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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch neuerliche Abweisung des Antrags eines praktischen Arztes auf Auszahlung von Honoraranteilen aus einem Einzelvertrag durch die Gebietskrankenkasse nach aufhebendem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes; keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch verfassungswidrige Zusammensetzung der belangten Behörde; keine Willkür, keine denkunmögliche oder gleichheitswidrige Gesetzesauslegung durch die Versagung vorläufiger Honorarzahlungen bei offenbar unrichtiger Abrechnung; keine Bedenken gegen die Regelung über die Zusammensetzung der Landesberufungskommission, keine Zweifel an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Mitglieder im konkreten FallSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer ist Arzt für Allgemeinmedizin mit Sitz in Niederösterreich. Er hat ua. mit der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse (im Folgenden: Gebietskrankenkasse) einen Einzelvertrag geschlossen.
Mit Schriftsätzen vom 8. September 1998 und vom 5. Oktober 1998 beantragte der Beschwerdeführer bei der paritätischen Schiedskommission für Niederösterreich, diese möge die Gebietskrankenkasse schuldig erkennen, dem Beschwerdeführer ATS 110.390,80 (EUR 8022,41) bzw. ATS 90.870,40 (EUR 6603,81) zu bezahlen. Begründend wurde dazu ausgeführt, der Beschwerdeführer habe im I. bzw. II. Quartal des Jahres 1998 an die Versicherten der Gebietskrankenkasse Leistungen erbracht, die diese aber zu Unrecht nicht honoriert habe.
2. Mit dem im Instanzenzug (vgl. §345 Abs2 Z1 ASVG) bzw. - hinsichtlich des zweiten Antrages - im Devolutionsweg (vgl. §345 Abs2 Z2 iVm §344 Abs3 ASVG) ergangenen Bescheid der Landesberufungskommission für Niederösterreich vom 24. August 1999 wurden beide Anträge abgewiesen.
Dieser Bescheid wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 27. November 2000, B1322/00, wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor einem unparteiischen Tribunal aufgehoben.
3. Mit dem im zweiten Rechtsgang erlassenen Bescheid dieser Behörde vom 26. November 2003 (dem Beschwerdeführer zugestellt mit Einschreiben vom 29. November 2004) wurden die vom Beschwerdeführer gestellten Leistungsbegehren neuerlich abgewiesen.
Begründend wird dazu ua. Folgendes ausgeführt:
"... Der Vertragsarzt hat gem. Punkt B.2 der (nach §30 Gesamtvertrag einen Bestandteil des Gesamtvertrages und damit auch des Einzelvertrages bildenden) Honorarordnung die rechnungsmäßigen Unterlagen über die durchgeführten Behandlungen und Leistungen am Ende eines jeden Kalendervierteljahres zusammenzustellen und bis 15. des nächsten Monats der 'Gemeinsamen Verrechnungsstelle' zu übermitteln. Die Honorierung der vertragsärztlichen Tätigkeit der im Bundesland Niederösterreich niedergelassenen und in einem Vertragsverhältnis zu den im §2 des Gesamtvertrages angeführten Krankenversicherungsträgern stehenden Vertragsärzte hat nach den Bestimmungen der Honorarordnung zu erfolgen. Gem. Punkt 12 ('Laborregelung') der Allgemeinen Bestimmungen der Honorarordnung sind die Vertragsärzte verpflichtet, eine interne und externe Qualitätskontrolle für Laborleistungen durchzuführen. Laborparameter, welche einer externen Qualitätskontrolle unterzogen werden können, werden nur dann honoriert, wenn im Abrechnungszeitraum eine Bestätigung über die Teilnahme an den Rundversuchen der ÖQUASTA vorliegt. Die Ärztekammer für Niederösterreich übermittelt jeweils unmittelbar nach Quartalsende eine Liste aller Teilnehmer an den genannten Rundversuchen an die Gemeinsame Verrechnungsstelle. Vertragsärzte, welche auf der Liste nicht aufscheinen, können diese Laborleistungen nicht honoriert erhalten.
Zum Jahresende übermittelt die Ärztekammer für Niederösterreich der Gemeinsamen Verrechnungsstelle pro Arzt einen Ausdruck über jene Laborparameter, welche bei den Rundversuchen der ÖQUASTA im vergangenen Jahr wenigstens einmal im positiven Bereich lagen (2S Bereich). Ab dem ersten Quartal des folgenden Jahres können dem Vertragsarzt nur jene Laborparameter honoriert werden, welche der externen Qualitätskontrolle unterliegen und auf der genannten Liste aufscheinen. Scheint ein Laborparameter, welcher dieser externen Qualitätskontrolle unterliegt, nicht auf der 'Positivliste' auf, kann er auch nicht honoriert werden. Wird im laufenden Jahr bei einem Rundversuch der ÖQUASTA für einen derartigen Parameter ein positiver Nachweis erbracht, kann die Honorierung erst ab dem folgenden Abrechnungsguartal erfolgen (vgl. Punkt 12 h).
