TE Vfgh Erkenntnis 2005/10/10 B1499/03

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Veröffentlicht am 10.10.2005
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art83 Abs2
Oö BauO 1994 §31 Abs5

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch neuerliche Entscheidung der Aufsichtsbehörde über einen bereits aufgehobenen Bescheid; Abweisung der Vorstellung der beschwerdeführenden Gesellschaften gegen die Erteilung einer Baubewilligung im Hinblick auf heranrückende Wohnbebauung erst nach Aufhebung des Berufungsbescheides in Folge Stattgabe der Vorstellung des beteiligten Bauwerbers

Spruch

Die beschwerdeführenden Gesellschaften sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Oberösterreich ist schuldig, den beschwerdeführenden Gesellschaften zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.142,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Die mitbeteiligte Partei DI F. L beantragte die Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung eines Doppelwohnhauses auf dem Grundstück Nr. 2765/2, EZ 1154, KG Ansfelden. Die beschwerdeführenden Gesellschaften wendeten bei der mündlichen Bauverhandlung gegen das Bauvorhaben ein, von der bestehenden Betriebsanlage der Zweitbeschwerdeführerin (die Erstbeschwerdeführerin ist Eigentümerin der Grundstücke, auf denen sich diese Betriebsanlage befindet) wirkten gewerbebehördlich genehmigte Lärmimmissionen auf das Baugrundstück ein, sodass zum Schutz der neu ansiedelnden Wohnbevölkerung "erhöhte" Auflagen durch die Gewerbebehörde vorgeschrieben werden könnten. Die beschwerdeführenden Gesellschaften legten drei Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vor, mit denen diese gewerberechtliche Betriebsanlagen(änderungs)genehmigungen erteilt hatte. Daraus ergebe sich "der derzeit zulässige Immissionskonsens". Außerdem legten sie eine "Stellungnahme" der "TAS S GmbH, Lärmschutz - Akustik - Bauphysik" vom 8. November 2002 vor, in welcher nach der Schilderung der Ergebnisse einer "Ist-Bestandsmessung" gemessen an den Planungsrichtwerten für die jeweiligen Baulandkategorien gemäß ÖNORM S 5021 folgender Schluss gezogen wird:

"Bei einer zukünftigen Bebauung [des Baugrundstücks] ergeben sich für zukünftige Werksentwicklungen unter Umständen Nachteile, welche mit sich führen, dass auch für dieses Grundstück umfangreiche Schallschutzmaßnahmen in Form von Abschirmeinrichtungen bzw. passive Schallschutzmaßnahmen in Form vom Einbau von Schallschutzfenstern erforderlich werden."

1.2. Der Bürgermeister der Stadtgemeinde Ansfelden erteilte mit Bescheid vom 17. Dezember 2002 die beantragte Baubewilligung - unter anderem unter folgenden Auflagen:

"23. Schmutzwässer sind in die Privatkanalisation einzuleiten. [...]

24. Der Stellungnahme des Wasserverbandes Großraum Ansfelden ist zu entsprechen (Anlage A)" [Anm.: Diese Stellungnahme geht davon aus, dass das Objekt an die öffentliche Kanalisationsanlage anzuschließen ist.]

Die Abweisung der Einwendungen der beschwerdeführenden Gesellschaften begründet der Bürgermeister in diesem Bescheid wie folgt:

"§31 Abs5 [OÖ BauO] normiert, dass beim Neubau von Wohngebäuden auf bisher unbebauten Grundstücken (heranrückende Bebauung) auch Einwendungen zu berücksichtigen sind, mit denen Immissionen geltend gemacht werden, die von einer bestehenden benachbarten Betriebsanlage ausgehen und auf das geplante Bauvorhaben einwirken. Dies gilt jedoch nur für Immissionen, die auf Grund rechtskräftiger Bescheide zulässig sind. In diesem Fall hat der Nachbar die entsprechenden Nachweise beizubringen.

Mit Schreiben der Stadtgemeinde Ansfelden vom 21.10.2002 wurde [der Rechtsvertreter der beschwerdeführenden Gesellschaften] aufgefordert, binnen zwei Wochen den Nachweis für die Rechtskraft der Bescheide, auf die sich die Einwendungen stützen, vorzulegen und weiters auch die Nachweise beizubringen, aus denen die geltend gemachten (rechtskräftig zulässigen) 'Immissionen auf das geplante Bauvorhaben' ersichtlich sind.

Mit Schriftsatz vom 9.12.2002 [...] wurde von Herrn Dr. H jedoch lediglich eine Kopie eines Lärmmessprotokolls vom 8.11.2002 für das gegenständliche Grundstück [...] übermittelt.

Zumal die von der Baubehörde geforderten Nachweise nicht beigebracht wurden, waren die Einwendungen [...] als unbegründet abzuweisen."

1.3. Gegen diesen Bescheid erhoben sowohl der Bauwerber (die mitbeteiligte Partei), als auch die beschwerdeführenden Gesellschaften Berufung.

Der Bauwerber führte in der Berufung aus:

"Unter [Auflagenpunkt 24] ist festgehalten, dass der Stellungnahme des Wasserverbandes Ansfelden zu entsprechen ist. Da aber bereits im Bauansuchen die Ableitung der Abwässer in die Privatkanalisation der [Zweitbeschwerdeführerin] angesucht und in der Folge unter Punkt 23 die Ableitung in diese Privatkanalisation auch bewilligt wurde, ergibt dieser Vorschreibungspunkt keinen Sinn, weshalb ich den Antrag stelle, dass dieser Vorschreibungspunkt ersatzlos aufgehoben werden möge."

Dieser Berufung gab der Gemeinderat der Stadtgemeinde Ansfelden "nur insofern Folge", als er in seinem Berufungsbescheid vom 15. Mai 2003, GZ 605/2-220650 Be/Br, "den Widerspruch" im erstinstanzlichen Bescheid dahingehend beseitigte, dass er Auflagenpunkt 23 aufhob und Auflagenpunkt 24 "vollinhaltlich bestätigte".

Die Berufung der beschwerdeführenden Gesellschaften gegen den erstinstanzlichen Bescheid wies der Gemeinderat der Stadtgemeinde Ansfelden mit demselben Bescheid als unbegründet ab.

Aus der Begründung:

"Der rechtswirksame Flächenwidmungsplan weist für den zu bebauenden Teil des Grundstückes eine Wohngebietswidmung auf [...].

Unzweifelhaft (iSd Oö BauO) ist, dass die [Erstbeschwerdeführerin] jedenfalls Nachbarin iSd §31 Abs1 Z1 ist, da sie Grundeigentümerin des unmittelbar an das zu bebauende Grundstück angrenzenden Grundstückes ist.

Der vorgelegte Nachweis (TAS S) beschreibt zwar die Ist-Situation, stellt letztendlich aber bei der Erwähnung der Auswirkungen (in gewerbebehördlicher Hinsicht) auf die Zukunft ab; zudem trifft dieser Nachweis offensichtlich nur Aussagen zum Betrieb [der Zweitbeschwerdeführerin], da - an diese adressiert - keine andere Namenserwähnung anderer Firmen/Betriebe in der Stellungnahme zu finden ist. Eine allfällige (zukünftig geplante) Anlagenänderung kann keine Berücksichtigung finden, da dies nach Gesetz und Judikatur nicht Gegenstand der Prüfung sein darf. Das heißt: Aus Sicht der Berufungsbehörde liegt eine Stellungnahme zum Betrieb der [Zweitbeschwerdeführerin] vor, nach dem bei derzeitigem (Betriebs-)Bestand eine Wohnbebauung auf Parz. Nr. 2765/2 möglich ist. [...] Ein (aktenkundig nach eigenen Aussagen der Gewerbebehörde) schwebend rechtswirksamer gewerbebehördlicher Bescheid existiert nur für die G.F. L Gesellschaft m.b.H. & Co KG, die aber nicht im Verfahren beteiligt ist (und auch nie ein allfälliger Rechtsnachfolger benannt wurde). Im beigebrachten Nachweis durch TAS S wird nur bestätigt, dass für die Zukunft, also bei (allfälliger) Erweiterung des Betriebes der [Zweitbeschwerdeführerin], die Möglichkeit einer Beeinträchtigung dieses Betriebes durch die heranrückende Bebauung besteht. Die Erhöhung der Auflagen für den derzeitigen Betrieb durch die geplante Wohnbebauung wäre Beurteilungsgrundlage und so wurde bzw. konnte durch die Berufungswerber nicht nachgewiesen werden, dass der gegenständlichen Baubewilligung etwas entgegenstünde, ja ganz im Gegenteil - der vorgelegte Nachweis vermag die Baubewilligung der I. Instanz daher nicht zu entkräften. [...]

