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21 Handels- und WertpapierrechtNorm
B-VG Art18 Abs1Leitsatz
Keine Bedenken gegen die im Börsegesetz 1989 vorgesehene Verpflichtung zum Ergreifen geeigneter organisatorischer Maßnahmen zur Verhinderung von Insidergeschäften (und die korrespondierende Strafbestimmmung) im Hinblick auf das BestimmtheitsgebotRechtssatz
Der UVS beantragt die Aufhebung des §82 Abs5 Z3 BörseG, BGBl 555/1989 idF BGBl I 97/2001. Die angefochtene Bestimmung fand durch die Novelle BGBl 529/1993 in das BörseG Eingang und wurde seither nicht mehr geändert. Sowohl aus diesem Umstand als auch aus der Zitierung der angefochtenen Norm in der Begründung des Antrages des UVS geht mit hinreichender Deutlichkeit hervor, auf welche Fassung (nämlich BGBl 529/1993) des §82 Abs5 Z3 BörseG Bezug genommen wird.
Mit den berufs- und standesrechtlichen Vorschriften sind jene Normen vergleichbar, in denen Personen, die einer Materie besonders nahe stehen, in einem bestimmten Sachgebiet somit als Fachleute zu gelten haben, in eben diesem Sachgebiet zu einem ordnungsgemäßen Verhalten, zur Sorgfalt, zum Ergreifen "geeigneter" Maßnahmen, zur Verhinderung von Mißbräuchen und dgl angehalten werden und die entgegenstehendes Verhalten unter Strafsanktion stellen. In solchen Fällen ergibt sich der konkrete Inhalt der Verhaltenspflichten, der jeweils nur für den Einzelfall ermittelt werden kann, und damit der der korrespondierenden Strafnormen aus dem gefestigten, allgemeinen Wissen des betreffenden Personenkreises um die objektiven Gegebenheiten und Besonderheiten des betreffenden Sachgebietes. Der Gesetzgeber verstößt nicht gegen das Bestimmtheitsgebot des Art18 B-VG, wenn er sich damit begnügt, das geforderte Verhalten (und die korrespondierenden Strafbestimmungen) lediglich im Hinblick auf einen bestimmten Erfolg zu umschreiben, sofern davon ausgegangen werden kann, daß im Kreis der betroffenen (sachkundigen) Personen eine im wesentlichen übereinstimmende Auffassung über den Inhalt der damit im konkreten Fall geforderten Maßnahmen besteht.
Der Verfassungsgerichtshof hat keine Bedenken gegen die vom UVS mit seinem Hauptantrag angefochtene Bestimmung des §82 Abs5 Z3 BörseG 1989: Die Vorschrift richtet sich an eine Personengruppe, von der angenommen werden kann, daß sie über die Voraussetzungen und Bedingungen von "erfolgversprechenden" Insidergeschäften Bescheid weiß. Einer solchen Personengruppe kann auch unterstellt werden, daß ihr bekannt ist, welche (organisatorischen) Maßnahmen typischerweise geeignet sind, um Insidergeschäfte zu verhindern. Ob diese Maßnahmen bereits in einem "compliance code" oder einem ähnlichen Regelwerk zu Verhaltensregeln eines Berufsstandes verdichtet wurden oder nicht, ist dafür nicht maßgebend. Im übrigen ergibt sich schon aus den allgemeinen Bedingungen der Strafbarkeit, daß solche Maßnahmen nur im Rahmen des Zumutbaren gefordert werden können.
Abweisung des Eventualantrags auf Aufhebung des Wortes "geeignete" in §82 Abs5 Z3 BörseG 1989, da der Inhalt der Norm im Fall der Aufhebung keine Veränderung erführe (auch in diesem Fall wäre dem Gesetz zu unterstellen, daß es selbstverständlich nur "geeignete" organisatorische Maßnahmen fordert).
Schlagworte
Börsewesen, Verwaltungsstrafrecht, Schuld, VfGH / Formerfordernisse, Determinierungsgebot, EventualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:G259.2002Dokumentnummer
JFR_09968998_02G00259_01