RS Vfgh 2002/11/29 A9/01

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Veröffentlicht am 29.11.2002
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Index

30 Finanzverfassung, Finanzausgleich
30/01 Finanzverfassung

Norm

B-VG Art137 / Klage zw Gebietsk
AVG §76 Abs5
AVG §76a
F-VG 1948 §2

Leitsatz

Stattgabe einer Klage des Landes Vorarlberg gegen den Bund auf Rückerstattung der vom Unabhängigen Verwaltungssenat im Zuge von Verwaltungsstrafverfahren aus dem Bundesvollzugsbereich entrichteten Sachverständigen-, Dolmetscher- und Zeugengebühren; Tätigkeit der UVS in den Ländern funktionell je nach dem Vollzugsbereich dem Bund oder Land zuzuordnen; Kostentragungspflicht des Bundes hinsichtlich von Angelegenheiten des Vollzugsbereiches des Bundes mangels vom Finanzverfassungsgesetz abweichender Kostentragungsregel; auch Vorschriften des AVG über die Kostentragung von Dolmetscher- und Zeugengebühren keine abweichenden Regelungen

Rechtssatz

Der Verfassungsgerichtshof teilt nicht die Auffassung, daß der Umstand der Weisungsfreiheit bei der Besorgung von Aufgaben, die bei nicht weisungsfreier Besorgung als mittelbare Verwaltung anzusehen wären, notwendigerweise zu einem Wechsel der Verbandszuständigkeit derart führt, daß nunmehr unmittelbare Verwaltung seitens jener Gebietskörperschaft anzunehmen ist, der die zur Aufgabenwahrnehmung berufene Behörde organisatorisch zuzuordnen ist.

Die UVS werden in den Ländern unstrittig auch in Angelegenheiten tätig, die an sich dem Vollzugsbereich des Bundes zuzurechnen sind. Handelte es sich bei der Tätigkeit der UVS demnach um eine weisungsgebundene Tätigkeit, könnte auf dem Boden der Judikatur zu §2 F-VG 1948 kein Zweifel bestehen, daß insoweit der Bund verpflichtet wäre, den konkreten Sachaufwand und den Zweckaufwand zu tragen (zu ersetzen). Wird nun aus Gründen, die (lediglich) im Zusammenhang mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art6 EMRK stehen, eine generelle Weisungsfreiheit der Mitglieder dieser Behörden statuiert (ohne sie aber zu dem Bund zugeordneten Gerichten iSd Art82 Abs1 B-VG zu machen), bedeutet dies unter dem Blickwinkel des §2 F-VG 1948, daß bei der Beantwortung der Kostentragungsfrage die Weisungsfreiheit - da sie gegenüber Bundes- und Landesorganen gleichermaßen besteht - unbeachtlich bleiben muß, weil sie dann für die Aufgabenzuordnung ohne jeden Begründungswert ist.

Gleichgültig, ob man von einer Unbeachtlichkeit der Weisungsfreiheit ausgeht oder ob man von dem Weisungszusammenhang hinsichtlich der zugrundeliegenden Angelegenheit ausgeht: in beiden Fällen ergibt sich, daß die Tätigkeit der UVS in den Ländern aus der Sicht des §2 F-VG 1948 funktionell je nachdem, in welchem Bereich sie tätig werden, entweder dem Bund oder dem Land zuzuordnen ist.

Für die Kostentragungs- bzw -ersatzpflicht folgt daraus, daß diese - sollte eine abweichende Kostentragungsregel nicht existieren - den Bund insoweit trifft, als die UVS in den Ländern in Angelegenheiten tätig werden, die nach den Zuständigkeitsregeln des B-VG in den Vollzugsbereich des Bundes fallen.

Im vorliegenden Verfahren wurde nicht bestritten, daß der Vollzug des Lebensmittelgesetzes sowie des Aidsgesetzes dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen und der Vollzug des Ausländerbeschäftigungsgesetzes dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit obliegt.

Weder §76 Abs5 noch §76a AVG läßt sich in der hier strittigen Frage eine abweichende Kostentragungsregelung entnehmen. Diese Normen stehen der hier entwickelten Rechtsauffassung keinesfalls entgegen, da sie eine funktionelle Aufspaltung der Tätigkeit der UVS in den Ländern jedenfalls erlauben.

Entscheidungstexte

  • A 9/01
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 29.11.2002 A 9/01

Schlagworte

Finanzverfassung, Finanzausgleich, Kostentragung, Unabhängiger Verwaltungssenat, Verwaltungsverfahren, VfGH / Klagen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:A9.2001

Dokumentnummer

JFR_09978871_01A00009_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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