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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Teilweise Zulässigkeit des Individualantrags eines Schafhalters auf Aufhebung einer Verordnung betreffend die Waldweide von Schafen und Ziegen; normativer Inhalt der Regelung betreffend Nichteinhaltung der Vorschriften; keine unmittelbare Betroffenheit durch nur auf Ziegen bezogene Normierungen; Gesetzwidrigkeit der Regelung der Rechtsfolgen für die Nichteinhaltung der Normierungen; keine gesetzliche Grundlage für System der Verflechtung zivilrechtlicher Verpflichtungserklärungen mit Anordnungen einer VerordnungRechtssatz
Teilweise Zulässigkeit des Individualantrags eines Schafhalters auf Aufhebung der Verordnung der Forsttagsatzungskommission für die Gemeinde Nassereith vom 16.01.02.
Erwirkung einer Ausnahmebewilligung im Hinblick auf die zeitlichen Verhältnisse (Geltungsbereich der Verordnung nur für das Jahr 2002, Beginn der Weidezeiten am 01.05.02) nicht zumutbar.
Normativer Inhalt hinsichtlich der "Maßnahmen bei Nichteinhaltung" im letzten Teil der Verordnung.
Der letzte Satz der "Maßnahmen bei Nichteinhaltung" verbietet jenen Schafhaltern, welche die sog Verpflichtungserklärung (in der sich Schafhalter der Gemeinde Nassereith zu einer bestimmten Einschränkung der Schafweide freiwillig bereit erklären) nicht unterschrieben haben (zu denen nach dem unbestrittenen Antragsvorbringen der Einschreiter zählt), ihre Schafe überhaupt aufzutreiben, sofern sie sich nicht an die "Bedingungen" der Verpflichtungserklärung halten; der bezogene Satz umschreibt also ein unter bestimmten Voraussetzungen eintretendes Verbot.
Unter dem Aspekt einer bedingten Verbotsnorm, deren Komplementärteil die bei gegebenen Voraussetzungen eintretende Erlaubnis zur Waldweide nach Maßgabe der Verordnung bildet, ist weiters festzuhalten, daß die gesamten Vorschriften der Verordnung, welche den Auftrieb der Schafe regeln, mit der erörterten Verbotsnorm in einem nicht trennbaren Zusammenhang stehen.
Die Rechtssphäre des Antragstellers wird hingegen durch den vorletzten und letzten Satz der Z1 (da sie ausschließlich die Ziegenweide betreffen) sowie die lite bis lith der Z4 (weil sie bloß Aufgaben des Schafhirten, des Jagdschutzorgans sowie des Gemeindeaufsichtsorgans zum Gegenstand haben) nicht berührt.
Z1 erster und zweiter Satz, Z2, Z3, Z4 lita bis litd, die der Überschrift "Maßnahmen bei Nichteinhaltung" folgenden drei Sätze und Z5 der Verordnung der Forsttagsatzungskommission für die Gemeinde Nassereith vom 16.01.02 werden als gesetzwidrig aufgehoben.
Die von der Forsttagsatzungskommission erlassene Verordnung verweist im dritten Satz des Abschnittes "Maßnahmen bei Nichteinhaltung" auf die von einigen Schafhaltern der Gemeinde Nassereith (durch Unterfertigung) eingegangene, ihrer Rechtsnatur nach zivilrechtliche "Verpflichtungserklärung", welche ua die Ausübung der Schafweide auch für die der "Verpflichtungserklärung" nicht beigetretenen Schafhalter in weiterem Umfang einschränkt als in der Verordnung vorgesehen und überdies die Nichteinhaltung von in der "Verpflichtungserklärung" festgelegten Bestimmungen ("Bedingungen") mit dem Verbot des Auftreibens von Schafen sanktioniert. Für ein derartiges rechtliches System, in dem eine nicht auflösbare Verflechtung zivilrechtlicher Verpflichtungen mit Anordnungen einer Verordnung derart geschaffen wird, daß sogar derjenige, welcher die zivilrechtliche Vereinbarung nicht eingegangen ist, sich dieser bei sonstigem Ausschluß von in der Verordnung festgelegten Berechtigungen der "Verpflichtungserklärung" zu unterwerfen hat, findet sich in der Tiroler Waldordnung keine Rechtsgrundlage.
Schlagworte
Forstwesen, Waldnutzung, Privatrecht - öffentliches Recht, VfGH / Individualantrag, VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / PrüfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:V21.2002Dokumentnummer
JFR_09978992_02V00021_01