RS Vfgh 2002/9/30 G71/01 ua

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 30.09.2002
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Index

34 Monopole
34/01 Monopole

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art10 Abs1 Z4
B-VG Art54
B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
TabakmonopolG 1996 §36
TabakmonopolG 1996 §38
TabakmonopolG 1996 §38 Abs4
VfGG §62 Abs1 erster Satz

Leitsatz

Teilweise Zulässigkeit der Individualanträge auf Aufhebung von Bestimmungen des Tabakmonopolgesetzes hinsichtlich der Abgabe von Tabakwaren durch Trafikanten und der diesen zustehenden Handelsspanne; teils keine hinreichend genaue Bezeichnung der zur Aufhebung begehrten Fassung, teils keine Darlegung der Bedenken im Einzelnen; teils keine rechtliche Betroffenheit der Antragsteller; sachliche Rechtfertigung der unterschiedlichen Handelsspannen für Tabakfachgeschäfte und Tabakverkaufsstellen aufgrund der notwendigen Absicherung der wirtschaftlichen Existenz der Trafikanten und aus sozialpolitischen Gründen; keine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit aufgrund öffentlichen Interesses; kein Verstoß gegen die bundesstaatliche Kompetenzverteilung

Rechtssatz

Zurückweisung der Anträge zweier Inhaber von Tabakverkaufsstellen auf Aufhebung des §36 Abs11 TabakmonopolG 1996 betreffend die Abgabe von Tabakwaren zu bestimmten Verkaufspreisen mangels genauer Bezeichnung der bekämpften Gesetzesstellen.

Der Antrag bezieht sich laut seinem ersten Satz allgemein auf das TabakmonopolG, BGBl 830/1995. Für §36 Abs11 TabakmonopolG, der zweimal (BGBl 44/1996, BGBl I 186/1998) novelliert wurde, wird aber nicht angegeben, in welcher Fassung die Aufhebung dieser Bestimmung begehrt wird.

Auch der zu G166/01 in eventu gestellte Antrag, in §36 Abs11 TabakmonopolG die Worte "nur zu" durch die Worte "nicht unter" zu ersetzen, ist unzulässig.

Zur Entscheidung über einen auf Art140 B-VG gestützten, an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Antrag, der den Ersatz einer Regelung durch eine andere begehrt, ist der Verfassungsgerichtshof offenbar unzuständig.

Zurückweisung der Anträge auf Aufhebung des §38 TabakmonopolG 1996 zur Gänze mangels Darlegung der Bedenken im Einzelnen.

Zurückweisung der Eventualanträge auf Aufhebung einer Wortfolge im §38 Abs3 TabakmonopolG 1996 mangels rechtlicher Betroffenheit.

Die Wortfolge "für Inhaber von Tabakfachgeschäften" in Abs3 des §38 TabakmonopolG legt ausschließlich die Handelsspanne für diese Personengruppe fest. Adressaten dieser Bestimmung sind nur Inhaber von Tabakfachgeschäften. Inhaber von Tabakverkaufsstellen sind hingegen in ihrer Rechtssphäre davon nicht betroffen.

Zulässigkeit der Anträge zweier Inhaber von Tabakverkaufsstellen auf Aufhebung des §38 Abs4 TabakmonopolG 1996.

Die Regelung der Handelsspanne in §38 Abs4 TabakmonopolG greift unmittelbar in die Vertragsfreiheit und damit in die Rechtssphäre der Inhaber von Tabakverkaufsstellen ein und wird für diese ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides wirksam.

Die die Handelsspanne für den Verkauf von Tabakwaren normierende Vorschrift des §38 Abs4 TabakmonopolG bildet keine Rechtsgrundlage eines zivilgerichtlichen Verfahrens, in dem ein Trafikant die Monopolverwaltung GmbH auf Abänderung seines Bestellungsvertrages klagt.

Aber auch eine zivilgerichtliche Klage eines Inhabers einer Tabakverkaufsstelle auf Herabsetzung des sich unter Berücksichtigung der jeweiligen Handelsspanne errechnenden Lieferpreises in §8 Abs5 TabakmonopolG gegenüber dem Großhändler scheidet als zumutbarer Weg zur Abwehr des vermeintlich verfassungswidrigen Eingriffes aus, zumal der Rechtsgrund der Zahlungsverpflichtung des Tabakverkaufsstelleninhabers dessen Vertrag mit dem Großhändler und nicht das TabakmonopolG ist.

