RS Vfgh 2002/6/21 G32/02 ua

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Veröffentlicht am 21.06.2002
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Index

L3 Finanzrecht
L3400 Abgabenordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
KommunalsteuerG 1993 §9
Oö LAO 1996 §164 ff

Leitsatz

Sachliche Rechtfertigung einer vereinfachten pauschalierten Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Kommunalsteuer bei kleineren Betrieben mit nur einer Betriebsstätte; keine sachliche Rechtfertigung der Regelung des Säumniszuschlags in der Oö Landesabgabenordnung; keine Berücksichtigung der tatsächlichen Verschiedenheit von Säumnisfällen bei einheitlicher Vorschreibung eines Säumniszuschlags von vier Prozent

Rechtssatz

Feststellung der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge ", das nur eine einzige Betriebsstätte unterhält," im zweiten Satz des §9 KommunalsteuerG 1993, BGBl 819.

Für die hier zu beurteilende Differenzierung nach der Zahl der Betriebsstätten im Rahmen der Kommunalsteuer kann eine sachliche Rechtfertigung bereits im Hinblick auf die Ausgleichsfunktion dieser Steuer für die Belastung durch Betriebsstätten gefunden werden.

Bei der in Prüfung gezogenen Vorschrift handelt es sich um eine auf einfache Handhabung Bedacht nehmende typisierende Regelung für Unternehmen geringen Umfangs, die im Rahmen einer Objektsteuer, die an den Begriff der Betriebsstätte anknüpft und der Abgeltung von Gemeindelasten dient, sachlich gerechtfertigt ist.

Untrennbare Einheit der Regelung des Säumniszuschlags in §164 bis §169 Oö LAO 1996.

Die Bedenken müssen aus dem Gesamtzusammenhang abgeleitet werden, weil die Höhe des Säumniszuschlages nur in Bezug auf die Umstände, unter denen der Säumniszuschlag verhängt wird, von Bedeutung ist.

Aufhebung der §164 bis §169 Oö LAO 1996.

Dem Säumniszuschlag kommen mehrere Funktionen zu und er ist nicht bloß mit den Verzugszinsen nach bürgerlichem Recht zu vergleichen. Bereits der Prüfungsbeschluß bringt zum Ausdruck, daß es dem Gesetzgeber nicht verwehrt ist, die Versäumung von Steuerzahlungsterminen mit fixen, vom Ausmaß und den Ursachen der Versäumung unabhängigen Sanktionen zu verknüpfen; dieser Beschluß hält auch fest, daß die Verhängung einer fixen, lediglich von der Höhe des nicht entrichteten Abgabenbetrages abhängigen Sanktion mit dem Gedanken von Verzugszinsen grundsätzlich unvereinbar ist und daß mit dem Säumniszuschlag somit offenbar die Einhaltung von Zahlungsterminen abgesichert werden soll. Es darf dem Gesetzgeber nicht freistehen, solche Sanktionen in beliebiger Höhe nur in Abhängigkeit von der Höhe des nicht rechtzeitig entrichteten Abgabenbetrages vorzusehen, weil damit für Verzögerungen ganz unterschiedlicher Quantität und Qualität stets zwingend die gleiche Sanktion verhängt wird. Dies erscheine nur dann sachgerecht, wenn die Sanktion einen geringen Prozentsatz des maßgebenden Abgabenbetrages nicht überschreite.

Auch ein Säumniszuschlag geringerer Höhe ist durchaus spürbar und bildet einen hinreichenden Anreiz für rechtzeitige Zahlung.

Bei einem einheitlichen Säumniszuschlag iHv 4 vH werden Fälle mit ganz unterschiedlichem Ausmaß der Säumnis und mit unterschiedlichen sonstigen Begleitumständen formal gleich und damit nicht ihrer tatsächlichen Verschiedenheit entsprechend behandelt.

Selbst wenn man die Oberösterreichische Landesregierung so verstehen wollte, daß durch Säumigkeiten ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand (Beitreibungsaufwand) entsteht, wäre es nicht gerechtfertigt, unabhängig vom Ausmaß der nun tatsächlich eintretenden administrativen Belastung einen Säumniszuschlag iHv 4 vH des nicht entrichteten Betrages zu fordern.

Mit dem aus Art18 B-VG abzuleitenden Grundsatz der hinreichenden Bestimmtheit gesetzlicher Tatbestände, dem aus Gründen des Rechtsschutzes gerade im Zusammenhang mit eingriffsnahen Gesetzen besondere Beachtung zu schenken ist (vgl. hiezu z.B. VfSlg. 15.468/1999 mwN), wäre es nicht vereinbar, das Ausmaß der finanziellen Sanktionen bei Versäumung von Steuerzahlungsterminen vollkommen in Schwebe zu lassen.

(Anlaßfall: E v 26.06.02, B342/01; Quasi-Anlaßfälle: E v 26.06.02, B1038/01 und B1547/01, sowie E v 25.11.02, B980/02 - teilweise Aufhebung der angefochtenen Bescheide, soweit ein Säumniszuschlag vorgeschrieben wird; Ablehnung der Beschwerden betreffs Festsetzung der Kommunalsteuer).

Entscheidungstexte

  • G 32/02 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 21.06.2002 G 32/02 ua

Schlagworte

Finanzverfahren, Säumniszuschlag, Kommunalsteuer, VfGH / Prüfungsumfang, Determinierungsgebot

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:G32.2002

Dokumentnummer

JFR_09979379_02G00032_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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