Aus dem im Akt befindlichen Grundbuchsauszug vom 5.7.2002 (vor Ausschreibung der Bauverhandlung) ist ersichtlich, dass die [Erstbeschwerdeführerin] Grundeigentümerin der Parz. 2765/3, 2765/5 und 2765/6, KG Ansfelden ist, was die Ausführungen der [Zweitbeschwerdeführerin] [...] (sie behaupten Grundeigentümer der Parz. 2765/5 zu sein) entkräftet. [...]

Zusammenfassend muss daher festgehalten werden:

Die Einwendungen der [Erstbeschwerdeführerin] und der [Zweitbeschwerdeführerin] [...] gehen ins Leere.

Die [Erstbeschwerdeführerin] war mit ihren Einwendungen auch aus Sicht der Zweitbehörde abzuweisen, da sie zwar - wie erwähnt - Parteistellung hat, aber inhaltlich keine ausreichende Begründung bzw. keine dementsprechenden Nachweise vorlegen konnte. Die Behauptung, dass für das zu bebauende Grundstück zumindest umfangreiche Schallschutzmaßnahmen zur Hintanhaltung gewerbebetrieblicher auf das geplante Bauvorhaben einwirkender Lärmimmissionen erforderlich würden, kann selbst mit der eigens vorgelegten Stellungnahme des TAS S nicht bestätigt werden. [...]

Die Einwendungen der [Zweitbeschwerdeführerin] wären aus vorangeführten Gründen eigentlich zurückzuweisen, da sie weder iSd §31 Abs1 Z1 noch des Abs5 OÖ. Bauordnung Parteistellung hat, weil ihr kein unmittelbar angrenzendes Grundstück gehört noch - entgegen ihren Aussagen - ein Grundstück, auf dem sich ein benachbarter Betrieb befindet bzw. das Grundstück, auf dem sie sich selbst befindet. Wie aber allgemein aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bekannt ist, schadet eine fehlerhafte Abweisung, die zurückzuweisen gewesen wäre, nicht (ua. VwGH vom 18.6.1968, Zl 201/66), woraufhin die Berufungsbehörde [...] die I.-instanzliche Entscheidung bestätigen konnte."

1.4. Auch gegen den Berufungsbescheid erhoben sowohl der Bauwerber (die mitbeteiligte Partei) als auch die beschwerdeführenden Gesellschaften Vorstellung.

Der Bauwerber brachte in seiner Vorstellung vor, er habe lediglich gegen den Vorschreibungspunkt 24 Berufung erhoben, nicht aber gegen den durch die Berufungsbehörde aufgehobenen Vorschreibungspunkt 23.

Die beschwerdeführenden Gesellschaften legten ihrer Vorstellung die "Immissionsberechnung Grundstück 2765/2 KG Ansfelden" der TAS S GmbH vom 26. Mai 2003 bei.

1.5. Die belangte Behörde entschied über diese Vorstellungen in zwei getrennten Bescheiden:

1.5.1. Mit Bescheid vom 25. August 2003 gab sie der Vorstellung des Bauwerbers (der mitbeteiligten Partei) Folge, hob den Berufungsbescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Ansfelden vom 15. Mai 2003, Z605/2-220650 Be/Br, auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Stadtgemeinde Ansfelden zurück. Sie begründete dies folgender Maßen:

"Bis zum 30. Juni 2001 war die Abwasserbeseitigung in den §§35 bis 40 der OÖ BauO [...] geregelt.

