Begriff definiert - wenn auch die Pauschalsätze für die "zumutbare Unterhaltsleistung" (Eltern: §31 Abs1, Ehegatte: §31 Abs3 StudFG) an den durchschnittlichen Sätzen der zivilgerichtlichen Judikatur zu den Unterhaltsansprüchen orientiert sein mögen.

Der Gesetzgeber verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz, wenn er im Regelfall verheiratete Studierende auf finanzielle Unterstützung nicht nur durch den Ehegatten, sondern, ungeachtet allfälligen Ruhens des Unterhaltsanspruchs, auch durch die Eltern - und zwar in derselben Höhe wie unverheiratete Studierende - verweist. Die Kürzung der Studienbeihilfe um "zumutbare Unterhaltsleistungen" der Eltern kommt überdies nur dann zum Tragen, wenn das Einkommen des Ehegatten ein bestimmtes Ausmaß nicht überschreitet, sodass dessen anzurechnendes Einkommen noch nicht zum Erlöschen der Studienbeihilfe führt. Gerade bei geringem Einkommen des Ehegatten eines (einer) Studierenden kann typischerweise davon ausgegangen werden, dass weiter faktisch Unterhaltsleistungen der Eltern erbracht werden. Als weiterer rechtfertigender Umstand tritt dazu, dass das Verfahren über die Zuerkennung von Studienbeihilfe als Massenverfahren aus verwaltungsökonomischen Gründen ohne die aufwändigen Ermittlungen auskommen muss, die erforderlich wären, um die genaue Höhe der tatsächlichen Unterhaltsleistung im Einzelfall festzustellen.

Im Fall des Vorliegens eines gerichtlichen Abspruches über die Höhe der zivilrechtlichen Unterhaltsansprüche im Einzelfall - und zwar in geringerer Höhe als nach den Pauschalsätzen für die "zumutbare Unterhaltsleistung" - besteht einerseits kein verwaltungsökonomisches Erfordernis, auf die pauschalen Sätze der "zumutbaren Unterhaltsleistung" abzustellen. Andererseits muss - angesichts der Tatsache, dass ein Unterhaltsprozess zwischen Kind und Eltern stattgefunden hat - davon ausgegangen werden, dass die Eltern tatsächlich nicht dazu bereit sind, das Studium des Kindes auch ohne Bestehen von Unterhaltsansprüchen finanziell zu unterstützen; es liegt dann mit großer Wahrscheinlichkeit ein "Einzelfall" im Sinne der Vorjudikatur vor, in dem die finanzielle Unterstützung der Eltern nicht auch dann tatsächlich gewährt wird, wenn kein Unterhaltsanspruch mehr besteht.

Der Verfassungsgerichtshof vermag im gesetzlichen Erfordernis dieser Art des Nachweises eines "geringeren Unterhaltsbetrages" auch angesichts der für "Selbsterhalter" geltenden Regelung des §30 Abs3 StudFG ("Für Selbsterhalter ist die Höchststudienbeihilfe nicht um die zumutbare Unterhaltsleistung der Eltern zu vermindern.") keine Gleichheitswidrigkeit zu erkennen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Hochschulen, Studienbeihilfen, Rechtspolitik, Zivilrecht, Eherecht, Kindschaftsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B1326.2001

Dokumentnummer

JFR_09979390_01B01326_2_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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