Kein Verstoß des §38 Abs4 TabakmonopolG 1996 gegen die bundesstaatliche Kompetenzverteilung.

Da der vom Bundesverfassungsgesetzgeber aufgehobene Art54 B-VG lediglich die verfassungsrechtliche Grundlage für die Mitwirkung des Nationalrats an einem Akt der Vollziehung, nämlich der Festsetzung der Endverkaufspreise von Monopolgegenständen bildete, kam dieser Verfassungsvorschrift keine spezifisch kompetenzrechtliche Bedeutung zu. Da die Regelung der Handelsspanne für Tabakwaren in Zusammenhang mit der Errichtung des Einzelhandelsmonopols steht und auch in Zusammenhang mit tabaksteuerlichen Vorschriften zu sehen ist, weil der Kleinverkaufspreis die Bemessungsgrundlage für die Tabaksteuer bildet, stützt sich die von den Antragstellern angefochtene gesetzliche Regelung über die Handelsspannen zweifelsfrei auf Art10 Abs1 Z4 B-VG.

Sachliche Rechtfertigung der in §38 Abs4 TabakmonopolG 1996 festgelegten unterschiedlichen Handelsspannen für Tabakfachgeschäfte und Tabakverkaufsstellen.

Auf Grund der sozialpolitischen Zielsetzungen des TabakmonopolG wurden bei der Vergabe von Tabaktrafiken gemäß §29 leg cit Begünstigten nach dem Opferfürsorge-, dem Kriegsopfer- und dem Heeresversorgungsgesetz und deren Hinterbliebenen sowie den Begünstigten nach dem Behinderteneinstellungsgesetz "Vorzugsrechte" eingeräumt. Die wirtschaftliche Existenz des Inhabers des Tabakfachgeschäftes muss daher aus dessen Erlösen allein gesichert sein.

Zusätzliche Tabakverkaufsstellen sollen im Interesse der Nahversorgung nur dort errichtet werden, wo kein hinreichender Ertrag für ein Tabakfachgeschäft zu erwarten ist und der Tabakwareneinzelhandel sohin lediglich eine zusätzliche Einnahmequelle zu sonstiger gewerblicher (insbesondere Lebensmittelhandels-)Tätigkeit bildet. Tabakfachgeschäftsinhaber haben im Gegensatz zu Tabakverkaufsstelleninhabern keine Möglichkeit, ihren Geschäftsbetrieb und ihren Umsatz durch den Handel mit anderen als Tabakwaren zu erweitern und derart ihre wirtschaftliche Existenz sicherzustellen.

Während die - normalen - Handelsspannen für Tabakverkaufsstellen in Anbetracht des Umstandes des üblicherweise weit über Tabakwaren hinausreichenden Warenumsatzes gerechtfertigt sind, bedürfen Tabakfachgeschäfte einer höheren Handelsspanne für Tabakwaren, weil im Wesentlichen allein aus deren Verkauf die wirtschaftliche Existenz der Tabakfachgeschäftsinhaber - nicht zuletzt auch aus den geschilderten sozialpolitischen Gründen - abgesichert werden sollte.

Unsachlich und daher gleichheitswidrig wird diese gesetzliche Regelung einer unterschiedlichen Handelsspanne für Tabakfachgeschäfte und Tabakverkaufsstellen auch nicht durch die Möglichkeit, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse nach Abschluss des Bestellungsvertrages derart ändern, dass von einer Tabakverkaufsstelle entgegen den ursprünglichen wirtschaftlichen Erwartungen im Wesentlichen Tabakwaren umgesetzt werden.

Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit, jedoch keine Verletzung.

Bereits aus den im Zusammenhang mit dem Gleichheitssatz angestellten Überlegungen ist ersichtlich, dass die gesetzliche Festlegung der nur die Kehrseite der niedrigeren Handelsspanne für Tabakverkaufsstellen bildenden höheren Handelsspanne für die Inhaber von Tabakfachgeschäften im öffentlichen Interesse gelegen ist.

Entscheidungstexte

  • G 71/01 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 30.09.2002 G 71/01 ua

Schlagworte

Erwerbsausübungsfreiheit, Kompetenz Bund - Länder, Monopolwesen, Tabakmonopol, VfGH / Antrag, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Individualantrag, VfGH / Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:G71.2001

Dokumentnummer

JFR_09979070_01G00071_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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