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40 VerwaltungsverfahrenNorm
EMRK österr Vorbehalt zu Art5Leitsatz
Verletzung im Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung voreinem Tribunal durch Bescheiderlassung seitens des UnabhängigenVerwaltungssenates betreffend Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeugs inalkoholisiertem Zustand wegen Unterlassung der Durchführung einerBerufungsverhandlung; keine Bedenken gegen die dem UVS einenErmessensspielraum einräumende verwaltungsstrafrechtliche Bestimmungüber das Absehen von einer BerufungsverhandlungRechtssatz
Keine Bedenken gegen den dem UVS einen Ermessensspielraum einräumenden §51e Abs3 VStG über das Absehen von einer Berufungsverhandlung.
Der UVS wird als das vom Verfassungsgesetzgeber in Verwaltungsstrafsachen zur Entscheidung berufene "Tribunal" tätig und ist dabei an die in Art6 EMRK normierten Verfahrensgarantien gebunden.
Da dem Verwaltungsgerichtshof - wie der EGMR im Fall Gradinger (EGMR 23.10.95, ÖJZ 1995, 954) festgestellt hat - im Gegensatz zum UVS keine volle Kognitionsbefugnis im Tatsachenbereich zukommt, muß die Verfahrensgarantie der mündlichen Verhandlung beim Unabhängigen Verwaltungssenat erfüllt werden (vgl dazu EGMR im Fall Baischer vom 20.12.01, ÖJZ 2002, 394, Z28 bis Z30).
Der Wortlaut des §51e Abs3 VStG ("kann") hindert den UVS nicht daran, selbst bei Vorliegen der dort unter Z1, Z2, Z3 und Z4 normierten Voraussetzungen für ein Absehen von der mündlichen Verhandlung, dennoch eine Verhandlung durchzuführen; soweit es Art6 EMRK gebietet, muß er jedenfalls eine mündliche Verhandlung durchführen, sofern die Parteien nicht darauf verzichtet haben.
Die Bedeutung des zu Art5 EMRK abgegebenen österreichischen Vorbehaltes - bzw seiner Ausdehnung auf Art6 EMRK - kann hiebei dahingestellt bleiben, weil dieser Vorbehalt nur zugunsten des Gesetzgebers, nicht aber auch zugunsten der Vollziehung erklärt wurde (dazu ausdrücklich: VfSlg 10067/1984, siehe auch VfSlg 8111/1977 ua). Was hingegen den österreichischen Vorbehalt zu Art6 EMRK (zum Öffentlichkeitsgrundsatz) betrifft, so hat der EGMR im Fall Eisenstecken dessen Ungültigkeit festgestellt (Urteil vom 03.10.00, ÖJZ 2001, 194, Z29), worin ihm der Verfassungsgerichtshof gefolgt ist (VfGH 13.12.01, B227/99).
Die (sachverhaltsbezogene) Berufung des Beschwerdeführers geht über die in §51e Abs3 VStG in Z1, Z2, Z3 und Z4 erwähnten Fälle, die den UVS allenfalls ermächtigen würden, von einer mündlichen Verhandlung abzusehen, hinaus. Daraus ergibt sich, daß der UVS jedenfalls eine mündliche Verhandlung abhalten hätte müssen.
Kostenersatz durch das Land nach Aufhebung eines Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates betreffend Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeugs in alkoholisiertem Zustand gem §99a StVO 1960.
siehe auch E v 09.10.02, B36/02 und B807/02, und E v 26.11.02, B1436/02; E v 25.02.03, B1421/02; E v 22.09.03, B1482/02; E v 09.06.04, B161/04; E v 30.11.04, B364/04 - keine Rechtfertigung des Entfalls einer mündlichen Verhandlung im Lichte der in der Entscheidung zitierten Rechtsprechung des EGMR. Weiters E v 26.09.06, B507/06; E v 01.12.07,B531/07 (ausdrücklicher Antrag auf mündliche Verhandlung, keine bloßen Rechtsfragen in der Berufung, sondern Bestreitung von Tatfragen).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Ermessen, Straßenpolizei, Alkoholisierung, UnabhängigerVerwaltungssenat, Verwaltungsstrafrecht, Berufung, Verhandlungmündliche, Öffentlichkeitsprinzip, VfGH / KostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:B1737.2001Zuletzt aktualisiert am
05.02.2009