RS Vfgh 2002/6/29 G275/01

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Veröffentlicht am 29.06.2002
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Index

44 Zivildienst
44/01 Zivildienst

Norm

B-VG Art18 Abs1
B-VG Art9a Abs3
B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
StGG Art5
EMRK Art7
ZivildienstG-Nov 2001 BGBl I 133/2000
ZivildienstG §2 Abs1
ZivildienstG §25 Abs1a idF BGBl I 133/2000
ZivildienstG §28 Abs1 idF BGBl I 133/2000
ZivildienstG §67 idF BGBl I 133/2000
ZivildienstG §76c Abs15 idF BGBl I 133/2000

Leitsatz

Teilweise Zulässigkeit des Eventualantrags eines Drittels von Abgeordneten des Nationalrates auf Aufhebung der Regelung des Verpflegsanspruchs der Zivildiener im Zivildienstgesetz idF der Novelle 2001; keine Zulässigkeit des Drittelantrags auf Aufhebung von Bestimmungen der Novelle 2001 und eines Teils des Eventualantrags mangels maßgeblicher Änderung bzw Entstehung einer verfassungswidrigen Rechtslage im Falle der Aufhebung; keine Verfassungswidrigkeit der Überbindung der staatlichen Verpflichtung zur Verpflegung der Zivildienstleistenden auf private Rechtsträger; Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren durch Anspruch auf Erlassung eines Feststellungsbescheides sowie Sicherstellung der Einhaltung der Verpflichtungen im Wege des Verwaltungsstrafrechtes gegeben; keine Beschreitung des Zivilrechtsweges erforderlich; hinreichende Determinierung des unbestimmten Rechtsbegriffs "angemessen" hinsichtlich der Verpflegung; keine Verletzung des Klarheitsgebotes der Menschenrechtskonvention und des Eigentumsrechtes

Rechtssatz

Zurückweisung eines Drittelantrags von Nationalratsabgeordneten auf Aufhebung näher bezeichneter Teile der ZivildienstG-Nov 2001 BGBl I 133/2000; Zurückweisung auch des Eventualantrages betreffend Aufhebung des §25 Abs1a ZivildienstG zur Gänze; Zulässigkeit des Eventualantrages auf Aufhebung näher bezeichneter Teile in §25 Abs1a, §28 Abs1, §67 und §76c Abs15 ZivildienstG idF ZivildienstG-Nov 2001 BGBl I 133/2000.

Im Falle der Aufhebung der angefochtenen Ausdrücke und Bestimmungen des ZivildienstG 1986, BGBl 679/1986 idF ZivildienstG-Nov 2001 BGBl I 133/2000, entstünde verfassungsrechtlich eine nicht anders zu beurteilende Rechtslage als im Falle der Aufhebung einiger Ausdrücke und Bestimmungen in der Novelle selbst.

Der unter Antragspunkt 4 gestellte Eventualantrag war zurückzuweisen, da im Falle der Stattgabe des Antrages, "den ganzen §25 Abs1a ZDG idF BGBl I 133/2000" aufzuheben, ein verfassungswidriges Ergebnis - nämlich der ersatzlose Entfall des Anspruches auf Verpflegung - bewirkt würde.

Keine Verfassungswidrigkeit näher bezeichneter Teile in §25 Abs1a, §28 Abs1, §67 und §76c Abs15 ZivildienstG idF ZivildienstG-Nov 2001 BGBl I 133/2000.

Zwischen den zur Ableistung des Zivildienstes Verpflichteten und dem Staat besteht wechselseitig ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis.

Daß die - staatliche - Verpflichtung zur Verpflegung der Zivildienstleistenden durch die Rechtsträger der Zivildiensteinrichtungen unmittelbar erfüllt werden soll, war schon nach früherer Rechtslage vorgesehen und ist verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich (siehe hiezu E v 06.12.01, G212/01).

Freilich bleibt die aus Art9a Abs3 B-VG erfließende Verpflichtung eine solche des Staates selbst. Dieser hat - falls er deren Einlösung einem Dritten überbindet - mit geeigneten Mitteln für ihre ordnungsgemäße Erfüllung durch den Dritten zu sorgen; und er ist weiters zur unmittelbaren Einlösung seiner Verpflegungsverpflichtung gegenüber dem Zivildienstleistenden verhalten, wenn der Dritte - hier der Rechtsträger der Einrichtung - seinerseits die ihm übertragene Aufgabe nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllt.

