Index
32 SteuerrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Gleichheitswidrigkeit der Steuerbefreiung von Trinkgeldern;steuerliche Sonderbehandlung im rechtspolitischenGestaltungsspielraum, auch im Sinne der Verwaltungsökonomie;realitätsgerechte Erfassung dieser Einkünfte mit vertretbarem Aufwandnicht möglich; keine Bedenken gegen die Ausnahme von derSteuerbefreiung aufgrund eines Verbots der direkten Annahme vonTrinkgeldern, zB für Anteile an der Cagnotte iSd GlücksspielgesetzesSpruch
§3 Abs1 Z16a des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988), BGBl. Nr. 400 idF BGBl. I Nr. 35/2005, wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben. §3 Abs1 Z16a des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988), BGBl. Nr. 400 in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 35 aus 2005,, wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B822/07 eine aufrömisch eins. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B822/07 eine auf
Art144 B-VG gestützte Beschwerde gegen einen Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates (in der Folge: UFS), Außenstelle Innsbruck, anhängig, mit dem gegenüber dem Beschwerdeführer, einem Arbeitnehmer der Casinos Austria AG, die Einkommensteuer für die Jahre 2001 bis 2005 festgesetzt wurde. Hiebei wurde die Anwendung der Steuerbefreiung des §3 Abs1 Z16a erster Satz EStG 1988 auf die ihm zufließenden Anteile an der so genannten Cagnotte versagt. Begründend führte der UFS dazu im Wesentlichen aus, dass es sich dabei um Zuwendungen handle, die für die Gesamtheit der Arbeitnehmer des Konzessionärs bestimmt sind, somit nicht um Zuwendungen an einzelne Arbeitnehmer aus Anlass einer von diesen Personen erbrachten Dienstleistung. Dem Beschwerdeführer sei es gemäß §27 Abs3 Glücksspielgesetz (GlücksspielG), BGBl. 620/1989 idF BGBl. 695/1993, nicht gestattet, Zuwendungen persönlich entgegen zu nehmen. Zuwendungen, die dem Beschwerdeführer (arg. "dem Arbeitnehmer", §3 Abs1 Z16a EStG 1988) anlässlich einer Arbeitsleistung von dritter Seite gegeben werden, lägen nicht vor, womit die Tatbestandsvoraussetzungen des §3 Abs1 Z16a erster Satz EStG 1988 nicht erfüllt seien. Selbst wenn es sich jedoch - wie der Beschwerdeführer vorbringe - um ein "Trinkgeldsubstitut" handeln sollte, so wäre eine Steuerbefreiung für die ihm zugeflossenen Anteile aus der so genannten Cagnotte aufgrund des zweiten Satzes dieser Bestimmung ausgeschlossen, da dem Beschwerdeführer die direkte Annahme von Trinkgeldern aufgrund gesetzlicher Bestimmungen (§27 Abs3 GlücksspielG) untersagt sei.Art144 B-VG gestützte Beschwerde gegen einen Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates (in der Folge: UFS), Außenstelle Innsbruck, anhängig, mit dem gegenüber dem Beschwerdeführer, einem Arbeitnehmer der Casinos Austria AG, die Einkommensteuer für die Jahre 2001 bis 2005 festgesetzt wurde. Hiebei wurde die Anwendung der Steuerbefreiung des §3 Abs1 Z16a erster Satz EStG 1988 auf die ihm zufließenden Anteile an der so genannten Cagnotte versagt. Begründend führte der UFS dazu im Wesentlichen aus, dass es sich dabei um Zuwendungen handle, die für die Gesamtheit der Arbeitnehmer des Konzessionärs bestimmt sind, somit nicht um Zuwendungen an einzelne Arbeitnehmer aus Anlass einer von diesen Personen erbrachten Dienstleistung. Dem Beschwerdeführer sei es gemäß §27 Abs3 Glücksspielgesetz (GlücksspielG), Bundesgesetzblatt 620 aus 1989, in der Fassung Bundesgesetzblatt 695 aus 1993,, nicht gestattet, Zuwendungen persönlich entgegen zu nehmen. Zuwendungen, die dem Beschwerdeführer (arg. "dem Arbeitnehmer", §3 Abs1 Z16a EStG 1988) anlässlich einer Arbeitsleistung von dritter Seite gegeben werden, lägen nicht vor, womit die Tatbestandsvoraussetzungen des §3 Abs1 Z16a erster Satz EStG 1988 nicht erfüllt seien. Selbst wenn es sich jedoch - wie der Beschwerdeführer vorbringe - um ein "Trinkgeldsubstitut" handeln sollte, so wäre eine Steuerbefreiung für die ihm zugeflossenen Anteile aus der so genannten Cagnotte aufgrund des zweiten Satzes dieser Bestimmung ausgeschlossen, da dem Beschwerdeführer die direkte Annahme von Trinkgeldern aufgrund gesetzlicher Bestimmungen (§27 Abs3 GlücksspielG) untersagt sei.
