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83 Natur- und UmweltschutzNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung zweier Beschwerden von Betreibern von Ziegelwerken gegen den nationalen Zuteilungsplan (Allokationsplan) des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend die Gesamtmenge der Emissionszertifikate mangels Bescheidcharakters dieser behördlichen Emanation; Zurückweisung auch der Individualanträge gegen den Zuteilungsplan mangels Legitimation; Zumutbarkeit des Rechtsweges gegen die behauptete zu geringe Zuteilung an ZertifikatenSpruch
Die Beschwerden und Anträge werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. Die einschreitenden Gesellschaften betreiben Ziegelwerke und sind mit ihren Anlagen im Annex I des Nationalen Zuteilungsplans für Österreich gemäß §11 des Emissionszertifikategesetzes (EZG), BGBl. I 46/2004, mit einer "[g]eplante[n] Zuteilung" von Emissionszertifikaten in der Höhe von insgesamt 19.668 (B244/05 ua.) bzw. 9.804 (B245/05 ua.) für den Zeitraum 2005 bis 2007 angeführt.
Rechtsgrundlage dieses nationalen Zuteilungsplans ist §11 EZG, welcher (- in Umsetzung der Richtlinie 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft, ABl. 2003 L 275, S 32, insbesondere deren Art9 iVm Anhang III -) den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zur Aufstellung des Planes nach im Gesetz angeführten Kriterien und im Einvernehmen mit den Bundesministern für Wirtschaft und Arbeit einerseits und Finanzen andererseits verpflichtet. Aus diesem Plan hat die Gesamtmenge der Emissionszertifikate für die Periode, das Verhältnis dieser Gesamtmenge zu den Emissionen aller anderen Sektoren und die Zuteilung der Emissionszertifikate an die Inhaber bezogen auf die Anlagen, in denen eine Tätigkeit unter anderem gemäß Anhang 1 des EZG ausgeübt wird, hervorzugehen. Weitere Regeln in Bezug auf den (ersten) nationalen Zuteilungsplan für die Jahre 2005 bis 2007 enthalten §12 und §13 Abs3 EZG.
Nach §13 Abs4 leg.cit. hat der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit
"auf der Grundlage des gemäß §§11 und 12 erstellten nationalen Zuteilungsplans mit Verordnung die Gesamtzahl der Emissionszertifikate, die für die Periode 2005 bis 2007 zugeteilt wird, sowie die Zuteilung dieser Emissionszertifikate auf die Tätigkeiten festzulegen. Die rechtsverbindliche Zuteilung hat dem an die Europäische Kommission gemäß Abs3 übermittelten Zuteilungsplan gemäß §11 und allfälligen davon abweichenden Vorgaben der Europäischen Kommission zu entsprechen. Die Zuteilung an die Anlagen hat mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zu erfolgen".
1. a) Mit ihren Eingaben vom 24. Februar 2005 erheben die einschreitenden Gesellschaften - gestützt auf Art144 B-VG - Beschwerde "[g]egen den als Bescheid zu wertenden 'Nationalen Zuteilungsplan (Allokationsplan)' des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft veröffentlicht am 13.01.2005 auf der Website des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft". In eventu und gestützt auf Art139 B-VG beantragen sie, "den als Verordnung zu wertenden 'Nationalen Zuteilungsplan (Allokationsplan)'" als gesetzwidrig aufzuheben.
b) Zur Zulässigkeit ihrer Eingabe bringen die einschreitenden Gesellschaften Folgendes vor (zitiert aus B244/05 ua.):
"Eine Beschwerde nach Art144 B-VG ist erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges zulässig und muss innerhalb von sechs Wochen eingebracht werden (vgl. §82 VfGG). Der endgültige österreichische Zuteilungsplan wurde am 13.01.2005 vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf der Website des Ministeriums
(http://umwelt.lebensministerium.at/filemanager/download/8755/) veröffentlicht. Ein Korrigendum zum Nationalen Zuteilungsplan wurde am 25. Jänner 2005 ebendort veröffentlicht.
Wird ein Bescheid einer Partei nicht zugestellt, wird ihr aber sein Inhalt bekannt, dann wird die Beschwerdefrist des §82 Abs1 VfGG nicht in Gang gesetzt. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 9068, 10.637) kann diesfalls dennoch bereits vor Zustellung Beschwerde erhoben werden. Der Beschwerdeführer erlangte bereits vor Zustellung Kenntnis vom Inhalt des endgültigen Planes.
Die Beschwerdelegitimation ist gegeben, da gegen den Rechtsakt des Bundesministeriums für Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auch kein Rechtsmittel im administrativen Instanzenzug in Frage kommt.