Entsprechend dem verfassungsrechtlich grundgelegten Anspruch auf Versorgung und somit auch auf angemessene Verpflegung ist für den Zivildienstleistenden im Konfliktsfall die Erlassung eines Bescheides zur Feststellung der Angemessenheit seiner Verpflegung ein notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverfolgung und insoweit im rechtlichen Interesse des Zivildienstleistenden gelegen. Es steht daher dem Zivildienstleistenden, der meint, daß für seine angemessene Verpflegung nicht (ausreichend) Sorge getragen werde, die Möglichkeit offen, die Erlassung eines solchen Feststellungsbescheides - auch wenn sie im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist - zu erwirken (vgl. VfSlg. 11.764/1988 mwN, 15.612/1999).

Durch §28a Abs2 ZivildienstG (Verpflichtung des Bundes zur Gewährung einer "Aushilfe" als Soforthilfe) ist sichergestellt, daß für den Zivildienstleistenden - etwa bis zu seiner allfälligen Zuweisung an eine andere Einrichtung - zumindest hinsichtlich seiner elementaren Versorgung keine Lücke entsteht.

Der Gesetzgeber bedient sich weiters des Verwaltungsstrafrechts (siehe §67 ZivildienstG: Strafsanktion für Verletzung der Verpflichtungen iSd §28 Abs1 leg. cit.) als eines geeigneten Mittels, um die Einhaltung der von ihm den Rechtsträgern übertragenen Verpflichtungen sicherzustellen.

Die Überbindung der staatlichen Verpflichtung zur Verpflegung der Zivildienstleistenden während der Dauer des Zivildienstes durch Inpflichtnahme der Rechtsträger verletzt daher weder Art9a Abs3 B-VG iVm §2 Abs1 ZivildienstG noch ist sie geeignet, den Zugang zum Zivildienst zu vereiteln oder erheblich zu erschweren.

Aus dem Fehlen einer dem §42 Abs1 ZivildienstG gleichartigen Norm ist abzuleiten, daß zwischen Zivildienstpflichtigem und Staat (als dem zur Gewährleistung der Verpflegung Verpflichteten) der Zivilrechtsweg jedenfalls nicht eröffnet ist.

Unbestimmter Rechtsbegriff "angemessen" in §28 Abs1 ZivildienstG hinreichend determiniert iSd Art18 Abs1 B-VG; keine Verletzung des Klarheitsgebotes des Art7 EMRK.

Es steht dem Rechtsträger grundsätzlich frei, seiner Verpflegungsverpflichtung gegenüber den in seiner Einrichtung tätigen Zivildienstleistenden etwa durch einen Küchenbetrieb, die Bereitstellung von Lebensmitteln oder durch Auszahlung eines Geldbetrages nachzukommen.

Wenn und soweit eine ausreichende Verpflegung nicht oder nur teilweise (etwa hinsichtlich einzelner Mahlzeiten) in Form von Naturalleistungen erfolgt, hat der Zivildienstleistende Anspruch auf die Erbringung einer Geldleistung.

Siehe weiters die in der Entscheidung zitierte Rechtsprechung von VfGH und OGH.

Es ist sicherzustellen, daß ein Zivildienstpflichtiger während der gesamten Dauer seines Dienstes, einschließlich der ihm gemäß §23 Abs1 ZivildienstG zustehenden Freizeit sowie der Zeit eines allfälligen Krankenstandes, Anspruch auf Versorgung und daher auch auf Verpflegung hat.

Keine Verletzung im Eigentumsrecht.

Der Anspruch der Zivildienstleistenden auf Verpflegung hat vor und nach Inkrafttreten der ZivildienstG-Nov 2001 bestanden und für den Zivildienstleistenden hat sich an seinem Anspruch gegenüber dem Staat durch die Regelungen dieser Novelle materiell nichts verändert.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Hoheitsverwaltung, Rechtsbegriffe unbestimmte, Verwaltungsorganisation, Verwaltungsstrafrecht, VfGH / Antrag, Eventualantrag, VfGH / Prüfungsumfang, Zivildienst, Determinierungsgebot, Novellierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:G275.2001

Dokumentnummer

JFR_09979371_01G00275_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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