2. Bei der Behandlung dieser Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Z16a des §3 Abs1 EStG 1988, BGBl. 400 idF BGBl. I 35/2005, entstanden. Der Gerichtshof hat daher mit Beschluss vom 12. Dezember 2007 von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich der genannten Bestimmung eingeleitet. 2. Bei der Behandlung dieser Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Z16a des §3 Abs1 EStG 1988, BGBl. 400 in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 35 aus 2005,, entstanden. Der Gerichtshof hat daher mit Beschluss vom 12. Dezember 2007 von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich der genannten Bestimmung eingeleitet.
3. Zur Rechtslage:
Von der Einkommensteuer sind gemäß §3 Abs1 Z16a EStG 1988, BGBl. 400 idF BGBl. I 35/2005, befreit: Von der Einkommensteuer sind gemäß §3 Abs1 Z16a EStG 1988, BGBl. 400 in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 35 aus 2005,, befreit:
"16a. Ortsübliche Trinkgelder, die anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von dritter Seite freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie besteht, zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist. Dies gilt nicht, wenn auf Grund gesetzlicher oder kollektivvertraglicher Bestimmungen Arbeitnehmern die direkte Annahme von Trinkgeldern untersagt ist."
In der Begründung zum Initiativantrag vom 4. Februar 2005, 527/A 22. GP, wird die Einführung dieser Befreiungsvorschrift mit folgenden Überlegungen gerechtfertigt:
"Bislang unterliegen Kreditkartentrinkgelder der Lohnsteuer, während bare Trinkgelder im Rahmen von Lohnsteuerprüfungen nicht erfasst werden können. Damit ist es bislang ausschließlich der Steuerehrlichkeit des Trinkgeldempfängers überlassen, die Trinkgelder im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung anzugeben. Eine Überprüfungsmöglichkeit besteht praktisch kaum.
Eine Überwachung dieser baren Trinkgelder wäre jedenfalls nur mit einem unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand möglich. Auch eine Pauschalierung wäre undenkbar, da viele unterschiedliche Trinkgeldhöhen bestehen und eine Feststellung, wie Trinkgelder unter den Bediensteten aufgeteilt werden, nicht möglich ist.
Aus Gründen der Verfahrensökonomie sollen daher alle von dritter Seite freiwillig an Arbeitnehmer gewährten Trinkgelder, auf die der Arbeitnehmer jedoch keinen Rechtsanspruch hat, zur Gänze lohn- bzw. einkommensteuerfrei gestellt werden. Damit sollen in Hinkunft auch Kreditkartentrinkgelder von der Lohnsteuer befreit sein. Die Befreiung gilt auch für den Dienstgeberbeitrag (§41 Abs4 litc Familienlastenausgleichsgesetz 1967) sowie für die Kommunalsteuer (§5 Abs2 litc Kommunalsteuergesetz 1993)."
Die Gegenausnahme des zweiten Satzes wird mit folgenden Worten begründet:
"Liegt jedoch eine gesetzliche Bestimmung oder eine lohngestaltende Vorschrift vor, die eine Annahme von Trinkgeld durch die Arbeitnehmer selbst verbietet[,] und kommt es in der Folge zu einer Verteilung durch den Arbeitgeber an die Arbeitnehmer, ist wie bisher von voller Lohnsteuerpflicht auszugehen (z.B. §27 Abs3 Glücksspielgesetz)."
