RS Vfgh 2002/12/12 G194/02, V45/02

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 12.12.2002
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Index

14 Organisationsrecht
14/02 Gerichtsorganisation

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
DSG §11, §12
EO §73a
GOG 1896 §89e
Verordnung des Bundesministers für Justiz über die elektronische Einsicht in Geschäftsbehelfe des Exekutionsverfahrens BGBl 498/1996 §1

Leitsatz

Einstellung des von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens zur Prüfungeiner Bestimmung im Gerichtsorganisationsgesetz betreffend dieNichtanwendbarkeit einer Normierung des Datenschutzgesetzes über dieLöschung von Daten bei der Verknüpfung personenbezogener Daten imelektronischen Rechtsverkehr wegen denkunmöglicher Anwendung dieserBestimmung durch die Datenschutzkommission; auch elektronischeEinsicht in Geschäftsbehelfe gerichtlicher Verfahren Angelegenheitder Gerichtsbarkeit so wie Akteneinsicht; Einsichtgewährung inNamensverzeichnisse im Exekutionsverfahren jedoch keine Angelegenheitder unabhängigen Rechtsprechung; Gesetzwidrigkeit von Teilen derVerordnung über die elektronische Einsicht in die Namensverzeichnisseder verpflichteten Parteien wegen Widerspruchs zum Tatbestand derSicherung vor Mißbrauch in der Exekutionsordnung infolge derVerpflichtung zur unveränderten Einsichtgewährung in der Dauer vonmindestens vierzehn Monaten

Rechtssatz

Einstellung des von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens zur Prüfung eines Satzteiles in §89e Abs1 GOG 1896 betreffend die Nichtanwendbarkeit des §12 DSG über die Löschung von Daten bei der Verknüpfung personenbezogener Daten im elektronischen Rechtsverkehr wegen denkunmöglicher Anwendung dieser Bestimmung durch die Datenschutzkommission.

Die belangte Behörde hat den Antrag des Beschwerdeführers auf Löschung aus einem Register gemäß §73a EO mit dem Hinweis auf §89e GOG abgewiesen.

§89e Abs1 GOG ist nur auf die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem elektronischen Rechtsverkehr stehende Verknüpfung von personenbezogenen Daten (zB die Aufnahme in das Übermittlungsprotokoll und den Verfahrensakt) anzuwenden, nicht aber auf die Verknüpfung von personenbezogenen Daten aus dem automationsunterstützt geführten E-Register (hier zum Namensverzeichnis der verpflichteten Parteien).

Die Einsichtgewährung in die Geschäftsbehelfe gerichtlicher Verfahren ist ebenso wie die Einsicht in die Akten gerichtlicher Verfahren dem Bereich der unabhängigen Rechtsprechung zuzuordnen (siehe VfGH v 13.10.93, G248/91, V190/91, zur Akteneinsicht bei Gericht).

Gegen die Ablehnung der Akteneinsicht steht - soweit nicht allgemeine verfahrensrechtliche Rechtsmittelbeschränkungen greifen - der Instanzenzug offen (RZ 1993/76). Da die ADV-Register alle wesentlichen Aktendaten (und nur solche) enthalten, wäre es sachlich nicht begründbar und widerspräche somit dem dem Gleichheitsgebot immanenten Sachlichkeitsgebot, die Einsicht in Registerdaten anders zu behandeln. Dies gilt auch für die Einsicht in Geschäftsbehelfe, weil auch diese lediglich Registerdaten enthalten. Die Einsichtgewährung in Akten, Register und Geschäftsbehelfe ist daher jedenfalls der Rechtsprechung zuzurechnen.

Zulässigkeit des von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens zur Prüfung von Teilen der Verordnung des Bundesministers für Justiz über die elektronische Einsicht in Geschäftsbehelfe des Exekutionsverfahrens BGBl 498/1996; Einsichtgewährung in solche Geschäftsbehelfe keine Angelegenheit der unabhängigen Rechtsprechung.

Es geht hier allein um die - durch §73a EO und durch die auf Grund dieser gesetzlichen Bestimmung vom Bundesminister für Justiz erlassene Verordnung detailliert geregelte - mittels elektronischer Datenübermittlung erfolgende Einsicht durch einen näher bestimmten Kreis von Abfrageberechtigten in die Namensverzeichnisse (der verpflichteten Parteien) des Exekutionsverfahrens, deren Daten durch ein Computerprogramm automatisch generiert werden. Die solcherart geregelte Einsichtnahme in ein bei Gericht geführtes Register unterscheidet sich wesentlich von der Gewährung von Akteneinsicht bzw von der Abschriftnahme im zivilgerichtlichen Verfahren an bzw durch dritte, am Verfahren nicht beteiligte Personen und der damit verbundenen "Möglichkeit eines zu klärenden und abzuwägenden Interessengegensatzes zwischen Verfahrensparteien und dem Akteneinsicht verlangenden Dritten", die den Gegenstand des Erkenntnisses VfGH 13.10.93, G248/91, V190/91, bildeten.

§1 Abs1 Z1 und Abs2 Z1 der Verordnung des Bundesministers für Justiz über die elektronische Einsicht in Geschäftsbehelfe des Exekutionsverfahrens BGBl 498/1996 wird als gesetzwidrig aufgehoben.

§73a Abs1 EO ist im Hinblick auf den Tatbestand "unter Bedachtnahme

auf ... eine Sicherung vor Mißbrauch" dahingehend zu verstehen, dass

der Bundesminister für Justiz danach im Verordnungswege jene Regelungen zu erlassen hat, die dem Anliegen des Betroffenen Rechnung tragen, hinsichtlich der elektronischen Einsicht Dritter in die ihn betreffenden personenbezogenen Daten (hier: der Namensverzeichnisse) die Richtigstellung, worunter auch die Ergänzung personenbezogener Daten für Zwecke der elektronischen Einsicht verstanden werden kann (vgl etwa VfGH 16.03.01, G94/00) oder Löschung, hier im Sinne eines Ausschlusses der elektronischen Einsicht in die in Rede stehenden personenbezogenen Daten, erwirken zu können. Die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen sind daher insoferne gesetzeswidrig, als sie eine derartige Ergänzung bzw einen solchen Ausschluss von der elektronischen Einsicht (vor Ablauf der mindestens 14-monatigen Frist) ausschließen und somit gebieten, dass in die - oben genannten - Daten des Namensverzeichnisses durch mindestens 14 Monate hindurch auch dann noch Einsicht zu gewähren ist, wenn sich der Aussagewert dieser Daten, etwa aus den oben genannten Gründen bereits geändert hat.

Anlassfall: E v 12.12.02, B1224/00 - Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Entscheidungstexte

  • G 194/02,V 45/02
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 12.12.2002 G 194/02,V 45/02

Schlagworte

Datenschutz, EDV, Exekutionsrecht, Gericht, Justizverwaltung -Gerichtsbarkeit, VfGH / Präjudizialität, Zivilprozeß, Akteneinsicht,Rechtsverkehr elektronischer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:G194.2002

Zuletzt aktualisiert am

13.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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