... Den Krankenversicherungsträger trifft gem. §338 Abs2 ASVG eine gesetzliche Verpflichtung zur Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung der Versicherten. Der Krankenversicherungsträger hat auch die ärztlichen Leistungen zu honorieren. Es liegt daher ein Interesse des Krankenversicherungsträgers an einer hohen Qualität der von ihm zu honorierenden Leistungen vor. Auch dem Vertragsarzt ist schon aus allfälligen Haftungsgründen (Maß des §1299 ABGB) an einer optimalen Qualität der von ihm zu erbringenden Leistungen gelegen. Die Verpflichtung zu interner und externer Qualitätskontrolle nach Pkt. A.12f der Honorarordnung kann daher keineswegs als nichtig angesehen werden. Angemessen und sachgerecht sowie notwendig ist auch die Betrauung einer von den Vertragsteilen unabhängigen Einrichtung zur Durchführung diese Qualitätskontrolle, wie eben der ÖQUASTA. Die sich aus den angeführten Bestimmungen ergebende Nichthonorierung von Leistungen der Vertragsärzte, welche den gestellten und vereinbarten Qualitätsanforderungen nicht entsprechen, erscheint unter Berücksichtigung des hohen Wertes der Gesundheit der Versicherten und damit im Zusammenhang mit der Erforderlichkeit richtiger und genauer Diagnosen, welche eben richtige Laborparameter zur Grundlage haben, als sachgerechtes - wenn nicht sogar einziges - Mittel zur Sicherstellung der gewünschten Qualität der erbrachten Leistungen. Nach Pkt. A.12h der Honorarordnung genügt ohnedies das Erbringen eines einzigen positiven Qualitätssicherungsbefundes je Laborparameter um diese Leistungen im Folgejahr honoriert zu erhalten. Dies bei bestehenden 4 (bzw. 6 bei Berücksichtigung des Spitalslabors) Möglichkeiten jährlich zur Teilnahme am Rundversuch. Worin hier eine gröbliche Benachteiligung des Vertragsarztes bestehen soll, ist nicht ersichtlich. Es ist daher durchaus sachgerecht und gerechtfertigt, die Honorierung eines Laborparameters an eine (!) positive Teilnahme am Rundversuch zu binden. Es ist somit auch gerechtfertigt, eine Honorierung eines Laborparameters erst mit dem auf den positiven ÖQUASTA Befund folgenden Quartal durchzuführen, weil gesamtvertraglich eine Quartalsabrechnung vorgesehen ist. Keinesfalls war somit die Antragsge[g]nerin verpflichtet, vor Vorliegen einer Bestätigung über die positive Teilnahme am Rundversuch irgendwelche diesbezüglichen Honorierungen vorab an den Antragsteller zu leisten, wie dieser noch in der Verhandlung von 26.11.2003 vermeinte. Dies würde vielmehr die (von beiden Vertragsteilen) gewünschte Qualitätssicherung konterkarieren.
Im gegenständlichen Fall wäre dem Antragsteller eine Neuanforderung von Analyseproben im Frühjahr 1997 zur Teilnahme am Rundversuch möglich gewesen, weiters auch die Teilnahme an den folgenden Versuchen. Dass der Antragsteller höchst sorglos keinerlei Evidenzhaltung oder Überwachungsmaßnahmen setzte, und zwar weder über die Teilnahme an den Rundversuchen an sich noch über die Ergebnisse derselben betrifft jedoch seine Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten. Lediglich auf Grund dieser ausschließlich in seinem Bereich gelegenen Nachlässigkeit konnte er die geforderten Nachweise hinsichtlich der Laborproben nicht erbringen.
Da somit eine Positivmeldung hinsichtlich der Teilnahme des Antragstellers am Rundversuch nicht vorlag, hat die Antragsgegnerin zu [R]echt die gegenständlichen Honorierungen nicht vorgenommen. Insbesondere war sie nicht verpflichtet, die geltend gemachten Beträge auszubezahlen und d[a]nn die Paritätische Schlichtungskommission anzurufen.
..."
