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82 GesundheitsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Arzt wegen unterlassener Aufklärung der Patientin über die Anwendung einer nicht etablierten experimentellen Methode bei einer Brustkrebsoperation; keine Verletzung von Angeklagtenrechten durch Nichteinvernahme eines Zeugen; hinreichende Befassung mit SachverständigengutachtenSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Disziplinarsenates der Österreichischen Ärztekammer beim Bundesministerium für Gesundheit und Frauen wurde der Beschwerdeführer, ein Facharzt für Chirurgie, eines Disziplinarvergehens gemäß §136 Abs1 Z2 ÄrzteG 1998 durch Verletzung seiner Berufspflicht zur Gewissenhaftigkeit (§49 Abs1 leg.cit.) für schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe in Höhe von € 2.000,-- sowie zum Ersatz der Kosten des Disziplinarverfahrens verurteilt.
Dem Beschwerdeführer wird zur Last gelegt, einer an Brustkrebs erkrankten Patientin zu einer subkutanen Kryoexstirpation geraten und sie auch nach dieser Methode operiert zu haben, ohne sie darüber aufzuklären, dass es sich dabei um eine nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft nicht etablierte experimentelle Methode handle.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 B-VG, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt wird.
3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber abgesehen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Der Beschwerdeführer behauptet zunächst eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein faires Verfahren. Die von ihm behandelte Patientin sei zwar im Vorverfahren als Zeugin einvernommen worden, ihm sei jedoch keine Gelegenheit gegeben worden, sie selbst zu befragen bzw. durch seinen Rechtsvertreter befragen zu lassen. Der Ehemann der Patientin sei trotz entsprechenden Antrags des Beschwerdeführers im Verfahren überhaupt nicht einvernommen worden.
Der Beschwerdeführer hatte in seiner Berufung die Einvernahme der Patientin und ihres Ehemannes zum Beweis dafür beantragt, dass er nie gesagt habe, seine Behandlungsmethode sei "neu" und "sehr berühmt". Eine solche Aussage war ihm von der Disziplinarbehörde erster Instanz vorgeworfen worden. Die belangte (Berufungs-)Behörde maß jedoch diesem Umstand keine entscheidungsrelevante Bedeutung zu, sondern erachtete vielmehr den unbestrittenen Umstand als wesentlich, dass der Beschwerdeführer den kryochirurgischen Eingriff durchaus als "etabliert" beurteilt und folglich seine Patientin nicht hinreichend darüber aufgeklärt hat, dass es sich dabei (noch) um eine Außenseitermethode handelt.
Schon deshalb kann der Behörde somit wegen der Nichteinvernahme der genannten Zeugen eine Verletzung des Art6 EMRK nicht vorgeworfen werden.
2. Weiters behauptet der Beschwerdeführer eine willkürliche Vorgehensweise der Behörde insofern, als ein ordentliches Ermittlungsverfahren unterblieben sei: Die Behörde habe sich mit der Frage der Etabliertheit der Kryochirurgie nicht ausreichend befasst. Sie habe zwar einen Sachverständigen bestellt, dieser sei jedoch kein Experte auf dem Gebiet der Kryochirurgie. Es wäre daher nach Auffassung des Beschwerdeführers geboten gewesen, einen weiteren Sachverständigen zu bestellen.
Die Behörde hat sich in ihrem Bescheid ausführlich mit dem Gutachten und dem - als Antwort auf eine darauf bezogene Stellungnahme des Beschwerdeführers ergangenen - Ergänzungsgutachten des bestellten Sachverständigen für Chirurgie befasst und plausibel dargelegt, weshalb ihrer Ansicht nach die Bestellung eines weiteren Sachverständigen nicht erforderlich war. Eine nachvollziehbare Konkretisierung von fachlichen Mängeln in den Ausführungen des Sachverständigen sei seitens des Beschwerdeführers nicht erfolgt; die Beurteilung der allgemeingültigen "Etablierung" einer bestimmten Methode obliege zudem prinzipiell nicht primär dem Kreis der methodischen Initiatoren.
Selbst wenn es zutreffen mag, dass die Einholung eines weiteren Gutachtens von einem auch mit den Methoden der Kryochirurgie vertrauten Experten einer anderen Fakultät zur Vertiefung der Fragestellung und zur Verbreiterung der Sachverhaltsgrundlagen von Vorteil gewesen wäre, reicht diese Unterlassung - vor dem Hintergrund des vorliegenden Sachverhalts - nicht in die Verfassungssphäre.
Ein willkürliches Vorgehen ist der Behörde in diesem Zusammenhang nicht vorzuwerfen.
3. Die behaupteten Verfassungsverletzungen liegen somit nicht vor. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Ob der angefochtene Bescheid aber in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen; und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. VfSlg. 9454/1982, 12.697/1991, 15.473/1999).
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
III. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Ärzte, Disziplinarrecht, Verwaltungsverfahren, Beweise, SachverständigeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2005:B189.2005Dokumentnummer
JFT_09949073_05B00189_00