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95 TechnikNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Aufhebung einer Umlagenordnung und eines Umlagenbeschlusses einer Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten wegen gesetzwidriger Kundmachung und mangels gesetzlicher Grundlage; Veröffentlichung des Textes vor Beschlussfassung nicht ausreichend ebensowenig wie nachfolgende Kundmachung ausschließlich auf elektronischem Weg im Internet; keine gesetzliche Grundlage für die vorgesehene Überwälzung der Versicherungsprämie der von der Kammer abgeschlossenen Haftpflichtversicherung auf die Kammermitglieder; Einstellung weiterer Verordnungsprüfungsverfahren nach Zurückziehung von Beschwerden in Anlassverfahren und Einstellung dieser VerfahrenRechtssatz
Einstellung der Verordnungsprüfungsverfahren zu V23,24/03 ua nach Zurückziehung von Beschwerden in Anlassverfahren und Einstellung auch dieser Verfahren.
Entfällt die Anwendbarkeit mangels weiterer Anhängigkeit der Rechtssache noch vor der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes im Verordnungsprüfungsverfahren, ist das Verordnungsprüfungsverfahren grundsätzlich (mit Ausnahme der Klaglosstellung im Anlassverfahren gemäß Art139 Abs2 B-VG) einzustellen.
Siehe auch B v 14.03.03, V68,69/02; kein Fall der Verhinderung der Durchführung eines Normenprüfungsverfahrens durch prozesshinderndes Eingreifen eines Verwaltungsorganes iSd Art139 Abs2 und Art140 Abs2
B-VG.
Zulässigkeit eines Verordnungsprüfungsverfahrens ungeachtet der nicht gehörigen Kundmachung.
Was die Umlagenordnung anlangt, so geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass sie - ungeachtet ihrer nicht gehörigen Kundmachung - im Hinblick auf den sie betreffenden Beschluss der Kammervollversammlung und den entsprechenden Hinweis in den Kammernachrichten Nr 5/01 (Dezember 2001), S 9, immerhin in Geltung getreten ist (vgl §16 der UmlagenO).
Gesetzwidrigkeit der von der Kammervollversammlung am 30.11.01 beschlossenen UmlagenO der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Steiermark und Kärnten.
Es liegt auf der Hand, dass die Publikation des "Wortlaut[es] der Umlagenordnung" in der Anfang November 2001 erschienenen Ausgabe der Kammernachrichten, somit vor der Beschlussfassung durch die Kammervollversammlung, die erst am 30.11.01 erfolgte, die Kundmachung des gefassten Beschlusses - und nur auf diesen kommt es im vorliegenden Fall an - keinesfalls ersetzen kann, u. zw. selbst dann nicht, wenn die in Rede stehenden Texte identisch wären.
Der Gesetzesentwurf eines Kundmachungsreformgesetzes 2003 hält, "[u]m die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine elektronische Kundmachung zu schaffen, ... die Änderung all jener Bestimmungen des B-VG [für] erforderlich, die an die Herausgabe und Versendung des [gedruckten] Bundesgesetzblattes Rechtsfolgen knüpfen" (Erläuterungen 4).
Auch der Verfassungsgerichtshof erachtet die elektronische Kundmachung von Rechtsvorschriften ohne eine entsprechende bundesverfassungsgesetzliche Ermächtigung nicht für zulässig.
Gesetzwidrigkeit der von der Kammervollversammlung am 30.11.01 beschlossenen UmlagenO der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Steiermark und Kärnten sowie von Punkt 2 und Teilen des Punktes 8 des am 30.11.01 von der Kammervollversammlung der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Steiermark und Kärnten gefassten, als "Kammerumlage 2002" bezeichneten Beschlusses, kundgemacht in den KammerNachrichten Nr 5/01 (Dezember 2001).
Auch Organe der Selbstverwaltungskörper sind zur Erlassung von Verordnungen nur "auf Grund der Gesetze" iSd Art18 Abs2 B-VG befugt (vgl VfSlg 3993/1961, 4886/1964, 13464/ 1993, VfGH 19.06.01 V32-39/01; vgl explizit ablehnend zum Gedanken eines "gelockerten Legalitätsprinzipes" für autonome Satzungen bereits VfSlg 7903/1976).
Die in Prüfung gezogenen (Verordnungs-)Bestimmungen der Umlagenordnung und des Umlagenbeschlusses 2002 sehen iW Folgendes vor: Die Versicherungsprämie für den von der Kammer "für ihre Mitglieder abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrag [wird] auf die Kammermitglieder überwälzt. Bei diesem Versicherungsvertrag handelt es sich um eine Versicherung für fremde Rechnung. Der Abschluss des Versicherungsvertrages ist ein Akt der Privatwirtschaftsverwaltung. ... Mit den hier verfahrensgegenständlichen Beschlüssen überwälzt die Ingenieurkammer allerdings jenen Aufwand, der ihr durch die Versicherungsprämie des vorgenannten Haftpflichtversicherungsvertrages erwächst, im Wege hoheitlicher Umlagenbestimmungen auf ihre Mitglieder."
Für eine derartige Regelung auf Verordnungsstufe bedürfte es einer spezifischen gesetzlichen Ermächtigung. Das ZiviltechnikerkammerG 1993 sieht jedoch nichts Derartiges vor (auch nicht in §52 Abs1 leg.cit.; ebenso nicht in §6 bzw §11 Abs4 Z3). Bei den im Rahmen eines - von der Kammer (für ihre Mitglieder) abgeschlossenen - Versicherungsvertrages für fremde Rechnung anfallenden Prämien kann von "eigenen Kosten" der Kammer iSd §52 Abs1 ZiviltechnikerkammerG 1993 nicht die Rede sein.
Anlassfälle: B835/02, B841/02, B842/02, alle E v 13.03.03, uvm, Aufhebung der angefochtenen Bescheide; weiters die Einstellungsbeschlüsse B v 14.03.03, B 832/02, B v 13.03.03, B 837/02, uvm: Einstellung der Anlassverfahren nach Zurücknahme der Beschwerden.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Legalitätsprinzip, Verordnungsbegriff, Verordnung, Kundmachung, VfGH / Anlaßverfahren, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Klaglosstellung, VfGH / Zurücknahme, Ziviltechniker Kammer, Selbstverwaltung, berufliche VertretungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:V21.2003Dokumentnummer
JFR_09969687_03V00021_01