RS Vfgh 2002/10/10 G42/02 ua

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Veröffentlicht am 10.10.2002
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Index

66 Sozialversicherung
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
BSVG §255 Abs21
BSVG §280 Abs2 Z1 idF 24. BSVG-Nov, BGBl I 101/2001
VfGG §62 Abs1

Leitsatz

Verletzung des Gleichheitsrechtes durch die rückwirkende Beseitigung einer Bestimmung im Sozialversicherungsrecht der Bauern betreffend den Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit; keine sachliche Rechtfertigung eines derart plötzlichen und intensiven Eingriffs in erworbene Rechtspositionen

Rechtssatz

Gerichtsanträge auf Aufhebung des §280 Abs2 Z1 BSVG idF 24. BSVG-Nov, BGBl I 101/2001, nur teilweise zulässig.

Die Bedenken der antragstellenden Gerichte richten sich - darin dem "Leitantrag" des OGH zu G42/02 folgend - ausschließlich gegen die in dem (am 07.08.01 kundgemachten) §280 Abs2 Z1 BSVG angeordnete Rückwirkung der Aufhebung des §255 Abs21 BSVG. Gegen die Abschaffung der zuletzt erwähnten Übergangsregelung mit Ablauf des Tages der Kundmachung der 24. Novelle zum BSVG werden verfassungsrechtliche Bedenken nicht vorgetragen.

Es kann auch keine Rede davon sein, daß §280 Abs2 Z1 BSVG insoweit eine untrennbare Einheit bildet, daß daraus die Wortfolge "rückwirkend mit Ablauf des 30. Juni 2000" nicht gesondert aufgehoben werden könnte. Es bliebe danach vielmehr kein Torso, sondern ein dem Gesetzgeber durchaus zusinnbares Ergebnis, nämlich die Aufhebung des §255 Abs21 BSVG übrig, die - mangels einer nach Aufhebung der bezeichneten Wortfolge anders lautenden gesetzlichen Anordnung - als mit Ablauf des 07.08.01 in Kraft getreten gälte.

Aufhebung der Wortfolge "rückwirkend mit Ablauf des 30. Juni 2000" in §280 Abs2 Z1 BSVG idF 24. BSVG-Nov, BGBl I 101/2001.

Die Rückwirkung der Aufhebung des §255 Abs21 BSVG betreffend den Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit trifft ausschließlich jenen Personenkreis, der in der Zeit vor der Kundmachung der 24. Novelle zum BSVG einen Pensionsantrag gestützt auf diese Bestimmung gestellt und die Anspruchsvoraussetzungen tatsächlich erfüllt hat.

Mit der Erreichung der Altersgrenze und der Antragstellung war ein Pensionsanspruch nach §255 Abs21 iVm §122c (alt) BSVG in jedem von der Rückwirkung der Aufhebung betroffenen Fall bereits effektuiert und bedurfte lediglich noch der bescheidmäßigen Erledigung.

Die rückwirkende Aufhebung des §255 Abs21 BSVG bewirkte daher nicht etwa (bloß) eine Enttäuschung einer Erwartungshaltung oder von Dispositionen, die im Hinblick auf die erworbene Anwartschaft bereits vorgenommen wurden (vgl. dazu etwa VfSlg. 11.288/1987, 11.665/1988), sondern sie beseitigte bereits entstandene (und bloß noch nicht bescheidmäßig zuerkannte) Ansprüche.

Gerade die Rückwirkungsanordnung führte zu einer unsachlichen Verschiedenbehandlung jener Personen, deren auf §255 Abs21 BSVG gestütztes Pensionsverfahren im Zeitpunkt der Kundmachung der 24. Novelle zum BSVG (zufällig) bereits abgeschlossen gewesen ist, im Verhältnis zu jenen, die noch nicht im Besitz eines Zuerkennungsbescheides waren oder denen seitens der Sozialversicherungsanstalt im Hinblick auf die beabsichtigte gesetzgeberische Maßnahme einfach kein Zuerkennungsbescheid ausgestellt wurde.

Kein Vorliegen eines Redaktionsversehens.

Die rückwirkende Beseitigung des §255 Abs21 BSVG führte zu einem derart plötzlichen und intensiven Eingriff in erworbene Rechtspositionen, der einem Eingriff in eine bereits angefallene Pensionsleistung zwar noch nicht gleich-, aber doch in einer Weise nahekommt, daß die gesetzgeberische Maßnahme aus verfassungsrechtlicher Sicht besonders schwerwiegender Gründe zu ihrer Rechtfertigung bedarf.

Erstreckung der Anlaßfallwirkung auf näher bezeichnete, beim OGH und einigen Oberlandesgerichten anhängige Verfahren.

Entscheidungstexte

  • G 42/02 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 10.10.2002 G 42/02 ua

Schlagworte

Sozialversicherung, Pensionsversicherung, Arbeitsfähigkeit geminderte, Frühpension, Vertrauensschutz, VfGH / Anlaßverfahren, VfGH / Bedenken, VfGH / Prüfungsumfang, Rückwirkung, Übergangsbestimmung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:G42.2002

Dokumentnummer

JFR_09978990_02G00042_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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