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27 RechtspflegeNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Ausreichende Bestimmtheit und Klarheit von Bestimmungen des Disziplinarstatuts für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter; keine verfassungswidrige Verweisung hinsichtlich der sinngemäßen Anwendung verwandter Rechtsvorschriften; Verfassungsgerichtshof und Verwaltungsgerichtshof "übergeordnete Gerichte" iSd Menschenrechtskonvention; Einleitungsbeschluß keine Anklageschrift; keine in die Verfassungssphäre reichenden Vollzugsfehler bei Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt wegen einer überhöhten Kostennote sowie Nichtbeantwortung einer Bitte um Aufklärung und Aufgliederung der AbrechnungRechtssatz
Keine Bedenken gegen §1 und §16 DSt 1990 in Hinblick auf das Determinierungsgebot des Art18 B-VG und das Klarheitsgebot des Art7 EMRK (siehe Vorjudikatur).
Der Verfassungsgerichtshof vermag auch - insbesondere auch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung zur inhaltsgleichen Regelung des §100 Abs1 Ärztegesetz 1984 (VfSlg. 15543/1999, 15801/2000) - die gegen §77 Abs3 DSt 1990 gerichteten Bedenken der Beschwerde nicht zu teilen, weil die Anordnung einer sinngemäßen Anwendung verwandter Rechtsvorschriften, die zudem durch präzisierende Maßgaben ergänzt wird, grundsätzlich noch nicht zu einer rechtsstaatlich untragbaren Unklarheit führt.
Keine Verletzung des Art2 7. ZP EMRK durch das DSt 1990; beide Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts "übergeordnete Gerichte" (VfSlg 13012/1992, E v 08.03.02, B1755/00).
Der Verfassungsgerichtshof hat schon bisher den Aspekt, daß dem Einleitungsbeschluß nach §28 DSt 1990 nicht die Funktion einer Anklageschrift zukommt, weder im Hinblick auf Art90 Abs2 B-VG noch im Hinblick auf Art6 EMRK als verfassungsrechtlich bedenklich angesehen (vgl. VfSlg. 15847/2000 mwH). An der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Abgehens vom reinen Anklageprinzip vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß nach Einleitung des Disziplinarverfahrens auf Antrag des Kammeranwaltes das Verfahren von Amts wegen durch den Disziplinarrat fortzuführen ist, haben doch nach dem Prinzip der materiellen Wahrheit der Disziplinarrat und der Kammeranwalt die zu Gunsten und zu Lasten eines Beschuldigten sprechenden Umstände mit gleicher Sorgfalt zu berücksichtigen (§20 Abs3 DSt 1990).
Keine in die Verfassungssphäre reichenden Vollzugsfehler, keine Willkür.
Anwendbarkeit der Verfahrensgarantien nach Art6 EMRK im Disziplinarverfahren vor der OBDK (siehe Vorjudikatur).
Rechtzeitige Zustellung der Berufungsbeantwortung des Kammeranwaltes an den Beschwerdeführer.
Allein der Umstand, daß ihm dieser Schriftsatz lediglich auf sein Ersuchen übermittelt wurde, kann keine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein faires Verfahren bewirken.
Der Umstand, daß ein Richter in einem anderen, dieselbe Partei betreffenden Verfahren tätig war, macht ihn nicht bereits befangen (vgl. VfGH 20.06.01, B670/00).
Ausreichende Konkretisierung der Anschuldigungspunkte im Einleitungsbeschluß.
Wenn der Beschwerdeführer bemängelt, daß der Spruch des Einleitungsbeschlusses sich nicht vollständig mit dem verurteilenden Spruch des Disziplinarrates deckt, verkennt er die Funktion des Einleitungsbeschlusses als prozeßleitende Verfügung, die den Gegenstand des Disziplinarverfahrens vorläufig festlegt (VfSlg. 15841/2000).
Keine Verletzung der Unschuldsvermutung iSd Art6 Abs2 EMRK.
Es sind im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof auch keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die die Annahme rechtfertigen würden, das Verfahren vor den Disziplinarbehörden sei nicht in rechtsstaatlicher Weise abgeführt worden, etwa weil die Behörden schon von vornherein von einer Vermutung des Vorliegens einer strafbaren Handlung ausgegangen seien.
Schlagworte
Rechtsanwälte, Disziplinarrecht, Rechtsstaatsprinzip, fair trial, Strafprozeßrecht, Anklageprinzip, Befangenheit, VerweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:B1514.2001Dokumentnummer
JFR_09979381_01B01514_01