4. Gegen diesen - keinem weiteren Rechtszug unterliegenden (vgl. §345 Abs3 iVm §346 Abs7 ASVG) - Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. Darin behauptet der Beschwerdeführer, in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt zu sein, und beantragt, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, ohne eine Gegenschrift zu erstatten. Die am Beschwerdeverfahren beteiligte Gebietskrankenkasse erstattete eine schriftliche Äußerung, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Beschwerdeführer brachte sodann einen Schriftsatz mit "weiterem Vorbringen" ein, dem die beteiligte Gebietskrankenkasse mit einer "ergänzenden Äußerung" entgegentrat.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Die Beschwerde rügt zunächst, dass die belangte Behörde bereits am 15. Mai 2002 über die Bescheidanträge des Beschwerdeführers entschieden habe, am 26. November 2003 jedoch - in geänderter Zusammensetzung - neuerlich zusammengetreten sei und beschlossen habe, das Verfahren neu durchzuführen. Die belangte Behörde sei vielmehr - so die Beschwerde - verpflichtet gewesen, die ursprünglich beschlossene Erledigung auszufertigen; auch habe die Behörde ihren Beschluss auf "Reassumierung" des Beschlusses vom 15. Mai 2002 rechtswidrigerweise nicht in ihrer Zusammensetzung von diesem Tag gefasst.
Mit diesem Vorbringen wird - der Beschwerde zuwider - keine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter dargetan:
Wie sich nämlich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt, wurde die Verhandlung vor der belangten Behörde in der Sitzung vom 15. Mai 2002 geschlossen; der Vorsitzende teilte den anwesenden Parteien sodann mit, dass die Entscheidung schriftlich ergehen werde. Ein Bescheid wurde in weiterer Folge aber (vorerst) nicht erlassen. Einer Neudurchführung des Verfahrens, wie sie in der Verhandlung vom 26. November 2003 beschlossen wurde, stand daher nichts im Wege: Der am 15. Mai 2002 gefasste Beschluss stellte vielmehr bloß einen internen Akt der Willensbildung dar, an den die Behörde mangels einer dies vorsehenden gesetzlichen Bestimmung noch nicht gebunden war (vgl. VwGH 17. Juli 1997, 95/09/0062; siehe auch schon VfSlg. 2654/1954, S 79). Hinzu kommt, dass eine Neudurchführung des Verfahrens im vorliegenden Fall aus verfassungsrechtlicher Sicht geboten war, waren doch mit 1. September 2002 geänderte Bestimmungen über die Zusammensetzung der belangten Behörde in Kraft getreten (vgl. dazu VfSlg. 16.907/2003).
2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift irrig einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001 16.640/2002).
Keiner dieser Mängel liegt hier vor:
2.1. Gemäß §32 Abs2 des anzuwendenden Gesamtvertrages sind "strittige" Honorarteile vom Versicherungsträger als vorläufige Zahlung anzuweisen; Honorarteile, die vom Schlichtungsausschuss (bzw. von der paritätischen Schiedskommission) rechtskräftig "gestrichen" worden sind, können bei der nächsten Honorarzahlung in Abzug gebracht werden.
Die Beschwerde wirft der belangten Behörde vor, dieser Bestimmung zu Unrecht einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt zu haben: Es könne nicht angehen, diese Bestimmung so auszulegen, dass es in das Belieben des Versicherungsträgers gestellt wäre zu entscheiden, ob einzelne Honorarteile strittig sind oder nicht; vielmehr sei das vom Arzt verrechnete Honorar diesem immer - vorerst - anzuweisen.
Die belangte Behörde hat §32 Abs2 des anzuwendenden Gesamtvertrages demgegenüber (der Sache nach) dahin ausgelegt, dass eine vorläufige Honorarzahlung dann nicht in Betracht kommt, wenn der Versicherungsträger - wie hier - schon anhand der Abrechnung und der Honorarordnung ohne besonderen Aufwand nachweisen kann, dass die Abrechnung unrichtig ist. Diese Auffassung ist aber weder denkunmöglich, noch unterstellt sie der genannten Bestimmung einen gleichheitswidrigen Inhalt (vgl. Grillberger, in: Strasser [Hrsg.], Arzt und gesetzliche Krankenversicherung [1995] 378).
2.2. Der belangten Behörde ist auch nicht entgegenzutreten, wenn sie davon ausgeht, dass es das zwischen dem Beschwerdeführer und der Gebietskrankenkasse bestehende Vertragsverhältnis nicht zulässt, den in Rede stehenden Vergütungsanspruch (auch) aus dem Titel des Bereicherungsrechtes zu erheben.
