RS Vfgh 2003/2/25 B1638/02

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Veröffentlicht am 25.02.2003
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art83 Abs2
ASVG §347 Abs4, Abs6
AVG §33 Abs3
Schiedskommissionsverordnung, BGBl 128/1991 §4, §5

Leitsatz

Ausreichend präzise Festlegung der Behördenzuständigkeit im Sinne des Legalitätsprinzips und des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Regelung über die Führung des Vorsitzes und der Kanzleigeschäfte der paritätischen Schiedskommission im ASVG und in der Schiedskommissionsverordnung; keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Zurückweisung einer zu Unrecht an die Oö Gebietskrankenkasse adressierten und von dieser erst nach Ablauf der Berufungsfrist an die Ärztekammer weitergeleiteten Berufung als verspätet

Rechtssatz

Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Regelung über die Führung des Vorsitzes und der Kanzleigeschäfte der paritätischen Schiedskommission in §4 und §5 der Schiedskommissionsverordnung; ausreichende Bestimmtheit des §347 Abs6 ASVG und der Schiedskommissionsverordnung.

Art18 iVm Art83 Abs2 B-VG verpflichtet den Gesetzgeber zu einer - strengen Prüfungsmaßstäben standhaltenden - präzisen Regelung der Behördenzuständigkeit (vgl auch VfSlg 3994/1961, 5698/1968, 9937/1984, 10311/1984, 13029/1992, 13816/1994).

Welche Stelle als Geschäftsstelle der paritätischen Schiedskommission gilt, kann dem Gesetz sowie der Schiedskommissionsverordnung mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden.

§347 Abs6 ASVG und die hiezu ergangenen Bestimmungen der Schiedskommissionsverordnung regeln keineswegs die Zuständigkeit der paritätischen Schiedskommission (oder der Landesberufungskommission), sondern legen bloß die zuständige Geschäftsstelle dieser Behörden fest. Es ist somit ausgeschlossen, diese Bestimmungen an Art83 Abs2 B-VG zu messen.

Diese Vorschriften erwecken auch nicht etwa insofern verfassungsrechtliche Bedenken, als - wie die Beschwerde vertritt - durch den jährlichen Wechsel der Geschäftsstelle (hier: kein Wechsel während der Berufungsfrist) eine für den Bürger "unerträgliche Situation" geschaffen werde, weil während eines laufenden Verfahrens eine Änderung der Zuständigkeit eintreten und es so zu einer Fristversäumnis kommen könne.

Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und im Gleichheitsrecht durch die Zurückweisung einer zu Unrecht an die Oö Gebietskrankenkasse adressierten und von dieser erst nach Ablauf der Berufungsfrist an die Ärztekammer weitergeleiteten Berufung als verspätet.

Wird ein Rechtsmittel bei der unzuständigen Behörde eingebracht, so ist die Frist nur gewahrt, wenn die unzuständige Behörde das Rechtsmittel zur Weiterleitung an die zuständige Stelle spätestens am letzten Tag der Frist zur Post gibt (vgl VwSlg 9563 A/1978) oder der zuständigen Stelle übergibt (s auch VfSlg 14931/1997 mwN).

Die Tage des Postenlaufes werden nur dann nicht in die Frist eingerechnet, wenn das Schriftstück an die zuständige Behörde richtig adressiert ist, dh mit der zutreffenden Anschrift dieser Behörde versehen ist. Etwas anderes könnte bloß gelten, wenn ein - an die zuständige Behörde gerichtetes - Schriftstück zwar bei einer unzuständigen Behörde eingebracht wird, beide Behörden aber über eine gemeinsame Einlaufstelle verfügen (vgl den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 25.03.94, Z94/02/0076). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor: §347 Abs6 ASVG bestimmt vielmehr, daß die paritätische Schiedskommission über zwei verschiedene - kalenderjährlich wechselnde - Geschäftsstellen verfügt.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Behördenzuständigkeit, Determinierungsgebot, Sozialversicherung, Ärzte, Verwaltungsverfahren, Fristen, VfGH / Prüfungsmaßstab

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:B1638.2002

Dokumentnummer

JFR_09969775_02B01638_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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