Sollte der Verfassungsgerichtshof zur Ansicht kommen, dass der nationale Zuteilungsplan eine Verordnung darstellt, so ist auch ein Individualantrag gem. Art139 B-VG zulässig. Der Rechtsakt greift tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar ein. Der Eingriff ist auch nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt, er beeinträchtigt die rechtlich geschützten Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern auch aktuell. Dem Antragsteller wird durch den nationalen Allokationsplan zugestanden, im Jahr 2005 6.556 t CO2, im Jahr 2006 6.556 t CO2, im Jahr 2007 6.556 t CO2, sohin gesamt 19.668 t CO2 [B245/05 ua.: im Jahr 2005 3.268 t CO2, im Jahr 2006 3.268 t CO2, im Jahr 2007 3.268 t CO2, sohin gesamt 9.804 t CO2] zu emittieren. Eine darüber hinausgehende Emission, die die voraussichtliche Produktion des Unternehmens mit sich bringen würde, ist dem Antragsteller nicht gewährt. Das Ausmaß der Produktion des Antragstellers ist durch die Verordnung auf eindeutige Weise eingeschränkt, wodurch der Antragsteller in seinen wirtschaftlichen Dispositionsmöglichkeiten erheblich beeinträchtigt wird.
Ein anderer Weg zur Abwehr des rechtswidrigen Eingriffs steht nicht zur Verfügung, da bereits der Allokationsplan die Zuteilung der CO2-Zertifikate in 'rechtsverbindlicher Weise' regelt (vgl. dazu §13 Abs4 EZG).
Der Allokationsplan legt also bereits sowohl die Gesamtzahl der zu vergebenden Zertifikate, die Aufteilung dieser Menge auf die einzelnen Branchen, aber auch die Zuteilung an die jeweiligen Anlagen fest. Die formelle Zuteilung auf die Branchen erfolgte mittlerweile durch die Zuteilungsverordnung, die Zuteilung an die einzelnen Anlagen soll durch Bescheid erfolgen (§13 Abs4 EZG). Der Zuteilungsplan weist durch die Zuteilung an die einzelnen Anlagen individuelle, durch die Aufteilung an die Branchen aber auch generelle Aspekte auf. Normativität des Zuteilungsplanes lässt sich gerade deshalb argumentieren, weil der Gesetzgeber die eigentlichen Zuteilungsakte ex lege an die Vorgabe des Plans bindet; Zuteilungsplan und -verordnung bzw. -bescheide lassen sich daher als aufeinander aufbauende Rechtsakte darstellen (vgl. Huber/Schmelz/Schwartz, Die Presse 2004/19/01)."
2. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vertrat in seiner Gegenschrift (Äußerung) mit näherer Begründung die Auffassung, dass dem nationalen Zuteilungsplan die Bescheidqualität mangle, und weist für den Fall, dass der Plan doch als Bescheid zu ergehen hätte, darauf hin, dass er bisher keiner einzigen Partei zugestellt worden und damit nicht in rechtliche Existenz getreten sei.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. a) Weder lassen die rechtlichen Grundlagen des nationalen Zuteilungsplans (§§11 ff. EZG) Anhaltspunkte für dessen Qualifikation als Bescheid erkennen noch ist diese Emanation ihrer Form nach als Bescheid zu qualifizieren. Abgesehen davon fehlt es, - worauf die belangte Behörde, von den beschwerdeführenden Gesellschaften unwidersprochen, hinweist - schon deshalb an einem tauglichen Beschwerdegegenstand, weil der endgültige nationale Zuteilungsplan und die zu diesem gehörige Mitteilung von Aktualisierungen zwar auf der Internetseite des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, den (in Annex I genannten) Anlagenbetreibern gegenüber aber nicht (persönlich) zugestellt und somit auch nicht erlassen wurde.
b) Die Beschwerden sind daher mangels tauglichen Beschwerdegegenstandes und damit wegen Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen.
2. Aber auch die auf Art139 Abs1 (letzter Satz) B-VG gestützten (Eventual-)Anträge, den nationalen Zuteilungsplan als gesetzwidrig aufzuheben, erweisen sich als unzulässig.
a) Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluss VfSlg. 8058/1977 unter Hinweis auf VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 (letzter Satz) B-VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art139 Abs1 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 11.684/1988, 14.297/1995, 15.349/1998, 16.345/2001 und 16.836/2003).
b) Der Verfassungsgerichtshof kann es aus dem Blickwinkel der vorliegenden Anträge dahingestellt sein lassen, ob - wie die antragstellenden Gesellschaften meinen - der nationale Zuteilungsplan als Verordnung iSd Art139 B-VG zu qualifizieren ist. Denn selbst unter der Annahme, dass es sich bei dem nationalen Zuteilungsplan um eine Verordnung handelt, stünde den antragstellenden Gesellschaften ein zumutbarer und von ihnen auch beschrittener Weg (siehe die zu B405/05 und B406/05 protokollierten Beschwerden) zur Abwehr der - behaupteterweise - rechtswidrigen, weil zu geringen Zuteilung an Zertifikaten zur Verfügung: Wie bereits unter Pkt. I. erwähnt, sieht §13 Abs4 EZG die Zuteilung von Zertifikaten auf die einzelnen Anlagen durch Bescheid vor, der nicht nur auf der Grundlage der Zuteilungsverordnung zu ergehen hat, sondern auch dem nationalen Zuteilungsplan genügen muss.
Damit fehlt den antragstellenden Gesellschaften die zur Antragstellung gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG erforderliche Legitimation, sodass ihre Anträge schon aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen waren.
III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita und e VfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Bescheidbegriff, Verwaltungsakt genereller, Umweltschutz, Verordnungsbegriff, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2005:B244.2005Dokumentnummer
JFT_09948999_05B00244_00