Abs3 und 4 des §27 GlücksspielG, BGBl. 620/1989 idF BGBl. 695/1993, bestimmen: Abs3 und 4 des §27 GlücksspielG, Bundesgesetzblatt 620 aus 1989, in der Fassung Bundesgesetzblatt 695 aus 1993,, bestimmen:
"(3) Den Arbeitnehmern des Konzessionärs ist es weiters untersagt, sich an den in den Spielbanken betriebenen Spielen zu beteiligen oder von den Spielern Zuwendungen, welcher Art auch immer, entgegenzunehmen. Es ist jedoch gestattet, daß die Spieler Zuwendungen, die für die Gesamtheit der Arbeitnehmer des Konzessionärs bestimmt sind, in besonderen, für diesen Zweck in den
Spielsälen vorgesehenen Behältern ... hinterlegen (Cagnotte).
4. Der Verfassungsgerichtshof ist im Prüfungsbeschluss (vorläufig) davon ausgegangen, dass der UFS bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die genannte Bestimmung insgesamt, das heißt sowohl den ersten als auch den zweiten Satz, angewendet hat und dass daher auch der Gerichtshof die Z16a des §3 Abs1 EStG 1988 bei der Behandlung der gegen diesen Bescheid gerichteten, zu B822/07 protokollierten Beschwerde insgesamt anzuwenden hätte.
5. Die Erwägungen, die den Verfassungsgerichtshof zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens veranlasst hatten, legte er in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:
"2.1. Trinkgelder, die anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von dritter Seite neben dem vereinbarten Arbeitslohn freiwillig zugewendet werden, dürften nach der Systematik des österreichischen Einkommensteuerrechtes - da es sich um Vorteile aus einem bestehenden Dienstverhältnis handelt (§25 Abs1 Z1 lita EStG 1988) - zu den steuerbaren Einnahmen aus unselbständiger Arbeit zählen. Sie wären daher, bestünde nicht die Befreiungsvorschrift der Z16a des §3 Abs1 EStG 1988, der Einkommensteuer anscheinend entweder
2.2. Vor dem Gleichheitssatz hat eine derartige Differenzierung nur dann Bestand, wenn es für die Steuerbefreiung der Trinkgelder eine sachliche Rechtfertigung gibt. Der Verfassungsgerichtshof kann vorderhand eine solche nicht erkennen. Die (oben bereits wiedergegebenen) Materialien betonen zunächst die bisher unterschiedliche Behandlung so genannter Kreditkartentrinkgelder, die der Lohnsteuer unterlagen, und der baren Trinkgelder, die im Rahmen von Lohnsteuerprüfungen nicht erfasst werden konnten, und rechtfertigen die Befreiung letztlich mit Gründen der Verfahrensökonomie.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist es dem Gesetzgeber - auch im Steuerrecht - gestattet, einfache und leicht handhabbare Regelungen zu treffen (zB VfSlg. 10.455/1985, 11.616/1988, 15.674/1999). Insbesondere sind \berlegungen der Verfahrensökonomie, die Absicht der Vermeidung unwirtschaftlichen Verwaltungsaufwandes, an sich geeignet, Differenzierungen zu rechtfertigen (zB VfSlg. 8204/1977, 8875/1980, 11.469/1987, 11.615/1988). Der Verfassungsgerichtshof hat solche Überlegungen bisher allerdings vorwiegend zur Rechtfertigung von Pauschalierungen herangezogen: 'Die Vermeidung aufwendiger Erhebungsmaßnahmen bei schwierig zu ermittelnden Sachverhalten durch Vornahme einer Pauschalierung ist geradezu ein Paradebeispiel einer einfacheren Vollziehung aus Gründen der Verwaltungsökonomie' (VfSlg. 9624/1983). Er hat allerdings auch die Grenzen solcher Maßnahmen aufgezeigt: Zum einen dürfen pauschalierende Regelungen, auch wenn sie im Interesse der Verwaltungsökonomie getroffen werden, nicht den Erfahrungen des täglichen Lebens widersprechen (zB VfSlg. 4930/1965, 5022/1965, 9608/1983, 13.726/1994). Zum anderen hat der Verfassungsgerichtshof festgehalten, dass verwaltungsökonomische Überlegungen nicht jegliche Regelung sachlich rechtfertigen können, sondern in einem angemessenen Verhältnis zu den damit in Kauf genommenen Differenzierungen stehen müssen (zB VfSlg. 8871/1980, 11.201/1986, 11.630/1988). Schließlich hat der Verfassungsgerichtshof auch festgestellt, dass der Gleichheitssatz zwar zulasse, auf die Praktikabilität des Gesetzes Bedacht zu nehmen, diese Erlaubnis jedoch nicht schrankenlos sei. Sie findet vielmehr ihre Grenze dort, wo anderen Überlegungen, die gegen die Regelung sprechen, größeres Gewicht beizumessen ist als den verwaltungsökonomischen Erwägungen (VfSlg. 9524/1982, 13.726/1994; 15.819/2000; ähnlich 13.977/1994).