2.3. Der Beschwerdeführer wendet sich auch dagegen, dass er einerseits verpflichtet sei, alle Leistungen zu erbringen, "die auf Grund der ärztlichen Ausbildung und der dem Vertragsarzt zu Gebote stehenden Hilfsmittel" durchgeführt werden können (so §9 Abs1 der vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger erlassenen Richtlinien über die ökonomische Krankenbehandlung - RöK, aber auch §10 Abs2 des anzuwendenden Gesamtvertrages), er andererseits für diese Leistungen aber nicht entlohnt werde.
Dieses Vorbringen verkennt den Inhalt der strittigen "Laborregelung": Diese sieht nicht etwa vor, dass Vertragsärzte Leistungen unentgeltlich zu erbringen hätten, sondern sie macht bloß den vertragsärztlichen Vergütungsanspruch (unbedenklicherweise) davon abhängig, dass bestimmte Qualitätsnachweise erbracht worden sind.
2.4. Nach Lage des Falles bestand für die belangte Behörde auch kein Anlass, dem Beweisantrag des Beschwerdeführers zu entsprechen, einen Sachbefund aus dem Laborwesen einzuholen.
3. Nach Art6 Abs1 EMRK hat jedermann Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Tribunal gehört wird, das über seine zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen zu entscheiden hat.
3.1. Gemäß §345 Abs1 ASVG in der im vorliegenden Fall maßgebenden Fassung der 60. Novelle, BGBl. I Nr. 140/2002, bestehen die - für jedes Land auf Dauer zu errichtenden - Landesberufungskommissionen aus einem Richter und vier Beisitzern. Je zwei Beisitzer sind vom Bundesminister für Justiz auf Vorschlag der Österreichischen Ärztekammer und des Hauptverbandes zu bestellen. Versicherungsvertreter und Arbeitnehmer jenes Versicherungsträgers sowie Angehörige und Arbeitnehmer jener Ärztekammer, die Parteien des Gesamtvertrages sind, auf dem der strittige Einzelvertrag beruht, dürfen im jeweiligen Verfahren nicht Beisitzer sein.
3.2. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits wiederholt (zuletzt in seinem Erkenntnis vom 30. November 2004, B1121/04) dargelegt, dass Streitigkeiten aus einem Einzelvertrag zwar in den Kernbereich der von Art6 Abs1 EMRK erfassten "zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen" fallen, die (zur Entscheidung solcher Streitigkeiten in zweiter Instanz berufenen) Landesberufungskommissionen den Anforderungen des Art6 Abs1 EMRK jedoch grundsätzlich entsprechen (zur Unbedenklichkeit der Mitwirkung von Interessenvertretern an der Willensbildung dieser Behörden vgl. insbesondere VfSlg. 15.698/1999). Das - zur Gesetzeslage vor der 60. Novelle zum ASVG ergangene - Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 3. Februar 2005, Z58.141/00, Thaler/Österreich, steht dazu nicht im Widerspruch.
Da die Mitglieder der Landesberufungskommission in Ausübung ihres Amtes an keine Weisungen gebunden sind (vgl. §345 Abs3 iVm §346 Abs6 ASVG), könnte sich - wie der Verfassungsgerichtshof in den erwähnten Entscheidungen ausgeführt hat - ein Verstoß gegen Art6 Abs1 EMRK nur aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergeben, so etwa daraus, dass ein Mitglied am Zustandekommen des Gesamt- oder Einzelvertrages, dessen Gültigkeit oder Interpretation im Verfahren bestritten wird, mitgewirkt hat (vgl. VfSlg. 13.553/1993, 15.981/2000), oder sonst "besondere Umstände" vorliegen, welche die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des betreffenden Mitgliedes zur Entscheidung in bestimmten Rechtssachen mit Recht in Zweifel ziehen ließen.
Solche Umstände liegen hier nicht vor; sie könnten auch (entgegen der Beschwerde) nicht allein darin begründet sein, dass jene Ärztekammern und Versicherungsträger, denen die Beisitzer der belangten Behörde angehören, Gesamtverträge mit Bestimmungen geschlossen haben, die den im vorliegenden Fall strittigen gleichen.
3.3. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich daher nicht veranlasst, die Bestimmung des §345 Abs1 ASVG (idF der 60. Novelle) - wie in der Beschwerde angeregt - einem Gesetzesprüfungsverfahren zu unterziehen.
4. Die behaupteten Rechtsverletzungen liegen somit nicht vor. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden wäre.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie vorliegend - gegen den Bescheid einer sogenannten Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag richtet, der gemäß Art133 Z4 B-VG nicht mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden kann (zB VfSlg. 3975/1961, 6760/1972, 7121/1973, 7654/1975, 9541/1982 mwN).
5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Kollegialbehörde, Sozialversicherung, Ärzte, BehördenzusammensetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2005:B1548.2004Dokumentnummer
JFT_09949073_04B01548_00