RS Vfgh 2003/3/5 G210/02

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 05.03.2003
beobachten
merken

Index

50 Gewerberecht
50/01 Gewerbeordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
GewO 1994 §74 Abs2
GewO 1994 §77 Abs3, Abs4
GewO 1994 §81 Abs2 Z7
GewO 1994 §69a
GewO 1994 §359b

Leitsatz

Keine sachliche Rechtfertigung für den Entfall der Genehmigungspflicht bei Änderung von vereinfacht genehmigten Betriebsanlagen wegen Fehlens eines Verfahrens zum Schutz bestimmter Rechtsgüter, hier des Immissionsschutzes der Nachbarn, der Luftreinhaltung und der Abfallvermeidung; unsachliche Differenzierung im Hinblick auf den sonst auch für das vereinfachte Betriebsanlagengenehmigungsverfahren vom Gesetzgeber geschaffenen Standard

Rechtssatz

Präjudizialität einer Gesetzesbestimmung in einem auf Antrag des Verwaltungsgerichtshofes eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren trotz Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens durch die vor dem VwGH belangte Behörde.

Die vor dem Verwaltungsgerichtshof belangte Behörde stützt sich bei ihrer Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens wesentlich darauf, dass die Nichteinhaltung der in der Betriebsbeschreibung genannten Betriebszeiten keine Änderung des Charakters der Anlage im Sinne des §81 Abs2 Z7 GewO 1994 darstellt.

§81 Abs2 Z7 GewO 1994 wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Da §81 Abs2 Z7 GewO 1994 in Zusammenhalt mit der durch das Bundesgesetz BGBl I 63/1997 abgeänderten Fassung des §359b Abs1 Z2 GewO 1994 für die Änderung vereinfacht genehmigter Betriebsanlagen kein Verfahren zum Schutz der Rechtsgüter des §74 Abs2 sowie §77 Abs3 und 4 GewO 1994 zulässt, differenziert der Gesetzgeber dadurch in unsachlicher Weise im Vergleich zum üblichen, von ihm geschaffenen Standard bei (auch vereinfachten) Betriebsanlagengenehmigungsverfahren.

Kein Eingehen auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit des §359b Abs1 Z2 GewO 1994 wegen Bindung an die im Prüfungsantrag aufgeworfenen Bedenken.

Auf Grund der Streichung der Wortfolge "und auf Grund der geplanten Ausführung der Anlage zu erwarten ist, daß Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des §74 Abs2 oder Belastungen der Umwelt (§69a) vermieden werden" in §359b Abs1 Z2 GewO 1994 durch den Gesetzgeber (BGBl I 63/1997) bringt dieser zum Ausdruck, dass der "Charakter" einer dem §81 Abs2 Z7 GewO 1994 unterliegenden Anlage lediglich durch das Ausmaß der Betriebsflächen sowie durch den elektrischen Anschlusswert, nicht mehr hingegen durch die Vermeidung von Immissionen, von nachteiligen Einwirkungen im Sinne des §74 Abs2 oder Belastungen der Umwelt gemäß §69a GewO 1994 bestimmt wird.

Die Wahrung der Schutzinteressen gemäß §74 Abs2 sowie gemäß §77 Abs3 und Abs4 GewO 1994, damit insbesondere der Immissionsschutz der Nachbarn, der Schutz vor Emissionen von Luftschadstoffen sowie die Vorschreibung geeigneter Auflagen zur Abfallvermeidung oder -verwertung, scheidet damit bei Änderung einer im vereinfachten Verfahren genehmigten Anlage aus. Dafür bildet auch das mit dem vereinfachten Betriebsanlagengenehmigungsverfahren vom Gesetzgeber angestrebte und an sich als legitim erkannte (vgl VfSlg 14512/1996, S 442) Ziel der Verwaltungsvereinfachung keinen zureichenden Grund; fehlt es doch an einer sachlichen Rechtfertigung dafür, zwar bei Feststellung der die Anwendung des vereinfachten Verfahrens begründenden Beschaffenheit einer Anlage erforderlichenfalls Aufträge zum Schutz der gemäß §74 Abs2 sowie der gemäß §77 Abs3 und Abs4 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen zu erteilen, nicht aber - schon mangels Durchführung eines entsprechenden Verfahrens - bei Änderung der betreffenden Anlage.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Abfallwirtschaft, Gewerberecht, Nachbarrechte, Betriebsanlagen, Umweltschutz, Parteistellung Gewerberecht, VfGH / Präjudizialität

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:G210.2002

Dokumentnummer

JFR_09969695_02G00210_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten