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95 TechnikNorm
B-VG Art89 Abs2Leitsatz
Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit durch das Erfordernis einer behördlichen Genehmigung für den Wechsel der einmal gewählten Kesselprüfstelle im Kesselgesetz; unzulässiger Konkurrenzschutz zugunsten etablierter Kesselprüfstellen und überschießende Regelung im Hinblick auf das Ziel der QualitätssicherungRechtssatz
Zulässigkeit eines Gerichtsantrags auf Aufhebung des §16 Abs2 KesselG.
Da ein Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht nicht vorliegt und sich auch sonst nichts ergeben hat, was an der Präjudizialität der bekämpften Norm zweifeln ließe, erweist sich der Antrag somit als zulässig.
§16 Abs2 des Bundesgesetzes über Sicherheitsmaßnahmen für Dampfkessel, Druckbehälter, Versandbehälter und Rohrleitungen (KesselG), BGBl 211/1992, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Indem §16 Abs2 KesselG den Wechsel der einmal gewählten Kesselprüfstelle - außer im Fall der Entziehung der Bestellung der gewählten Kesselprüfstelle gemäß §21 Abs4 Z2 KesselG - nur mit Zustimmung der Behörde erlaubt, beschränkt diese Bestimmung die Möglichkeit der Erwerbsausübung durch Kesselprüfstellen und greift daher in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Erwerbsfreiheit ein (vgl VfSlg 11991/1989, 13330/1993).
Keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken angesichts der von Kesseln ausgehenden Gefahren für das Leben und die Gesundheit von Menschen sowie für Sachgüter.
Die - vor allem neu akkreditierte Kesselprüfstellen in ihrer Tätigkeit einschneidend beschränkenden und damit in einer der Zugangsbeschränkung nahe kommenden Weise - restriktiven Voraussetzungen für die Zustimmung zum Wechsel der Kesselprüfstelle erweisen sich jedoch vor dem Hintergrund der Regelungen des Kesselgesetzes (insbesondere §20 und §21), die die Qualität der wiederkehrenden Überprüfung durch jede akkreditierte Kesselprüfstelle sicher stellen sollen, als überschießend, wobei festzuhalten ist, dass die Zustimmung nicht etwa für den Wechsel des Kesselprüfers während einer Überprüfung sondern für jede wiederkehrende Überprüfung erforderlich ist.
Die angefochtene Regelung verhindert zB, dass der Betreiber einer Kesselanlage - der ja in der Regel ein hohes eigenes Interesse an einer gewissenhaften Kesselprüfung haben wird - eine andere Prüfstelle allein deswegen betraut, weil diese über die besseren Prüfeinrichtungen verfügt. Hingegen könnte ein Konkurrenzschutz der Kesselprüfstellen die negativen Effekte haben, dass diese Investitionen in neue Prüfgeräte verschieben. Außerdem könnte die Verpflichtung zur Beibehaltung der Prüfstelle die Gefahr eines Zusammenspiels zwischen Betreiber der Kesselanlage und Kesselprüfer zum Nachteil der Sicherheitserfordernisse erhöhen.
Insgesamt erweist sich also die angefochtene Bestimmung im Hinblick auf das Ziel der Sicherung der Qualität der wiederkehrenden Prüfungen als überschießend und bewirkt einen unzulässigen Konkurrenzschutz zugunsten etablierter Kesselprüfstellen.
Im Hinblick auf eine allfällige Ersatzregelung war für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Bestimmung eine Frist bis 30.06.04 zu bestimmen.
Schlagworte
Dampfkesselwesen, Erwerbsausübungsfreiheit, EU-Recht, VfGH / Präjudizialität, VfGH / FristsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:G63.2000Dokumentnummer
JFR_09969372_00G00063_01