Seit dem 1. Juli 2001 ist nunmehr die Abwasserentsorgung in einem eigenen Gesetz, nämlich im OÖ. Abwasserentsorgungsgesetz 2001 geregelt. [...]

Im Bereich der Abwasserentsorgung geht man nun nicht mehr nach baurechtlichen Vorschriften, sondern nach abwasserrechtlichen Vorschriften vor. Wird die Baubewilligung erteilt, ist bei der Vorschreibung von Auflagen aber nur nach baurechtlichen Vorschriften vorzugehen. Die Punkte 22. bis 24. über die Abwasserbeseitigung im erstinstanzlichen Bescheid sind keine zulässigen Auflagen im Rahmen der Erteilung der Baubewilligung [...].

Auch wenn nur gegen einen einzelnen Punkt der 'Abwasserbeseitigung' berufen worden ist, so hätte die Berufungsbehörde aufgrund des sachlichen Konnexes der Punkte 22. bis 24. [...] alle unzulässigen Auflagenpunkte und nicht nur Punkt 23. [...] aufheben müssen. [...] Die Berufungsbehörde hat dem Vorstellungswerber wieder eine unzulässige Auflage vorgeschrieben.

[...]

§12 OÖ Abwasserbeseitigungsgesetz 2001 [bestimmt], dass Objekte unter bestimmten Voraussetzungen anschlusspflichtig sind. Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist bereits ex lege eine Anschlusspflicht gegeben. Ein gesonderter Bescheid ist nicht vorgesehen. [...]"

Diesen Bescheid stellte die belangte Behörde dem Bauwerber (mitbeteiligte Partei) und der Stadtgemeinde Ansfelden, nicht jedoch den beschwerdeführenden Gesellschaften zu. Er langte bei der Stadtgemeinde Ansfelden am 1. September 2003 ein.

1.5.2. Mit dem - nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof angefochtenen - Bescheid vom 30. September 2003 gab die belangte Behörde der Vorstellung der beschwerdeführenden Gesellschaften gegen denselben Bescheid (Berufungsbescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Ansfelden vom 15. Mai 2003, Z605/2-220650 Be/Br) keine Folge und stellte fest, dass die Vorstellungswerber durch diesen Bescheid in ihren Rechten nicht verletzt würden. Aus der Begründung:

"Zu der der Vorstellung beigelegten, an die [Zweitbeschwerdeführerin] adressierten Immissionsberechnung vom 26.5.2003 sei bemerkt, dass dieser 'Nachweis' offensichtlich wieder nur Aussagen zum Betrieb [der Zweitbeschwerdeführerin] betrifft. Wie der Zusammenfassung besagter Immissionsberechnung zu entnehmen ist, werden durch den derzeitigen Betrieb der [Zweitbeschwerdeführerin] für das Grundstück Nr. 2765/2 die Planungsrichtwerte gemäß ÖNORM S5021 für 'städtisches Wohngebiet' zur Tageszeit unter Berücksichtigung der bestehenden Betriebsgeräusche nach wie vor eingehalten. Dies bedeutet nichts anderes, als dass beim derzeitigen Betriebsbestand eine Wohnbebauung auf dem in Rede stehenden Baugrundstück - ohne konkrete Befürchtung von zusätzlichen Auflagen für den benachbarten Betrieb - möglich ist.

Davon abgesehen muss betont werden, dass nach §31 Abs5 Oö. BauO 1994 nur Immissionen bestehender benachbarter Betriebsanlagen berücksichtigt werden, die auf Grund rechtskräftiger Bescheide zulässig sind, wobei in diesem Fall der Nachbar die entsprechenden Nachweise beizubringen hat. Die seitens der Einschreiter vorgelegten Immissionsberechnungen betreffen einerseits nur den derzeit bestehenden Betrieb der [Zweitbeschwerdeführerin] und geht daraus hervor, dass beim derzeitigen Betriebsbestand ohne Befürchtung weitergehender gewerbebehördlicher Auflagen eine Wohnbebauung auf Grundstück Nr. 2765/2 möglich ist. Bereits aus diesem Grund musste der diesbezügliche Einwand ins Leere gehen.

