TE Vfgh Erkenntnis 2005/9/27 B547/05

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Veröffentlicht am 27.09.2005
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Index

27 Rechtspflege
27/03 Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren

Norm

StGG Art5
GGG 1984 §14, §18 Abs2 Z2
JN §58 Abs1

Leitsatz

Verletzung im Eigentumsrecht durch denkunmögliche Vorschreibung einer restlichen Pauschalgebühr für den Abschluss eines Vergleichs betreffend Mietzinse auf Basis der Annahme einer Disposition auch über künftige Benützungsentgelte für unbestimmte Zeit; Verpflichtung des Beklagten auf künftige Leistung des Mietzinses aus der pünktlichen Zahlung der im Vergleich vereinbarten Raten und reduzierten Mietzinse nicht ableitbar

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für Justiz) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit EUR 2340,-- bestimmten Prozesskosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die beschwerdeführende Partei brachte mit Schriftsatz vom 27. April 2004 beim Bezirksgericht Baden eine Klage wegen Mietzinsrückständen und wegen Räumung ein. Dafür entrichtete sie eine Pauschalgebühr gemäß TP1 GGG in Höhe von EUR 1244,30. In der Tagsatzung vom 5. November 2004 schloss sie mit den Beklagten einen Vergleich; darin verpflichteten sich die Beklagten zunächst, die zum 31. Oktober 2004 aushaftenden Mietzinsrückstände (für zwei Bestandobjekte) von EUR 54.561,92 und von EUR 20.402,12, jeweils s. A., in Raten zu bezahlen.

Pkt. 3 des Vergleiches lautete:

"Ab dem 1.11.2004 wird den Mietern auf die laufende Miete für die nächsten 6 Monate ein weiterer befristeter Abschlag gewährt. Die Bruttomietzinse lauten sohin ... EUR 2.634,-- und ... EUR 689,--, ab dem siebten Monat, sohin ab Mai 2005 ist wieder der Mietzins ohne Abschlag laut Vorschreibungen zu bezahlen.

Zahlungsziel der monatlichen Mieten ist der 10. jeden Monats. Darüber hinaus wird ein 5-tägiges Respiro vereinbart.

Der vereinbarte Abschlag gilt nur dann, wenn die Mieten laufend fristgerecht bezahlt werden."

In Pkt. 6 des Vergleiches verpflichteten sich die Beklagten, die in Rede stehenden Bestandobjekte "binnen vier Wochen ab Verzug" geräumt zu übergeben; Pkt. 7 bestimmte sodann Folgendes:

"Die klagende Partei ist nur dann berechtigt von dieser Räumungsverpflichtung lt. Punkt 6 Gebrauch zu machen, und das Delogierungsverfahren zu beantragen, wenn die beklagten Parteien ihren Verpflichtungen aus dieser Vereinbarung nicht fristgerecht nachkommen."

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 18. April 2005 wurden der beschwerdeführenden Partei eine restliche Pauschalgebühr gemäß TP1 GGG von EUR 6810,79 sowie eine Einhebungsgebühr von EUR 7,-- vorgeschrieben.

Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, die Parteien hätten in Pkt. 3 des Vergleiches über die Höhe des künftig zu leistenden Benützungsentgeltes disponiert; da sich aus dem Vergleichstext selbst eine bestimmte zeitliche Begrenzung dieser Leistungspflicht nicht ergebe, sei der Berechnung der erhöhten Pauschalgebühr das Zehnfache der Jahresleistung zugrunde zu legen.

2. Gegen diesen - keinem weiteren Rechtszug unterliegenden (vgl. §7 Abs7 GEG 1962) - Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens und des Zivilrechtsstreites vor, ohne eine Gegenschrift zu erstatten.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wird eine Abgabe vorgeschrieben; er greift somit in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.337/1985, 10.362/1985, 11.470/1987) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewandt hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

2. §18 Abs2 Z2 GGG lautet:

"Wird der Wert des Streitgegenstandes infolge einer Erweiterung des Klagebegehrens geändert oder ist Gegenstand des Vergleiches eine Leistung, deren Wert das Klagebegehren übersteigt, so ist die Pauschalgebühr unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes zu berechnen; die bereits entrichtete Pauschalgebühr ist einzurechnen."