2.3. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung dürfte der erste Satz der in Prüfung gezogenen Regelung dem Gleichheitssatz widersprechen: Es handelt sich bei dieser Norm nicht bloß um eine zum Zweck der Erhebungsvereinfachung getroffene Pauschalierung, sondern um eine vollständige Steuerfreistellung, die - wie erwähnt - bei den typischen Trinkgeldberufen auch erhebliche Entlastungswirkung haben kann und folglich die Mehrzahl der Arbeitnehmer bzw. der Steuerpflichtigen gegenüber dieser Gruppe von Arbeitnehmern steuerlich benachteiligen dürfte.
Der Verfassungsgerichtshof kann vorderhand nicht finden, dass eine Privilegierung dieser Art damit hinreichend gerechtfertigt werden kann, dass die Erfassung der Trinkgelder im Hinblick auf die Steuerunehrlichkeit der Trinkgeldbezieher nicht möglich ist und daher steuerehrliche Arbeitnehmer den steuerunehrlichen gleichgestellt werden sollten. Fehlende Rechtstreue der Bürger oder Vollzugsdefizite der Verwaltung dürften von vornherein nicht geeignet sein, die Steuerfreistellung von an sich steuerbaren Einkünften zu rechtfertigen. Eine solche Einstellung liefe nämlich anscheinend letzten Endes darauf hinaus, dass die Abgabenentrichtung eine Sache der Freiwilligkeit wird. Die Finanzverwaltung hat aber den - auch verfassungsrechtlich relevanten - Auftrag, alle Abgabepflichtigen zu erfassen und gleichmäßig zu behandeln sowie darüber zu wachen, dass Abgabeneinnahmen nicht zu Unrecht verkürzt werden (§114 Abs1 BAO). Dafür werden ihr die verfahrensrechtlichen Instrumente in die Hand gegeben; den Abgabepflichtigen wiederum werden korrespondierend umfassende Offenlegungs- und Mitwirkungspflichten auferlegt. Letztlich haben die Finanzbehörden die Möglichkeit, unter den Bedingungen des §184 BAO die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen. Wenn die Steuerbefreiung eine (angemessene) Reaktion auf mangelnde Steuerehrlichkeit und Vollzugsunwillen wäre, dürfte es im Übrigen nicht zu begründen sein, warum sie sich auf die Trinkgelder Unselbständiger beschränkt.
Nicht nachvollziehbar ist für den Verfassungsgerichtshof vorderhand auch die Behauptung der Materialien, eine Pauschalierung sei 'undenkbar', weil viele unterschiedliche Trinkgeldhöhen bestünden und die Aufteilung von Trinkgeldern zwischen den Arbeitnehmern nicht überprüft werden könne. Der Bereich der Trinkgeldbesteuerung betrifft eine überschaubare Zahl von Berufen und Konstellationen. Das Beitragsrecht der Sozialversicherung arbeitet auf diesem Gebiet mit berufsbezogenen Pauschalierungen (§44 Abs3 ASVG). Es ist dem Gerichtshof vorderhand nicht erkennbar, warum eine vergleichbare Vorgangsweise im Steuerrecht nicht möglich sein sollte, zumal auch widerlegbare Typisierungen nicht ausgeschlossen sind.
Ob die im ersten Satz des §3 Abs1 Z16a EStG verankerte Steuerbefreiung von Trinkgeldern aus anderen, nicht in den Materialien genannten Gründen sachlich zu rechtfertigen ist, wird im Prüfungsverfahren zu erörtern sein.