Weiters muss im gegebenen Zusammenhang bemerkt werden, dass in besagten Immissionsberechnungen mit keinem Wort auf irgend einen rechtskräftigen gewerbebehördlichen Bescheid, nach dem die in den Immissionsberechnungen dargestellten Immissionen behördlich abgesegnet sind, Bezug genommen wird. Die seitens der Einschreiter vorgelegten Immissionsberechnungen entsprechen daher nicht den Anforderungen des §31 Abs5 Oö. BauO 1994."

2. Gegen den zuletzt genannten Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der beschwerdeführenden Gesellschaften in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art2 StGG), auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung gesetzwidriger Verordnungen (Flächenwidmung des Baugrundstücks als Wohngebiet, Bebauungsplan) behauptet wird.

3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Die mitbeteiligte Stadtgemeinde Ansfelden erstattete eine Äußerung und legte die Akten betreffend das Zustandekommen des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes betreffend das Baugrundstück und das Grundstück der Erstbeschwerdeführerin vor.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (vgl. zB VfSlg. 15.372/1998, 15.739/2000, 16.666/2001, 16.278/2001 und 16.717/2002).

2. Der Verfassungsgerichtshof erblickt in folgendem Umstand - wenn auch die beschwerdeführenden Gesellschaften diesen nicht ins Treffen führen - eine Verletzung des Rechts der beschwerdeführenden Gesellschaften auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter:

Wie oben dargestellt, erhoben gegen den Berufungsbescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Ansfelden vom 15. Mai 2003, Z605/2-220650 Be/Br, sowohl der Bauwerber (die vor dem Verfassungsgerichtshof mitbeteiligte Partei) als auch die beschwerdeführenden Gesellschaften Vorstellungen an die belangte Behörde. Diese [vorbereitet von der Umweltrechtsabteilung] entschied zuerst - mit Bescheid vom 25. August 2003 - nur über die Vorstellung des Bauwerbers; sie gab dieser Folge, hob den Berufungsbescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Ansfelden vom 15. Mai 2003, Z605/2-220650 Be/Br, auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Stadtgemeinde Ansfelden zurück.

Dass die belangte Behörde [vorbereitet durch die Baurechtsabteilung] daraufhin der Vorstellung der beschwerdeführenden Gesellschaften mit dem bekämpften Bescheid vom 30. September 2003 keine Folge gab, somit als Rechtsmittelbehörde eine Sachentscheidung über einen bereits aufgehobenen Bescheid traf, bedeutet eine Inanspruchnahme einer der belangten Behörde nicht zukommenden Zuständigkeit (vgl. VfSlg. 4964/1965).

Daran ändert der Umstand nichts, dass der vor Erlassung des angefochtenen Bescheides ergangene Bescheid über die Aufhebung des Berufungsbescheides - der Zustellverfügung zufolge - dem Bauwerber (mitbeteiligte Partei) und der Stadtgemeinde Ansfelden, nicht jedoch den beschwerdeführenden Gesellschaften zugestellt wurde. Denn der Bescheid war durch Zustellung an den Bauwerber und die Stadtgemeinde Ansfelden erlassen und daher für die belangte Behörde bereits verbindlich; sie musste davon ausgehen, dass sie den Berufungsbescheid bereits aufgehoben hatte.

3. Der angefochtene Bescheid war daher schon wegen Verletzung des Rechts der beschwerdeführenden Gesellschaften auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) aufzuheben.

Auf die geltend gemachten Bedenken gegen den Flächenwidmungsplan und den Bebauungsplan war nicht einzugehen. Deren Anwendung durch die belangte Behörde erfolgte in der zu Unrecht ergangenen Sachentscheidung denkunmöglich; daher ist keine Präjudizialität gegeben (vgl. etwa VfSlg. 8999/1980, 16.452/2002).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von 327,- € und eine Eingabegebühr in Höhe von 180,- € enthalten.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Baurecht, Baubewilligung, Nachbarrechte, Bescheiderlassung, Verwaltungsverfahren, Berufung, Zustellung, Vorstellung, VfGH / Präjudizialität, Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:B1499.2003

Dokumentnummer

JFT_09948990_03B01499_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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