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97 VergabewesenNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung von Anträgen auf Nichtigerklärung des Widerrufs einer Zuschlagserteilung; Verstoß gegen das Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung innerstaatlichen Rechts; Zuständigkeit des Bundesvergabeamtes auch zur Überprüfung des Widerrufs eines Vergabeverfahrens bei richtlinienkonformer Interpretation des BundesvergabegesetzesRechtssatz
Aufgrund des aus Art10 EG abzuleitenden Gebots richtlinienkonformer Interpretation innerstaatlichen Rechts sind alle nationalen Gerichte verhalten, das zur Umsetzung einer Richtlinie erlassene nationale Recht in deren Lichte und Zielsetzung auszulegen.
Diese Verpflichtung trifft auch den Verfassungsgerichtshof, der folglich einen offenkundig gewordenen Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht im Sinne der effektiven Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts in jedem Stadium des Verfahrens zu beachten hat, und zwar auch dann, wenn die Nichtanwendbarkeit einer innerstaatlichen Norm erst im Zuge des Verfahrens vor ihm offenkundig wird (vgl VfSlg 15448/1999).
Durch das Urteil des EuGH vom 18.06.02, RS C-92/00, Hospital Ingenieure Krankenhaustechnik Planungsgesellschaft mbH, ist nunmehr klargestellt, dass der Widerruf des Vergabeverfahrens eine Entscheidung des Auftraggebers darstellt, die in einem Nachprüfungsverfahren überprüft und gegebenenfalls aufgehoben werden können muss. Der Annahme einer - dem Rechnung tragenden richtlinienkonformen - Zuständigkeit des Bundesvergabeamtes (BVA) steht vorliegendenfalls nur die Wendung "oder nach Abschluss des Vergabeverfahrens" in §113 Abs3 BundesvergabeG entgegen, die das BVA im Zusammenhalt mit §56 Abs1 BundesvergabeG dahin gedeutet hat, dass es zur Nichtigerklärung des Widerrufs nicht befugt wäre und eine solche Zuständigkeit selbst im Bewusstsein um das Erfordernis einer "richtlinienkonformen Interpretation" nicht begründet werden könnte. Das BVA hätte seine Zuständigkeit ohne weiteres wahrnehmen können, indem es die Wortfolge des §113 Abs3 BundesvergabeG in gemeinschaftsrechtskonformer Interpretation so verstanden hätte, dass der Widerruf nicht als Fall des dort genannten "Abschlu[sses] des Vergabeverfahrens" zu qualifizieren gewesen wäre.
Behauptete Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zur Nichtigerklärung eines Widerrufs unerheblich angesichts des Erfordernisses eines effektiven Rechtsschutzes durch eine entsprechend eingerichtete Behörde.
Abweisung der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. betr Zurückweisung des Antrags auf Zuschlagserteilung.
Keine Bedenken gegen §113 Abs2 BundesvergabeG bei richtlinienkonformer Interpretation des Abs3.
siehe auch B v 11.12.02, B1167/01.
Kostenzuspruch in Höhe des vollen Pauschalkostenersatzes trotz teilweiser Abweisung der Beschwerde.
Bei Zuspruch des vollen Pauschalkostenersatzes ließ sich der Verfassungsgerichtshof von der Erwägung leiten, dass die beschwerdeführenden Gesellschaften zum allergrößten Teil erfolgreich waren.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Auslegung gemeinschaftsrechtskonforme, Bescheid Trennbarkeit, EU-Recht Richtlinie, Rechtsschutz, Vergabewesen, VfGH / Kosten, VfGH / PrüfungsmaßstabEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:B1160.2000Dokumentnummer
JFR_09978872_00B01160_01