RS Vfgh 2003/3/12 B2233/00

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Veröffentlicht am 12.03.2003
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Index

97 Vergabewesen
97/01 Vergabewesen

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
Baukoordinierungs-Richtlinie des Rates 93/37/EWG Art30
BundesvergabeG 1997 §29 Abs4
BundesvergabeG 1997 §53
BundesvergabeG 1997 §113
BundesvergabeG 1997 §115
Lieferkoordinierungsrichtlinie Art26
Richtlinie des Rates vom 21.12.89. 89/665/EWG, zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentl Liefer- und Bauaufträge (Rechtsmittelrichtlinie)
Richtlinie des Rates vom 18.06.92. 92/50/EWG, über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentl Dienstleistungsaufträge (Dienstleistungsrichtlinie) Art36

Leitsatz

Keine Verletzung im Gleichheitsrecht und im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Zuschlagsentscheidung wegen Verletzung des Bestbieterprinzips infolge Nichtbekanntgabe der Gewichtung der Zuschlagskriterien sowie durch die Abweisung weiterer Feststellungsanträge; keine Vorlagepflicht an EuGH zur Vorabentscheidung

Rechtssatz

Keine Verletzung im Gleichheitsrecht.

Keine Bedenken gegen §29 Abs4 BundesvergabeG 1997.

Der Verfassungsgerichtshof kann dem Bundesvergabeamt (BVA) unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht entgegentreten, wenn es aus §29 Abs4 BundesvergabeG 1997 (wie Art36 Dienstleistungsrichtlinie, Art26 Lieferkoordinierungsrichtlinie und Art30 Baukoordinierungsrichtlinie) iZm §53 BundesvergabeG 1997 im Zusammenhalt mit den Erläuterungen zu §22 Abs4 BundesvergabeG idF BGBl 776/1996, RV 323 BlgNR 20. GP, und unter Bedachtnahme auf die Rechtsprechung des EuGH ableitet, dass nicht bloß die im Gesetzestext ausdrücklich geforderte Bekanntgabe der Reihung der Zuschlagskriterien, sondern auch deren Gewichtung, also die Angabe ihrer relativen Bedeutung zueinander, für eine eindeutige und nachprüfbare Zuschlagserteilung erforderlich sind. Die Notwendigkeit einer Gewichtung der Zuschlagskriterien folgt letztlich auch aus den vergaberechtlichen Geboten der Transparenz und der Objektivität, weil einerseits die Bewerber um einen Auftrag anhand der verlautbarten Kriterien ihre Akquisitionschance beurteilen können sollen und andererseits eine Nachvollziehbarkeit der Ermittlung des technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebotes möglich sein muss.

Die Verhandlungsfreiheit (im Verhandlungsverfahren) bezieht sich auf den Inhalt des Leistungsvertrages, nicht aber auf die Vergabekriterien.

Keine Willkür indizierende Denkunmöglichkeit, weder in sachverhaltsmäßiger noch in rechtlicher Hinsicht; keine Prüfung, ob der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Sachverhalt den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht, durch den Verfassungsgerichtshof; Aussage des Bundesvergabeamtes zur Behebbarkeit eines Ausschreibungsmangels bloß Frage der einfachgesetzlichen Richtigkeit.

Keine Verletzung im Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.

Der Verfassungsgerichtshof vermag die Auffassung der belangten Behörde, wonach eine allfällige gütliche Einigung in derselben Sache kein Antragshindernis für ein Verfahren nach Zuschlagserteilung darstellt, nicht als rechtswidrig zu erkennen (vgl auch VwGH 23.01.02, Z2001/04/0041).

Keine Rechtswidrigkeit der Bejahung der Antragslegitimation des nicht zum Zuge gekommenen Bieters (drohender Schaden, keine rechtswidrige Beurteilung der Angebote des rechtsschutzsuchenden Bieters).

Keine Vorlagepflicht an EuGH zur Vorabentscheidung.

Der Verfassungsgerichtshof findet weder im Primärrecht noch in den einschlägigen Richtlinien, insbesondere der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG, ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass der österreichische Gesetzgeber den Bietern in gemeinschaftsrechtswidriger Weise die Möglichkeit belassen haben könnte, die ihnen zur Verfügung gestellten Rechtsschutzinstrumentarien erst gegen Ende oder nach Abschluss eines Vergabeverfahrens zu (be)nützen. Insbesondere kann der vom Bund herangezogene Grundsatz des freien Wettbewerbs zwischen Bietern nicht dadurch beeinträchtigt werden, dass der Gesetzgeber des BundesvergabeG 1997 auf Präklusionsfristen, welche letztlich den Auftraggeber schützen, weitgehend verzichtet hat. Dagegen kann auch das Urteil des EuGH vom 12.12.02, Rs. C-470/99, Universale-Bau AG, nicht ins Treffen geführt werden, weil der EuGH darin zwar gesetzliche Ausschlussfristen für die Nachprüfung einer Entscheidung des Auftraggebers als richtlinienkonform bezeichnet, sich aber angesichts des Themas dieses Vorabentscheidungsersuchens nicht mit der Frage zu befassen hatte, ob und in welcher Weise Präklusionsfristen für eine Verwirklichung der Ziele der Richtlinie erforderlich sind.

Entscheidungstexte

Schlagworte

EU-Recht Richtlinie, Vergabewesen, VfGH / Prüfungsmaßstab

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:B2233.2000

Dokumentnummer

JFR_09969688_00B02233_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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