RS Vfgh 2003/6/23 G11/03

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 23.06.2003
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Index

58 Berg- und Energierecht
58/02 Energierecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität Umfang
B-VG Art140 Abs5 / Fristsetzung
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
AVG §8
MinroG §211
MinroG §153, §156

Leitsatz

Gleichheitswidrigkeit der Amnestie für Schwarzbauten im Bergbaugebiet; keine sachliche Rechtfertigung der gesetzlichen Besserstellung der Errichter von Bauten ohne Bewilligung gegenüber Personen mit rechtskonformem Verhalten

Rechtssatz

Das MinroG wurde mit BGBl I 38/1999 kundgemacht; dem Versuch der früheren, mit BGBl I 36/1999 erfolgten Kundmachung kam schon wegen der dort fehlenden Wiedergabe der Namen der den Gesetzesbeschluss beurkundenden bzw gegenzeichnenden Organe keine rechtliche Wirkung zu.

Teilweise Zulässigkeit des von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens zur Prüfung des §211 MinroG; Legitimation der Beschwerdeführer im Anlassverfahren und Präjudizialität gegeben.

Mit der Zurückweisung des Antrags der mitbeteiligten Partei auf Erteilung der Bewilligung für die Errichtung eines Hauses in einem Bergbaugebiet ist nicht nur in die Rechtssphäre jener Partei, sondern auch in die Rechtssphäre der beschwerdeführenden Gesellschaft als Bergbauberechtigter eingegriffen worden, weil ihr durch den die Durchführung des Bewilligungsverfahrens verweigernden Bescheid die rechtliche Möglichkeit genommen wurde, am Bewilligungsverfahren als Partei mitzuwirken und ihre rechtlichen Interessen gemäß §8 AVG einzubringen.

Für den Umfang der Präjudizialität des §211 MinroG hatte der Verfassungsgerichtshof allerdings zu beachten, dass es in dem dem Gesetzesprüfungsverfahren zugrunde liegenden Anlassfall ausschließlich um die Bewilligung eines neu errichteten Wohnhauses samt angebauter Doppelgarage - also um einen "Bau", nicht eine "Anlage", und um dessen Neuerrichtung, nicht um seine Erweiterung oder Veränderung - geht. Da es sich dabei um ein Neubauvorhaben (sohin nicht um ein bloßes Änderungsvorhaben) in einem im ersten Satz des §211 MinroG genannten Bergbaugebiet handelt, ist §211 MinroG nicht zur Gänze, sondern nur hinsichtlich der ersten Wortfolge "Bauten und andere" im ersten Satz des §211 präjudiziell. Hinsichtlich des übrigen Teils der Bestimmung war das Verfahren daher einzustellen.

Die erste Wortfolge "Bauten und andere" im ersten Satz des §211 des ArtI des Bundesgesetzes über mineralische Rohstoffe, über die Änderung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes und des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 (Mineralrohstoffgesetz - MinroG), BGBl I 38/1999, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die vom Gesetzgeber fingierte nachträgliche Bewilligung von Bauten in Bergbaugebieten, deren faktische Errichtung mangels bergrechtlicher Bewilligung rechtswidrig war, widerstreitet dem Gleichheitssatz.

Es fehlt an einem sachlichen Grund dafür, dass durch §211 MinroG Personen, die sich rechtswidrig verhalten haben, indem sie in Bergbaugebieten Bauten errichtet haben, ohne hiefür die Bewilligung nach §153 MinroG eingeholt zu haben, vom Gesetzgeber besser gestellt werden als jene, die in Übereinstimmung mit der Rechtsordnung auf eine konsenslose Bauführung verzichtet haben. (Vgl zur ähnlichen Rechtslage betreffend den Versuch einer nachträglichen gesetzlichen Sanierung baurechtlich konsenslos errichteter Bauten VfSlg 14681/1996, 14763/1997 und 15441/1999.) Dazu tritt der Umstand, dass auch für Bauten, für welche die bergrechtliche Baubewilligung gemäß §156 MinroG (bzw gemäß seiner Vorgängerbestimmung im Berggesetz 1975) zu versagen gewesen wäre, weil durch die Errichtung der Bauten in Bergbaugebieten Gewinnungs- oder Speichertätigkeit verhindert oder erheblich erschwert wird oder weil eine wesentliche Veränderung des Baus durch Bodenverformungen nicht ausgeschlossen werden kann, die Bewilligung kraft §211 MinroG als erteilt gilt. Die Absicht der gesetzlichen Sanierung ursprünglich nicht wahrgenommener Bewilligungspflichten kann keine ausreichende sachliche Rechtfertigung dafür bilden, dass auch in den Fällen, in denen eine Baubewilligung kraft §156 MinroG zu versagen gewesen wäre, diese nunmehr trotz weiter bestehenden Mangels der materiellen gesetzlichen Voraussetzungen rechtskräftig als erteilt gilt.

Im Lichte der vorstehenden Begründung der Aufhebung wird §211 MinroG nunmehr in der Weise anzuwenden sein, dass unter den im ersten Satz des §211 MinroG verbleibenden Begriff "Anlagen" nicht Bauten (iS von Gebäuden) zu subsumieren sind.

Kein Eingehen auf die übrigen gleichheitsrechtlichen Bedenken des Prüfungsbeschlusses; diese erscheinen seit der Novelle zum MinroG BGBl I 21/2002 für die Zukunft als überholt.

Keine Fristsetzung.

Es ist kein Grund ersichtlich, Personen, die sich gesetzwidrig verhalten haben, länger gegenüber Personen zu privilegieren, die in \bereinstimmung mit der Rechtslage von einer konsenslosen Bauführung Abstand genommen haben.

Anlaßfall: E v 27.06.03, B725/01 - Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Anwendung der als verfassungswidrig aufgehobenen Wortfolge.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Baubewilligung, Bergrecht, Novellierung, Gesetz, Kundmachung, Parteistellung Bergrecht, VfGH / Anlaßverfahren, VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / Legitimation, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsumfang, Schwarzbauten, Amnestie, VfGH / Beteiligter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:G11.2003

Dokumentnummer

JFR_09969377_03G00011_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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