3. Sofern die dargelegten Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des ersten Satzes des §3 Abs1 Z16a EStG 1988, BGBl. 400, idF BGBl. I 35/2005 nicht zutreffen, hegt der Gerichtshof folgende Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des zweiten Satzes dieser Bestimmung: 3. Sofern die dargelegten Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des ersten Satzes des §3 Abs1 Z16a EStG 1988, BGBl. 400, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 35 aus 2005, nicht zutreffen, hegt der Gerichtshof folgende Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des zweiten Satzes dieser Bestimmung:
Sollte es für die Steuerbefreiung von Trinkgeldern, die anlässlich einer Arbeitleistung dem Arbeitnehmer von dritter Seite freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch darauf besteht, gegeben werden, entgegen der vorläufigen Annahme des Gerichtshofes eine sachliche Rechtfertigung geben, dann muss gefragt werden, ob der Umstand, dass Arbeitnehmern aufgrund gesetzlicher oder kollektivvertraglicher Bestimmungen die direkte Annahme von Trinkgeldern untersagt ist, eine Gegenausnahme von der Steuerbefreiung rechtfertigt. Der Gerichtshof kann dies vorderhand nicht erkennen. Orientiert man sich am Wortlaut des zweiten Satzes des §3 Abs1 Z16a EStG 1988, dann läuft die Gegenausnahme darauf hinaus, dass Arbeitnehmer, die gesetz- oder kollektivvertragswidrig Trinkgelder annehmen (und bei denen man im Hinblick auf das Annahmeverbot von vornherein davon ausgehen kann, dass sie die verboten vereinnahmten Beträge steuerlich nicht offen legen werden), mit solchen Trinkgeldern steuerpflichtig wären. Es scheint dem Gerichtshof vorderhand unsachlich, den Verstoß gegen ein solches Annahmeverbot mit einer steuerlichen Sanktion zu ahnden, die von der Finanzverwaltung nach Auffassung des Gesetzgebers offenbar gar nicht (gleichmäßig) vollzogen werden kann.
Berücksichtigt man hingegen den aus den Materialien zu dieser Vorschrift ableitbaren Zweck, die in §27 Abs3 GlücksspielG angesprochenen Trinkgelder (Cagnotte) der Steuerpflicht zu unterwerfen, so bestehen gegen diese Steuerpflicht anscheinend folgende Bedenken: Bei der Cagnotte geht es nach §27 Abs3 GlücksspielG um Zuwendungen, die von den Besuchern geleistet werden und für die Gesamtheit der Arbeitnehmer des Konzessionärs bestimmt sind, wobei die Aufteilung unter den Arbeitnehmern durch Kollektivvertrag und Betriebsvereinbarung zu regeln ist. Der Unterschied zu Trinkgeldern, die direkt von Kunden oder Gästen den Arbeitnehmern zugewendet werden, liegt anscheinend nur im formalen Umstand der Einschaltung des Konzessionärs bei der Verteilung der Trinkgelder. Der Bundesminister für Finanzen spricht in diesem Zusammenhang von einem 'streng vom Arbeitgeber verwalteten Trinkgeldverteilungssystem', das erforderlich sei, um die bei Zulässigkeit von Trinkgeldern bestehende Missbrauchsgefahr auszuschließen, und bei dem eine Zuordnung der Trinkgelder zu Einzelleistungen und Einzelpersonen nicht möglich sei. Damit rechtfertigt er in Wahrheit die Bestimmung des §27 Abs3 GlücksspielG, nicht aber die steuerliche Differenzierung des §3 Abs1 Z16a EStG 1988. Auch bei Trinkgeldern, deren Annahme den Arbeitnehmern an sich gestattet ist, wird vom Kunden oder Gast häufig der Arbeitgeber eingeschaltet, um bei einer Komplexität von Dienstleistungen (wie sie zB in einem Hotel, aber auch in Restaurants geboten werden) einen einheitlichen Trinkgeldbetrag nach seinem Ermessen zu verteilen (so genannte Tronc-Systeme). Für den Gerichtshof ist vorderhand nicht erkennbar, dass sich der Fall der Cagnotte davon in maßgeblicher Weise unterscheidet, zumal §27 Abs4 GlücksspielG ausdrücklich anordnet, dass dem Konzessionär kein wie immer gearteter Anspruch auf diese Zuwendungen zusteht. Dass bei der Cagnotte der Gesichtspunkt der Steuerehrlichkeit insofern keine Rolle spielt, als eine steuerliche Erfassung ohne Weiteres möglich ist, dürfte - entgegen den Ausführungen des Bundesministers für Finanzen - als Begründung für die Differenzierung ausscheiden: Sollte der erste Satz des §3 Abs1 Z16a EStG 1988 verfassungskonform sein und es in der Tat sachlich gerechtfertigt sein, steuerehrliche Trinkgeldbezieher den steuerunehrlichen gleichzustellen, dann darf es anscheinend keinen Unterschied machen, ob der Trinkgeldempfänger aus freien Stücken oder notgedrungen steuerehrlich ist."