3. Zwischen den Parteien des verfassungsgerichtlichen Verfahrens ist nur die Frage strittig, ob Pkt. 3 des Vergleiches die Verpflichtung der beklagten Partei zu wiederkehrenden Leistungen, nämlich des laufenden Mietzinses (auf unbestimmte Zeit) ab Mai 2005, enthält, sodass iS des §14 GGG iVm §58 Abs1 JN der zehnfache Jahresbetrag an Mietzins der Neuberechnung der Pauschalgebühr zugrunde zu legen war.

Der Verfassungsgerichtshof hatte in dem mit Erkenntnis VfSlg. 16.701/2002 entschiedenen Fall die Gebührenpflicht eines Vergleiches zu beurteilen, der in seiner dort strittigen Passage (dem letzten Satz) wie folgt lautete:

"Wenn die eingeräumten Ratenzahlungen neben dem laufenden monatlichen Mietzins pünktlich bezahlt werden, verpflichtet sich der Kläger vom Räumungstitel keinen Gebrauch zu machen."

Dazu führte der Verfassungsgerichtshof in jenem Erkenntnis aus:

"Entscheidend ist ..., daß der Beschwerdeführer durch seinen Verzicht darauf, vom zuvor geschaffenen Exekutionstitel Gebrauch zu machen, allenfalls über jenen Anspruch disponierte, den auch dieser Exekutionstitel betraf, offenkundig aber über keinen anderen Anspruch. Der Anspruch, den jener Exekutionstitel betraf, ist aber der Anspruch auf Räumung, den der Beschwerdeführer bereits mit seiner Klage geltend gemacht und für den er die Pauschalgebühr entrichtet hatte. Daß mit dem letzten Satz des Vergleiches über den Anspruch auf Zahlung des Mietzinses disponiert worden wäre, wie die belangte Behörde annimmt, ist nicht zu erkennen. Die bloß beiläufige Erwähnung des 'laufenden Mietzinses' genügt diesem Erfordernis jedenfalls nicht; eine Verpflichtung des Beklagten, den Mietzins zu zahlen, läßt sich daraus nicht ableiten. Vielmehr ist die belangte Behörde hier auf das von ihr zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. September 1993, 92/16/0131, zu verweisen, nach welchem die in einem Vergleich vereinbarte Lösungsbefugnis keine Verpflichtung auferlegt und damit für die Berechnung des Streitwertes nicht herangezogen werden kann. Auch der Beklagte im Beschwerdefall konnte sich nämlich durch Leistung des laufenden Mietzinses im Ergebnis von seiner Verpflichtung zur Räumung befreien, ohne zu dieser Zahlung - aufgrund des Vergleiches - verpflichtet zu sein."

Im vorliegenden Fall konnte die beklagte Partei durch pünktliche Zahlung der im Vergleich vereinbarten Raten und der reduzierten Mietzinse für November 2004 bis April 2005 die Vollstreckung des Räumungstitels verhindern. Wohl wurde in diesem Vergleich über den Anspruch auf Zahlung des Mietzinses für diesen Zeitraum disponiert; eine Verpflichtung der Beklagten, den Mietzins auf unbestimmte Zeit zu zahlen, lässt sich daraus aber nicht ableiten (vgl. auch VfSlg. 17.004/2003).

Die belangte Behörde hat §18 Abs2 Z2 GGG und §14 GGG iVm §58 Abs1 JN somit in denkunmöglicher Weise angewendet und daher die beschwerdeführende Partei in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. Die zugesprochenen Kosten enthalten Umsatzsteuer von EUR 360,-- sowie den Ersatz der entrichteten Eingabengebühr (§17a VfGG) von EUR 180,--.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:B547.2005

Dokumentnummer

JFT_09949073_05B00547_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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