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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art20 Abs2Leitsatz
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch unrichtige Zusammensetzung einer Kollegialbehörde bei Entscheidung über die Auszahlung von der Krankenkasse einbehaltener Honorarforderungen von Ärzten; ASVG-Novelle betreffend die Beisitzer der Landesberufungskommission zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits in Kraft; Missachtung der auf Grund der geänderten Rechtslage bestehenden Verpflichtung zur Neudurchführung des Berufungsverfahrens unter Beachtung der neuen BesetzungsvorschriftenRechtssatz
Kollegialbehörden iS des Art20 Abs2 B-VG bzw. des Art133 Z4 B-VG unterliegen auf Grund ihrer einem ordentlichen Gericht nahekommenden Stellung in der Frage der Zusammensetzung zur Durchführung fortgesetzter Verhandlungen denselben strengen Regeln wie kollegial besetzte Gerichte (VfSlg 4664/1964, 4728/1964). Ihre Mitglieder dürfen demnach jedenfalls in diesem Verfahrensstadium nicht mehr ausgewechselt werden (VfSlg 11108/1986).
Da die mündliche Verhandlung in der letzten Sitzung formell neu durchgeführt worden ist, liegt eine Verletzung des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter unter dem von den Beschwerdeführern geltend gemachten Gesichtspunkt nicht vor (s auch VfSlg 4728/1964, 11108/1986).
Die belangte Behörde (hier: Landesberufungskommission) war jedoch insoweit unrichtig zusammengesetzt, als ihre beiden medizinischen Beisitzer - entgegen der Anordnung des §345 Abs1 ASVG idF 60. Novelle - dem Kreis der Angehörigen der Ärztekammer für Niederösterreich entnommen waren.
Die rechtlichen Grundlagen eines Bescheides, auch was die Zuständigkeit und die dem Gesetz entsprechende Zusammensetzung der Behörde betrifft, sind, wie der Verfassungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, auch bei Kollegialbehörden stets nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides, nicht nach jener im Zeitpunkt der kollegialen Beschlußfassung, zu beurteilen.
§345 Abs1 ASVG idF 60. Novelle stand im Zeitpunkt der Zustellung (nicht der kollegialen Beschlußfassung) des angefochtenen Bescheides bereits - seit 01.09.02 - in Kraft.
Es war der belangten Behörde in diesem Verfahrensstadium (dh nach Durchführung der mündlichen Verhandlung vom 19.09.01) allerdings verwehrt, in geänderter Zusammensetzung neuerlich Beschluß zu fassen (vgl VfSlg 11108/1986). Sie war vielmehr auf Grund der geänderten Rechtslage gegebenenfalls verpflichtet, das Berufungsverfahren unter Beachtung der nunmehrigen Besetzungsvorschriften neu durchzuführen.
Schlagworte
Bescheiderlassung (Zeitpunkt maßgeblich für Rechtslage), Kollegialbehörde, Sozialversicherung, Ärzte, BehördenzusammensetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:B1810.2002Dokumentnummer
JFR_09969375_02B01810_01