6. Die Bundesregierung erstattete auf Grund ihres Beschlusses vom 26. März 2008 eine Äußerung, in der sie den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes entgegentritt und beantragt, der Gerichtshof wolle aussprechen, dass die in Prüfung gezogene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird. Für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesregierung den Antrag, der Gerichtshof wolle für das Außer-Kraft-Treten eine Frist bis 31. Dezember 2009 bestimmen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erwogen:römisch II. Der Verfassungsgerichtshof hat nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erwogen:
1. Zur Zulässigkeit:
Das Gesetzesprüfungsverfahren hat nicht ergeben, dass die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes, er habe die in Prüfung gezogene Bestimmung zur Gänze anzuwenden, unzutreffend wäre:
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid ausdrücklich das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Steuerbefreiung nach dem ersten Satz des §3 Abs1 Z16a EStG 1988 verneint, eine Steuerpflicht nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung bejaht und folglich §3 Abs1 Z16a EStG 1988 zur Gänze angewendet. Die Bundesregierung bestreitet die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmung nicht. Da auch sonst keine Zweifel am Vorliegen der Prozessvoraussetzungen entstanden sind, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.
2. In der Sache:
2.1. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes ob der Verfassungsmäßigkeit des §3 Abs1 Z16a erster Satz EStG 1988 sind im Gesetzesprüfungsverfahren zerstreut worden.
2.1.1. Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei der Auffassung, dass es unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes grundsätzlich auf Bedenken stößt, wenn Einkünfte, die nach der Systematik des Einkommensteuerrechts an sich einen Teil des steuerbaren Einkommens bilden und die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen (unter Umständen sogar in beträchtlichem Ausmaß) erhöhen, allein deswegen steuerfrei gestellt werden, weil sie nicht freiwillig deklariert werden. Mangelnde Steuerehrlichkeit und/oder Vollzugsunwillen der Finanzverwaltung sind für sich gesehen keine hinreichenden Gründe, um ein Abgehen vom im Einkommensteuerrecht maßgeblichen Leistungsfähigkeitsprinzip zu rechtfertigen.
Das Verfahren hat jedoch ergeben, dass die hier in Rede stehenden Einkünfte mehrere Besonderheiten aufweisen, die zusammengenommen auch eine steuerliche Sonderbehandlung in Form einer Steuerfreistellung zu rechtfertigen vermögen:
2.1.2. Die in Prüfung gezogene Befreiungsvorschrift betrifft Einkünfte, die aus der Sicht des EStG 1988 insofern atypisch sind, als sie nicht im Verhältnis Arbeitnehmer - Arbeitgeber verdient werden, sondern ihre Wurzel im direkten Verhältnis Arbeitnehmer - Kunde (Gast etc.) haben. Mag es auch in vielen Branchen üblich sein und erwartet werden, dass für die vom Arbeitnehmer erbrachte Dienstleistung Trinkgeld gegeben wird, so handelt es sich doch letztlich um Einkünfte, denen ein freigebiges Verhalten des Kunden zugrunde liegt und deren Höhe typischerweise vom persönlichen Einsatz des Arbeitnehmers gegenüber dem Kunden abhängt. Trinkgelder stehen daher zwar im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis (ohne dieses käme es nicht zur Leistung von Trinkgeldern), ihre Zuwendung erfolgt aber doch letztlich außerhalb desselben: Ein Rechtsanspruch ist nicht gegeben; die Höhe steht im Belieben des Kunden; für den Arbeitnehmer gibt es zwar, was die Summe der Trinkgelder in einem bestimmten Zeitraum betrifft, möglicherweise Erfahrungswerte, aber keine Sicherheit; sobald die Kundenbeziehung wegfällt (etwa im Falle der Krankheit), fällt auch das Trinkgeld weg, ohne durch andere Leistungen substituiert zu werden. Bei solchen Einkünften ist der rechtspolitische Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips größer als bei jenen, auf die ein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber besteht und die zum "Kernbereich" des einkommensteuerrechtlichen Tatbestandes gehören.
2.1.3. Dazu kommt, dass die steuerliche Erfassung dieser Einkünfte unstrittig auf besondere Vollzugsprobleme stößt. Das Verfahren hat zwar nicht ergeben, dass der Besteuerungs