RS Vfgh 2002/9/28 B171/02

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Veröffentlicht am 28.09.2002
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Index

32 Steuerrecht
32/08 Sonstiges

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs1
EMRK Art10
WerbeabgabeG 2000 §1 Abs2

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit der Werbeabgabe für Beilagenwerbung; keine Ausnahme direkt verteilter Prospektwerbung von der Steuerpflicht bei verfassungskonformer Auslegung des WerbeabgabeG 2000; keine Verletzung der Meinungsäußerungsfreiheit und des Determinierungsgebotes

Rechtssatz

Ziel der Werbeabgabe ist es, die Verbreitung von Werbebotschaften, soweit hiebei Dritte (Auftragnehmer) dem Werbeinteressenten gegenüber Dienstleistungen gegen Entgelt erbringen, einer Abgabe zu unterwerfen, wobei als Bemessungsgrundlage eben dieses Entgelt herangezogen wird. Werbeleistungen, für die der Werbeinteressent nichts aufwenden muß, unterliegen ebensowenig der Abgabe wie die Eigenwerbung, die der Werbeinteressent ohne Einschaltung Dritter für sich selbst macht.

Gegen eine solche Abgabe bestehen an sich keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie verletzt insbesondere nicht das in Art10 EMRK verankerte Grundrecht auf freie Meinungsäußerung. Die Abgabenbelastung zielt nicht auf eine Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit ab und beeinträchtigt die Freiheit zur Mitteilung von Nachrichten ebensowenig wie sonstige Aufwendungen, die im Gefolge der Verbreitung von Informationen typischerweise anfallen.

Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, daß zwischen den drei typischen Formen der Printmedien-Werbung (Anzeigenwerbung, Beilagen-Werbung, Direktverteilung) Unterschiede im Tatsächlichen bestehen.

Es ist jedoch kein Grund zu sehen, der es rechtfertigen könnte, den Aufwand für Anzeigenwerbung im engeren Sinn der Steuer zu unterwerfen, den Aufwand für die Inanspruchnahme von Werbeleistungen jedoch von der Besteuerung auszunehmen, wenn die Werbung in der Form vorgenommen wird, daß die Werbebotschaft in Prospektform einem Druckwerk beigelegt wird.

Es ist aber auch keine sachliche Rechtfertigung dafür zu sehen, die Prospektwerbung zwar der Abgabepflicht zu unterwerfen, wenn die Prospekte einem Druckwerk beigelegt und gemeinsam mit diesem veröffentlicht werden, sie jedoch auszunehmen, wenn die Prospekte unabhängig von anderen Druckwerken selbständig verteilt werden und die Werbebotschaft auf diese Weise veröffentlicht wird.

Eine "Veröffentlichung von Werbeeinschaltungen in Druckwerken" (iSd §1 Abs2 Z1 WerbeabgabeG 2000) liegt auch dann vor, wenn ein Druckwerk seinem Zweck nach in erster Linie Werbebotschaften vermitteln soll und die redaktionellen Beiträge vollkommen in den Hintergrund treten. Werbung dieser Art zu besteuern entspricht jedenfalls vollauf dem Ziel und Inhalt des WerbeabgabeG 2000. Dann kann aber nichts anders gelten, wenn auf die redaktionellen Beiträge vollkommen verzichtet wird und ein Druckwerk ausschließlich aus Werbebotschaften besteht. Ebensowenig kann es dann aber darauf ankommen, ob dieses ausschließlich aus Werbebotschaften bestehende Druckwerk zusammen mit einem anderen Druckwerk oder unabhängig davon verteilt (veröffentlicht) wird.

Der Verfassungsgerichtshof kann somit nicht der der Beschwerde zugrundeliegenden, aber auch im Durchführungserlaß zur Werbeabgabe (Durchführungserlaß des BMF v 15.06.00, Zl. 14 0607/1-IV/14/00, AÖF 121/2000) vertretenen Auffassung folgen, daß der Bereich der Direktwerbung vom Tatbestand des §1 Abs2 Z1 WerbeabgabeG 2000 nicht erfaßt sei. Dieser Tatbestand kann vielmehr so interpretiert werden, daß er auch die Direktwerbung einschließt. Gleichheitsrechtliche Überlegungen gebieten es dann aber, in verfassungskonformer Interpretation diese Form der Werbung in den Geltungsbereich der Werbeabgabe einzubeziehen. Der Gerichtshof sieht sich jedoch nicht zur Einleitung eines Verfahrens nach Art139 B-VG veranlaßt, da der genannte Durchführungserlaß schon im Hinblick auf die dort in Tz 12. enthaltenen Ausführungen nicht als Verordnung zu qualifizieren ist.

Der Verfassungsgerichtshof kann nicht finden, daß die in §1 Abs2 WerbeabgabeG 2000 verwendeten Begriffe der "Werbeleistung" bzw. "Veröffentlichung von Werbeeinschaltungen" in Druckwerken in einem Maße unbestimmt wären, daß eine Sinnbestimmung auch unter Zuhilfenahme aller in Betracht kommenden Interpretationsmethoden nicht möglich wäre.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Auslegung verfassungskonforme, Determinierungsgebot, Meinungsäußerungsfreiheit, Verordnung, RechtsV, VerwaltungsV, Werbeabgabe, Erlaß

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B171.2002

Dokumentnummer

JFR_09979072_02B00171_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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