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98 WohnbauNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Verletzung des Gleichheitssatzes durch die Festsetzung eines rückwirkenden Stichtages für den Verlust des Gemeinnützigkeitsstatus von im Eigentum von Gebietskörperschaften stehenden gemeinnützigen Bauvereinigungen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft; gravierender Eingriff in die rechtlichen Dispositionsmöglichkeiten und in die wirtschaftliche Substanz der betroffenen UnternehmungenRechtssatz
Zulässigkeit eines sogenannten "Drittelantrags" von Abgeordneten, eingebracht von mehr als einem Drittel der Mitglieder des Nationalrates, auf Aufhebung einer Bestimmung im WohnungsgemeinnützigkeitsG trotz zwischenzeitig stattgefundener Neuwahl des Nationalrates (wie E v 07.12.02, G85/02).
Ausreichende Darlegung der Bedenken, nur hinsichtlich einer Verletzung des Gleichheitssatzes.
Aufhebung des §39 Abs6a WohnungsgemeinnützigkeitsG, BGBl 139/1979, idF Art12 Z1 BudgetbegleitG 2002, BGBl I 47/2001, und ArtIV Abs1g WohnungsgemeinnützigkeitsG idF ArtV Z12 WohnungseigentumsbegleitG 2002, BGBl I 71.
Die Einführung der Bestimmung des §39 Abs6a WohnungsgemeinnützigkeitsG durch das BudgetbegleitG 2001 bewirkte, dass ausschließlich im Eigentum von Gebietskörperschaften stehende gemeinnützige Bauvereinigungen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft (und deren gemeinnützige Tochtergesellschaften, sofern sie zur Gänze in ihrem Eigentum stehen) im Hinblick auf die Möglichkeit, den Status der Wohnungsgemeinnützigkeit zu verlieren (und damit insbesondere auch von den Vorschriften über die Vermögenssicherung freigestellt zu werden), anders behandelt werden als sonstige gemeinnützige Bauvereinigungen, also Genossenschaften oder Kapitalgesellschaften, an denen zur Gänze oder teilweise andere Personen (des privaten oder des öffentlichen Rechts) beteiligt sind.
Während gemeinnützige Bauvereinigungen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft, die nicht im ausschließlichen Eigentum von Gebietskörperschaften stehen und gemeinnützige Bauvereinigungen in der Rechtsform einer Genossenschaft in ihrem rechtlichen Status nach dem WohnungsgemeinnützigkeitsG unberührt bleiben, verloren gemeinnützige Kapitalgesellschaften, die im ausschließlichen Eigentum von Gebietskörperschaften stehen, ihren Gemeinnützigkeitsstatus, sofern sie bis Ende März 2001 eine Optionserklärung für den Verbleib im Gemeinnützigkeitsstatus nicht abgegeben haben.
Durch die bekämpfte Neufassung des §39 Abs6a WohnungsgemeinnützigkeitsG durch das BudgetbegleitG 2002 wurde nun rückwirkend (ArtIV Abs1g WohnungsgemeinnützigkeitsG zunächst idF des BudgetbegleitG 2002, nunmehr idF des WohnungseigentumsbegleitG 2002, BGBl I 71) ein (in der Vergangenheit gelegener) Stichtag eingeführt. Die - erstmals am 08.05.01 verlautbarte - Vorschrift stellt nun darauf ab, ob eine gemeinnützige Kapitalgesellschaft am 23.11.00 im ausschließlichen Eigentum einer Gebietskörperschaft gestanden ist:
war dies der Fall, so wurden für diese Unternehmung durch die bekämpfte Bestimmung beide Möglichkeiten beseitigt, den Gemeinnützigkeitsstatus zu erhalten: Einerseits ergibt sich nämlich aus dieser Regelung, dass ein Eigentümerwechsel von einer Gebietskörperschaft zu einer anderen Person nach dem Stichtag 23.11.00 nicht mehr zur Beibehaltung des Gemeinnützigkeitsstatus führte und andererseits wurde derartigen Unternehmungen die Möglichkeit genommen, durch Optionserklärung den Gemeinnützigkeitsstatus zu erhalten, da eine solche Erklärung bis zum 31.03.01 abzugeben gewesen wäre, die Vorschrift aber erst am 08.05.01 im Bundesgesetzblatt kundgemacht wurde.
Für die von dieser Regelung betroffenen Unternehmungen stellt das einen gravierenden Eingriff dar, der sie in ihren rechtlichen Dispositionsmöglichkeiten und in ihrer wirtschaftlichen Substanz einschneidend getroffen hat. Es ist sachlich nicht gerechtfertigt jenen Unternehmungen, die im Vertrauen auf die durch das BudgetbegleitG 2001 geschaffene Rechtslage entsprechende Dispositionen getroffen haben, indem sie etwa einen Eigentümerwechsel vorgenommen oder eine Optionserklärung vorbereitet haben, die Möglichkeit der Beibehaltung des Gemeinnützigkeitsstatus - anders als allen anderen gemeinnützigen Wohnungsunternehmungen - zu nehmen.
Behauptete Absichten des Gesetzgebers im Normtext weder enthalten noch im Interpretationsweg erschließbar.
Wiederinkrafttreten des §39 Abs6a WohnungsgemeinnützigkeitsG idF BudgetbegleitG 2001.
Der durch das BudgetbegleitG 2001 offenkundig gewordenen Absicht des Gesetzgebers, den Gebietskörperschaften zu ermöglichen, Mittel aus Verkäufen von Objekten gemeinnütziger Bauvereinigungen, die in ihrem Eigentum oder in dem ihrer 100%igen gemeinnützigen Tochtergesellschaften stehen, zur Budgetkonsolidierung zu verwenden, war nur soweit entgegenzutreten, als dies aus dem Blickwinkel des vorliegenden Antrags geboten ist. Die aufgeworfenen Bedenken richten sich aber nur gegen die rückwirkende Einführung eines vor Geltungsbeginn des Gesetzes liegenden Stichtags, nicht aber gegen die Regelung im Übrigen, also der Sache nach auch nicht gegen die Bestimmung des §39 Abs6a idF des BudgetbegleitG 2001, BGBl I 142/2000, der die Rechtsgrundlage dafür ist, dass die dort näher umschriebenen Bauvereinigungen in Ermangelung einer gegenteiligen Erklärung als nicht mehr gemeinnützig anerkannt gelten. Das Wieder-in-Kraft-Treten dieser Bestimmung war daher nicht auszuschließen, was nach Art140 Abs6 letzter Satz B-VG klarzustellen war.
Schlagworte
Vertrauensschutz, VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / Bedenken, Wohnungsgemeinnützigkeitsrecht, RückwirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:G296.2002Dokumentnummer
JFR_09978795_02G00296_01