RS Vfgh 2003/9/24 B706/00

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Veröffentlicht am 24.09.2003
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Index

32 Steuerrecht
32/06 Verkehrsteuern

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
ErbStG 1955 §8 Abs4, Abs5
GrEStG 1987 §3 Abs1 Z2

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Vorschreibung einerMindeststeuer für den todeswegigen Erwerb von Grundstücken an denerbserklärten Erben im Fall eines Nachlaßkonkurses; keine Bedenkengegen das im Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz vorgeseheneGrunderwerbsteueräquivalent auch bei überschuldetem Nachlaß alsAusgleich für die Steuerbefreiung nach dem Grunderwerbsteuergesetz;Nachlaßkonkurs verfassungskonform jedoch einergrunderwerbsteuerlichen Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangesgleichzuhalten

Rechtssatz

Der Verfassungsgerichtshof hegt grundsätzlich keine Bedenken dagegen, daß §8 Abs4 ErbStG 1955 beim (unentgeltlichen) Erwerb von Grundstücken einen Zuschlag vorsieht und diesen in Abs5 leg cit als Mindeststeuer ausgestaltet.

Wenn der Gesetzgeber in §3 GrEStG 1987 die Grundstückserwerbe von Todes wegen und Grundstücksschenkungen unter Lebenden von der Besteuerung nach diesem Gesetz ausnimmt, so liegt es in seinem steuerpolitischen Gestaltungsspielraum, diese Erwerbe im Bereich der Erbschaftssteuer einer höheren Besteuerung zu unterwerfen, um auf diese Weise den Entfall der Grunderwerbsteuer auszugleichen. Eine verfassungsrechtlich bedenkliche Doppelbesteuerung kann in dieser Vorgangsweise nicht erblickt werden, solange die Erfassung von Grundstückserwerben nach den beiden Steuern in sich sachlich ist. Es erscheint daher auch unbedenklich, daß das Grunderwerbsteueräquivalent auch bei einem überschuldeten Nachlaß vorzuschreiben ist, solange der Erbe oder sonstige Rechtsnachfolger tatsächlich ein Grundstück erwirbt (mag er auch keine Bereicherung erfahren).

Den hier zu beurteilenden Fall des todeswegigen Erwerbes überschuldeter Grundstücke mit anschließendem Nachlaßkonkurs, der die Einantwortung ausschließt, hält der Verfassungsgerichtshof einer grunderwerbsteuerlich relevanten Rückgängigmachung von Erwerbsvorgängen für gleichwertig.

Die Vorschreibung des Grunderwerbsteueräquivalents nach §8 Abs4 ErbStG 1955 würde dazu führen, daß ein Erbe, der auf Grund eines Nachlaßkonkurses letztlich keine Verfügungsmöglichkeit über ein Grundstück erlangt hat, ebenso behandelt wird wie ein Erbe, der eine solche Verfügungsmöglichkeit erlangt hat. Sie würde auch dazu führen, daß der Übergang eines Grundstückes aus dem Nachlaß in das Eigentum eines Käufers im Zuge eines Verlassenschaftskonkurses, sofern der Erbe eine (bedingte) Erbserklärung abgegeben hat, eine Belastung mit zwei Objektsteuern (Grunderwerbsteueräquivalent und Grunderwerbsteuer) zur Folge hätte, bei Fehlen einer Erbserklärung hingegen lediglich (einmal) Grunderwerbsteuer anfiele, obwohl in beiden Fällen letztlich nur ein Erwerbsvorgang stattgefunden hat. Eine solche Gleichbehandlung bzw. Differenzierung widerspricht aber den Wertungen des Grunderwerbsteuerrechts, dem es darum geht, den Grundstücksverkehr und nicht bloße (zu Verträgen verdichtete) Absichten zu besteuern (vgl VfSlg 10926/1986). Sie ist daher unsachlich.

Zur Vermeidung eines solchen verfassungswidrigen Ergebnisses ist daher davon auszugehen, daß im Fall eines Nachlaßkonkurses, der die Einantwortung an einen erbserklärten Erben hindert, seitens dieses Erben der "Erwerb eines Grundstückes" iSd §8 Abs4 ErbStG 1955 nicht vorliegt, sodaß die Mindeststeuer nach Abs5 leg cit nicht angefordert werden darf.

Indem die belangte Behörde der - verfassungsrechtlich unbedenklichen - Rechtslage einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, hat sie den Beschwerdeführer im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Auslegung verfassungskonforme, Erbschafts- und Schenkungssteuer,Grunderwerbsteuer, Steuerbefreiungen, Doppelbesteuerung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:B706.2000

Zuletzt aktualisiert am

13.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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