RS Vfgh 2003/9/27 G18/03 ua

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Veröffentlicht am 27.09.2003
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
Sbg BaupolizeiG 1997 §3 Abs1 Z1
Sbg BaupolizeiG 1997 §10 Abs3a, Abs4
Sbg BautechnikG §40

Leitsatz

Verletzung des Gleichheitsrechtes durch unsachliche Abgrenzung zwischen bewilligungs- und anzeigepflichtigen Bauvorhaben im Salzburger Baupolizeigesetz; keine sachliche Rechtfertigung der Einschränkung der Nachbarrechte im Bauanzeigeverfahren zur Errichtung bestimmter kleinerer Wohnbauten

Rechtssatz

Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung (vgl VfSlg 15274/1998 mit zahlreichen weiteren Hinweisen) die Auffassung, dass grundsätzlich keine Verfassungsnorm besteht, die Parteirechte in einem Verfahren überhaupt oder in einem bestimmten Umfang garantiert. Den Umfang der Parteirechte in einem Verwaltungsverfahren bestimmt der einfache Gesetzgeber. Das die Parteirechte bestimmende Gesetz könnte allerdings etwa aus dem Grunde mangelnder Determinierung oder wegen Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot verfassungswidrig sein.

Verletzung des Gleichheitsrechtes durch §3 Abs1 Z1 Sbg BaupolizeiG 1997.

Die Abgrenzung zwischen bewilligungs- und anzeigepflichtigen Bauvorhaben ist hinsichtlich der damit verbundenen Rechtspositionen aus zweierlei Gründen unsachlich; einerseits stellt die Abgrenzung nur auf die nach einer Durchschnittsbetrachtung prognostizierten Emissionen und nicht auch auf die Möglichkeit der Berührung anderer Nachbarinteressen ab; andererseits werden Kleinwohnhäuser ohne jede Beschränkung der Geschoßfläche (vgl §40 Abs1 Sbg BautechnikG) unter die anzeigepflichtigen Bauvorhaben eingereiht.

Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens ist typischerweise nicht das Ansuchen um Ausnahmebewilligung von baurechtlichen Vorschriften, sondern die Nachprüfbarkeit der Einhaltung subjektiv-öffentliche Rechte begründender, genereller baurechtlicher Bestimmungen.

Der Verzicht auf die Mitwirkung des Nachbarn im Bauanzeigeverfahren zur Errichtung von Wohnbauten bis zur Größe von Kleinwohnhäusern gemäß §40 Abs1 Sbg BautechnikG einschließlich solcher Zu- und Aufbauten, durch die diese Größe nicht überschritten wird, ist sachlich nicht gerechtfertigt.

Die Regelung, nach der eine behördliche Entscheidung gemäß §10 Abs4 Sbg BaupolizeiG 1997 nur insoweit vorliegt, als eine baubehördliche Überprüfung stattgefunden hat, führt dazu, dass es einerseits im Belieben der Behörde liegt, inwieweit ein angezeigtes Bauvorhaben vom Baukonsens erfasst wird. Da der Umfang der behördlichen Überprüfung durch die Kenntnisnahme der Bauanzeige nicht dokumentiert wird, bleibt andererseits völlig unklar, was letztlich vom Baukonsens überhaupt erfasst ist. Wenn aber der Inhalt des Baukonsenses unklar ist, vermag auch das baupolizeiliche Verfahren die im Sinne des Rechtsstaatsgebotes erforderliche Überprüfungsmöglichkeit durch den Nachbarn nicht sicherzustellen.

Auch das vom Gesetzgeber normierte Recht auf Akteneinsicht gemäß §10 Abs3a Sbg BaupolizeiG 1997, das dem Nachbarn zumindest anlässlich der Errichtung eines Kleinwohnhauses ein beschränktes rechtliches Interesse einräumt, bewirkt ohne Parteistellung der Nachbarn im Bauanzeigeverfahren eine Ungleichbehandlung.

Im Übrigen siehe auch G20/03 vom selben Tag.

Anlassfälle: E v 27.09.03, B18/00, B19/00 - Aufhebung des angefochtenen Bescheides; Zurückweisung hinsichtlich der nicht als Bescheidadressatin aufscheinenden Zweitbeschwerdeführerin zu B19/00 mangels Legitimation; auch keine Antragstellung auf erstinstanzliche Bescheiderlassung erfolgt.

Entscheidungstexte

  • G 18/03 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 27.09.2003 G 18/03 ua

Schlagworte

Baurecht, Baubewilligung, Parteistellung, Verwaltungsverfahren, Nachbarrechte, Rechte subjektive öffentliche, Rechtsstaatsprinzip, Akteneinsicht, Determinierungsgebot, VfGH / Legitimation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:G18.2003

Dokumentnummer

JFR_09969073_03G00018_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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