TE Vfgh Beschluss 2005/10/3 G72/05

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Veröffentlicht am 03.10.2005
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Index

96 Straßenbau
96/02 Sonstiges

Norm

Bundesstraßen-MautG 2002 §23 Abs2
VfGG §62 Abs1
VStG §9 Abs7

Spruch

              Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I.              1. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien (im Folgenden: UVS) ist ein Verwaltungsstrafverfahren betreffend eine Verwaltungsübertretung gemäß §20 Abs2 Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 (im Folgenden: BStMG) anhängig. Gegen die über den Lenker eines Fahrzeugs wegen Mautprellerei verhängte Geldstrafe hat die Zulassungsbesitzerin des Fahrzeugs Berufung erhoben.

              2. Aus Anlass dieses Berufungsverfahrens stellte der UVS den vorliegenden Antrag gemäß Art140 Abs1 iVm Art129a Abs3 und Art89 B-VG, "den zweiten Absatz des §23 des Bundesgesetzes über die Mauteinhebung auf Bundesstraßen (Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 - BStMG) als verfassungswidrig aufzuheben".

              §23 BStMG, BGBl. I Nr. 109/2002, lautet:

"Haftung für Geldstrafen und Verfahrenskosten

              §23. (1) Zulassungsbesitzer haften für die über die Lenker ihres Fahrzeugs wegen Übertretung des §20 Abs2 verhängten Geldstrafen und für die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand, wenn sie dem Lenker das Fahrzeug selbst oder über Dritte überlassen haben.

              (2) Zulassungsbesitzer haben im Strafverfahren gegen den Lenker keine Parteistellung; ein gegen den Lenker ergangener Strafbescheid hat für sie keine bindende Wirkung."

              3. Der UVS führt aus, dass er §23 Abs2 BStMG, BGBl. I Nr. 109/2002, bei der Entscheidung über die bei ihm anhängige Berufung anzuwenden habe.

              Zur Begründung seiner Bedenken führt er zunächst Folgendes aus:

              "Der Verwaltungsgerichtshof hat abweichend von der älteren Rechtsprechung und Lehre, in seinem Erkenntnis vom 12.2.2002, Zl. 99/09/002, [richtig wohl: vom 21.11.2000, Zl. 99/09/0002] ausgesprochen, eine auch dem Art6 MRK gerecht werdende Lösung sei nur in der Bejahung der Parteistellung des nach §9 Abs7 VStG Haftungspflichtigen im Strafverfahren gegen das Organ zu finden. Es sei daher der Haftungspflichtige im Sinne der §§24 VStG, 8 AVG bereits dem Verwaltungsstrafverfahren als Partei beizuziehen und könne in diesem Verfahren auch alle Parteirechte einschließlich des Berufungsrechtes ausüben. Der Erlassung eines eigenen Haftungsbescheides in einem besonderen Verfahren bedürfe es nicht."

              In weiterer Folge werden die wesentlichen Passagen des zitierten Erkenntnisses im Antrag wörtlich wiedergegeben.

Abschließend hält der UVS fest:

              "Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat die einfachgesetzliche Bestimmung des §23 Abs2 BStMG, mit welcher die Parteistellung des Zulassungsbesitzers (Haftungspflichtigen) im gegenständlichen Strafverfahren ausgeschlossen wird, anzuwenden. Dies verstößt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes gegen Art6 MRK, weshalb der vorliegende Antrag gestellt wurde."

II.              Der Antrag ist nicht zulässig.

              1. Gemäß §62 Abs1 Satz 2 VfGG hat der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Dieses Erfordernis ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur dann erfüllt, wenn die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit - in überprüfbarer Art - präzise ausgebreitet werden, dh. dem Antrag mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, mit welcher Verfassungsbestimmung die bekämpfte Gesetzesstelle in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese Annahme sprechen (vgl. z.B. VfSlg. 11.150/1986, 11.888/1988, 13.710/1994, 13.851/1994 und 14.802/1997). Es genügt dabei nicht, dass im Antrag behauptet wird, dass die bekämpften Gesetzesstellen gegen eine oder mehrere - wenn auch näher bezeichnete - Verfassungsbestimmung(en) verstoßen; vielmehr muss konkret dargelegt werden, aus welchen Gründen den bekämpften Normen die behauptete Verfassungswidrigkeit anzulasten ist. Begnügt sich ein Antrag damit, den Verstoß gegen Verfassungsgebote zu behaupten, unterlässt er aber konkrete Darlegungen, warum die bekämpften Regelungen im Einzelnen gegen die genannten Verfassungsbestimmungen verstoßen, so ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen. Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, - gleichsam stellvertretend - das Vorbringen für den Antragsteller zu präzisieren (idS va. VfSlg. 13.123/1992, 16.507/2002).

              2. Im vorliegenden Fall hat der UVS eine konkrete Darlegung, aus welchen Gründen die bekämpfte Bestimmung gegen Art6 EMRK verstoße, unterlassen. Das zur Begründung seines Antrags (allein) herangezogene und teils verwiesene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes - das eine Angelegenheit des Ausländerbeschäftigungsgesetzes betraf - vermag die Notwendigkeit der konkreten Darlegung nicht zu ersetzen: Der Verwaltungsgerichtshof behandelte in der im Antrag des UVS zitierten Entscheidung die Frage der Parteistellung einer gemäß §9 Abs7 VStG haftungspflichtigen juristischen Person im Verwaltungsstrafverfahren, das sich gegen den zur Vertretung nach außen Berufenen richtet, unter dem Blickwinkel der Problematik, dass die juristische Person an die Entscheidung aus diesem Strafverfahren - zu dem sie keinen Zugang hatte - gebunden war.

              Die im vorliegenden Fall angefochtene Regelung des §23 Abs2 BStMG sieht zwar einen Ausschluss der Parteistellung des Zulassungsbesitzers im Verfahren gegen den Lenker vor, normiert aber ausdrücklich, dass der Zulassungsbesitzer an einen gegen den Lenker ergangenen Strafbescheid nicht gebunden ist. Inwieweit diese Konstellation mit jener, die dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zugrunde lag, dennoch vergleichbar ist und welche Bedenken sohin gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung bestehen, hätte der UVS in seinem Antrag im Einzelnen darzulegen gehabt. Da er diese - gemäß §62 Abs1 Satz 2 VfGG gebotene - Darlegung jedoch unterlassen hat, war der Antrag als unzulässig zurückzuweisen.

              3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Person juristische, Haftung, Verwaltungsstrafrecht, Straßenverwaltung, Mautstraße, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Bedenken

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:G72.2005

Zuletzt aktualisiert am

26.02.2013
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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